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[OBF-401111-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 11. November 1940.

Herzallerliebster!! Mein lieber, lieber [Roland]!! Geliebter mein!

Heut ist nun Hellmuths' Geburtstag. Ob denn alle unsre Glückwünsche rechtzeitig in seine Hände kamen?

Ob er auch ein wenig spürt, daß heut ein Festtag für ihn ist? Der Arme muß nun wieder 4 Wochen lang tüchtig ran. Ach, ich kann es ihm auch nachfühlen, daß er sich jetzt wie an beiden Händen gebunden vorkommt. Wenn nur wenigstens mal eine Änderung einträte zum Besserwerden, für ihn und sein persönliches Fach — wenn er auch noch nicht entlassen wird; denn so leicht kommt im Moment keiner los. Es ist zu traurig, er hat nun noch nichts als Kampf gehabt in der letzten Zeit. Und wie die Dinge jetzt liegen, wird auch sein zukünftiger Weg kein leichter sein. Weil er mir in Elfriede den rechten Lebenskameraden fand, das freut mich so für ihn. Was macht es doch nicht aus, wenn ein geliebter Mensch vertrauensvoll und gläubig zu einem steht in allem Lebenskampf. Und die beiden werden sich bestimmt durchringen, es findet einer Halt am andern. Und diesen Halt brauchen doch alle beide jetzt so nötig, Hellmuth, wie auch Elfriede. Ich denke an ihre schwere Aufgabe dabei. Wir wollen immer recht lieb mit ihnen beiden sein, es ist so schön um eine treue Freundschaft, und Du, mein [Roland] sollst immer da sein für Hellmuth, als sein treuer Bruder, auch wenn Du jetzt mich hast.

Herzlieb!! Es war eine gestörte Nacht, die hinter uns liegt. Die Eltern waren eine reichliche Stunde heim aus Chemnitz, wir saßen noch beisammen und erzählten. Da höre ich immer Motorengeräusch, immer wieder, ich meinte auch noch, heute sind aber die Flieger wieder mal rege. Vater berichtete, daß sie in Chemnitz schon feste geübt hätten, ehe sie herausfuhren. Scheinwerfer hätten einen Flieger im Lichtkegel gehabt, von uns.

Plötzlich bellte die Flak — ohne Alarm!!

Nun schnell den Mantel über u. erst mal an die Schlafstubenfenster. Überall suchten die Scheinwerfer den Himmel ab, ganz hell und klar war die Nacht, ½ 11 war's.

Jetzt gingen über Burgstädt 4 Leuchtkugeln nieder, rote, so hell war es da u. sie schossen nun wie [t]oll. Soweit können die schießen von Chemnitz! Du hast ganz recht, wie Feuerwerk sieht's aus. Hellrot leuchtete der Horizont oben fast genau über uns krepieren die Geschosse. Getroffen haben sie aber nicht. Noch paar mal zogen sie ihre Kreise, ohne etwas fallen zu lassen!

Wie sie zum 3. Male schossen, bequemten sich unsre Sirenen zum Alarm; das war [eine] ¾ Std. nachdem die Flieger bereits über uns waren! Fabelhafte Organisation, was? Gegen ¼ 200 [Uhr] nachts gaben sie die Entwarnung durch. Es ist nichts geschehen, das wir wüßten! Aber geschlafen haben wir nachher nicht mehr fest. Das war nun mein erster, richtiger Alarm, den ich erlebte. Ich hab so fest dabei an Dich gedacht, Du!! Bei Dir werde ich wohl noch mehr erleben von alldem.

Heute kam Dein lieber Freitagsbote. Du! Sei recht schön bedankt Dickerle!! Es muß wieder mal was nicht stimmen mit dem Postvorkehr, auch Du klagst über Unpünktlichkeit.

Na, Du! Wenn nur keiner von ihnen verloren geht, will ja so gerne warten, bis er kommt! Du schreibst, daß Du eines von den 2 letzten Wäschepaketen erhalten hast, hoffentlich bekommst das andre auch noch!, ich sandte beide zusammen weg nach Friedrichsort. Unterdessen ist nun wieder eins auf dem Weg an die neue Anschrift. Es ist bis jetzt nichts verlorengegangen; auch Deine lieben Bilder sind alle in meinen Händen. Ich bringe sie alle mit, damit Du mir erklären kannst! Ich hab's vielleicht einmal vergessen zu vermelden.

