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[OBF-401111-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 11. November 1940.

Geliebte! Mein liebes, teures Herz! Holde mein! Meine liebe [Hilde]!

Deine lieben Boten von Sonnabend und Sonntag stehen noch aus. Sonntags fallen viel Postwagen aus, und deshalb gibt es oft eine Verzögerung. Was soll ich nun heute schreiben? Du! Jetzt, da ich den leeren Bogen vor mir habe, weiß ich noch nicht, wie ich ihn füllen werde. Die vergangene Nacht war sehr unruhig. 3 Mal wurden wir herausgeholt. Ein einziger Flieger gegen Abend war zu sehen. Die anderen Male lagen wir in Bereitschaft. Nun bin ich heute Abend ein wenig müde. Die kommende Nacht wird wahrscheinlich ruhig anlaufen, es ist stürmisch und regnerisch. In unserer Stube ist es gemütlich warm. Die ist gemütlicher als unsere Stube in Bülk, weil sie hell gehalten ist, etwas niedriger und besser aufgeteilt. Die Betten stehen nur zu zwei übereinander! Dein Hubo schläft oben im ersten Stock. Er findet tadellos an sein Bettchen, auch wenn es stockfinster ist, dann schwingt er sich hinauf – und schwupp – liegt er drin – und liegt die ganze Nacht so schön brav und ruhig, daß er nicht herausfällt. Meist wird es ½ 11 Uhr, bis die Kameraden alle in der Koje liegen und die Lichter verlöschen – Dein Dickerle verkriecht sich schon um 10 Uhr – dann nimmt er seine Bilder mit – und mit ihnen steigt sein ganzes Glück auf – und mit diesem Gefühl des Glückes schläft er ein. Das Einschlafen geht eigentlich schnell – aber meist wird er früh munter – und dann, in der Stille und Heimlichkeit der Nacht, dann steigen all die Bilder auf, Du Geliebte, kennst sie auch – und sie wollen ihn schier überwältigen – Du!! – es kann richtig schmerzen – er muß versuchen, seine Gedenken in bestimmte Bahnen zu lenken.  Und dann fängt Dein Dickerle immer wieder von vorn an, und immer wieder gern: Wie die Holde sein würde! Und dann verbeißt er sich in Einzelheiten und plagt sein Gedächtnis – und das lenkt ihn ab und läßt ihn vielleicht wieder einschlafen. Herzallerliebste! Wie alles kam zwischen uns, es ist wie ein Wunder! Ein Wunder nicht zuletzt die Wandlung, die Dein Hubo durchmachte. Wenn wir uns früher schrieben: „Möchte Gott uns Kraft und Gewißheit schenken_ _“, so war das von mir ganz ehrlich gemeint. Aber es stand hinter dieser Bitte und Hoffnung auf eine Bangigkeit vor all den äußeren Entschlüssen und Konsequenzen, die unsere Verbindung eines Tages mit sich bringen mußte: Unser Geheimnis mußte offenbar werden – die Besuche bei den Eltern – die Äußerlichkeiten alle – der Blick auf diese Entschlüsse, den Vollzug, die Unterschrift gleichsam unter alles: nötigte noch und noch, die Beständigkeit unserer Verbindung zu überprüfen. Und wie leicht war dann alles! Lachen möchte ich über manche Sorge von damals. Nichtig sind alle Vorbehalte, alle Zweifel, alle Hemmungen, alle Vorurteile. Mit der Liebe zu Dir wuchsen Wille und Kraft, sie alle zu überwinden. Unser Gebet fand Erfüllung. Geliebte! Frei und gleichgesinnt und entschlossen, eines Sinnes und Herzens, traten wir an den Altar, traten wir dann hinaus vor allen Menschen: mit Rührung und Stolz spürten wir aller Augen auf uns Ruhen, fühlte ich dich, Geliebte, für immer mir unzertrennlich Verbunden an meinem Arm – mit dem unendlich tiefen Glücksgefühl, die liebste und beste und schönste heimzuführen als mein Eigen. Was ich Dir bin und bedeute, ist mir allein wichtig – und was Du mir bist, wird stets allein mein Urteil über Dich bestimmen, allen Neidern zum Trotz. Es hat mir Freude bereitet, vor den Augen der mißgönnischen [sic] Menschen Dich fest in meinen Schutz zu nehmen – und Du darfst diesen Menschen allzeit mit berechtigtem Stolz begegnen, daß Du diesen Schutz ehrlich und frei gewannst. Herzallerliebste! Behüte Dich Gott! Ich liebe Dich so sehr! Ich bin voll Sehnsucht nach Dir! Bald wirst Du kommen! Du! Geliebte!! Still! Fein still jetzt! Dann? Du! Du!!

Ich bin in aller Liebe und Treue für alle Zeit Dein [Roland]!

Und Du bist meine [Hilde]! Meine Holde!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946