Jetzt bist [Du] nun 14 Tage stellvertr. Uffz.!!?

Wenn ich komme, sei nur bloß mein Matrosenhubo, sonst krieg ich doch gar so viel Respekt!!

Sag, ich möchte wohl eine Regentonne voll Wasser mitbringen? Weißt doch, wie gut ich dem Wasser bin!

Da haben sie nun rundum Wasser und doch auch keines. Können sie das nicht in Süßwasser umwandeln?

Na ja, man versteht, jetzt ist eben Zucker knapper als Salz! Mir ist's egal wie's schmeckt, trinken will ich kein's, Hauptsache es ist zum Waschen, Du!! Und den Schirm möchte ich auch wieder mitbringen; ich meinte bei euch sei es bloß schön! Der Onkel Chamberlain ist nun tot. Weißt du's? Du! Wenn Du frühmorgens so rausrennen mußt, hörst? Zieh Dir nur auch was Warmes an! Erkält Dich nicht! Du fragst, wann ich jetzt aufsteh' morgens.

Lach mich nicht aus!! Um 8 [Uhr].

Weil ich Licht und Feuerung spare! Was soll ich denn so zeitig, mein Essen wird auch so noch fertig. Ich merke es nur, daß ich länger brauch, zu meiner Hausarbeit. Ich hab in den Morgenstunden sonst immer meine ganze Wohnung schon blank gehabt. Jetzt dauerts bis weit nach Mittag. Und es geht mir ein bissel mehr von Deiner Zeit ab! Ich will doch fertig sein mit Schreiben wenn Mutsch um 500 heimkommt! Die wundert sich sowieso, was wir uns immer zu sagen haben! Na und jeden Nachmittag nur schreiben und weiter nichts sonst tun? Du! Da bleibt mir zuviel liegen. Ich habe immer mal was auszubessern, Strümpfe stopfen, da werde ich auch nie zu Ende kommen damit, immer neue Löcher. Häkeln! Schneidern. Wege besorgen. Mal was Unvorhergesehenes[,] Besuche machen, wie vorige Woche, zum Lichtbildner. Ach, Du! Überhaupt, seit ich nun verreisen will, da steht bei mir ja alles Kopf. Alles frisch machen, waschen, plätten. Du hast doch gar keine blasse Ahnung, was so alles zu einer 'kompletten Frau' gehört. Und halbe Sache gibt's bei mir nicht. Entweder richtig, oder garnicht.

Da kann ich der Mutsch manchmal auf die Nerven fallen! Wenn ich son  Dickkopf hab, Du!

Aber dabei ist sie ja im Grunde ihres Wesens auch so, sie gestehts bloß nicht vor mir ein. Sie will mich eben immer zum sparen anhalten. Aber ich bin doch nur einmal jung, und ich bin doch auch nicht leichtsinnig.

Und Du sagst selbst, daß es Dir auch Freude macht, wenn ich mich für Dich schön mache, Du!!

Alt und altmodisch wird man u. wird 'es' von alleine.

Nicht wahr, mein Hubo? Du hilfst mir! Ja!

Ach, ich glaube Dir ja, mein [Roland], daß Du Dich ganz sehr freust auf meinen Besuch! Genau so sehr wie ich mich auf Dich freue!! Und ich glaube Dir auch, daß Du Deine Holde so sehr lieb hast, Du!! Aber nicht mehr lieb haben, als ich mein Dickerle, Du!!!

Ich glaube Dir alles, Du! Du weißt es.

Ich liebe Dich so innig, mein [Roland]!!

Ach bald, bald darf ich bei Dir sein, Du!!!

Wie werde ich die eine Nacht verwünschen, wo ich in Halle immer länger noch auf die Folter gespannt werde, Du!! Kannst mir das nachfühlen?

Und Onkel und Tante werden soviel wissen wollen, es hat sich ja nun soviel ereignet seit ich nicht mehr bei ihnen war. Und ich werde mich verzweifelnd nach meinem Retter umsehn, er kann mich ja noch nicht erlösen — in Halle noch nicht! Du!! Ach, mein Lieb! Mein Herzlieb!!! Noch 10 mal schlafen, Du!! Und dann auch noch einmal allein und dann?? Ist Sonnabend. Du!? Du!!? O sag mir's noch nicht, Du! Jetzt noch nicht, Du!!! Ich liebe Dich!!!

Behüt Dich Gott! In unerschütterlicher Liebe und Treue

ganz Deine Holde.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946