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[OBF-401104-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 4. November 1940.

Herzallerliebster! Mein lieber, liebster [Roland]! Geliebter mein!

Heute bin ich nun wieder blaß für meinen Allerliebsten da. Ich will Dir schnell erzählen, was ich gestern trieb. Sonntag früh bin ich erst um 8 Uhr aufgestanden, mir schmerzten alle Glieder und ich kam nur langsam wieder in Gang. Mutter erging es ebenso. Es war eben zu viel Wäsche, das dürfen wir in Zukunft nicht so sich anhäufen lassen. Denk mir, vom Sonnabend früh, es war noch finster, bis abends um ½ 10 haben wir fortwährend geschuftet. Papa hat bis Mittag geschlafen, weil er Nachtdienst hatte und versorgte uns dann mit ‚Nahrung’, erledigte unsre Wege und machte gegen 8 in der Küche oben schön warm. Ich bin ein Mal oben gewesen den ganzen Sonnabend, wo Dein Telegramm kam und da habe ich sofort den Brief (mit Fortsetzung) abgeschickt. Dabei kochte ich auch noch nebenbei Stärke, auf Gas. Die Mutsch sagte einmal über das andre: „Na, wenn das Dein Hubo wüßte, daß ich Dich so sehr anspanne!”

Sie denkt noch immer mit einigem Respekt an die Zeilen, die Du Deiner Mutter nach Haus richtetest, ehe ich nach Kamenz fuhr! Wie kann ich denn ‚Dame’ spielen und Mutsch sich abrackern lassen, kommt ja für mich überhaupt nicht in Trage [sic: Frage]. Ich bin die Jüngere und ich muß mehr leisten, als die Ältere – ich bin gesund – Mutter ist durch ihre schwere Operation nur noch ein halber Mensch; aber was sie trotzdem noch leistet, das ist erstaunlich. Na, kurz – am Sonntag ging’s immer noch mal weiter. 6 große Doppelfenster waschen, putzen und 2 Kleine. Waschhaus sauber machen, Wannen u. Geräte scheuern. Wäsche spülen, welche au[f]hängen. Glaubst der Oberboden ist gestopft voll und unten stehen nach 2 große Wannen voll Wäsche. Ich bringe bestimmt noch die ganze Woche damit zu. Es trocknet ja so schlecht. Ich konnte nicht mit singen in der Kirche, am Sonntag. Mußte doch auch noch Essen kochen. In der 3. Stunde waren wir soweit fertig. Dann haben wir auch noch gebadet, dazu kam es am Freitag nicht Papas Nachtdienst halber, u. ich konnte auch kein Wasser machen, weil ich die große Hausordnung (mit Oberboden) zu scheuern hatte. Und wir weichten ja auch Wäsche ein. [I]ch war nach dem Bad aber so kaputt, glaubst?

Aber dann dachte ich wieder an meine vielen Schreibschulden und es ließ mir keine Ruhe, ich machte mich daran, ein paar abzustoßen. Um Deiner in ganzer Hingabe und Andacht zu denken, war ich zu, abgespannt, war mir auch zu viel Betrieb um mich her, weißt?! Und ich schrieb an die Hochzeitsteilnehmer paar liebe Zeilen auf unsre Karten ein Bild dazu; und nach Halle, auch daß ich kommen will, wenn’s gut geht! Nun bin ich das endlich los, mir ist ordentlich leicht darnach.

[B]in zeitig schlafen gegangen am Sonntag, Du! Vor 8 schon. Und so lange habe ich noch wach gelegen und Deiner voll Sehnsucht gedacht. Ich wußte nun garnicht, wo ich Dich suchen sollte, der Sonntagsbriefträger brachte mir diesmal nichts und nur vom Telegramm her wußte ich, daß mein Lieb nun schon am neuen Orte ist.

Ich bin Dir so dankbar, daß Du mir das Telegramm schicktest, Du! Aber unsre Dussel von Postbeamten, haben bis jetzt noch nie bei mir ein fehlerfreies Schriftstü[c]k abgeliefert. Groß und deutlich st[an]d Postleitxstelle [sic] d[a]rauf. Ich habe überlegt lange, ob das wohl stimmen kann, hatte das X noch nie bei dem Wort dabei gehört.[Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]


Aber ich dachte wiederum bei mir, das kann doch unmöglich verhört worden sein; vielleicht, weil es ja jetzt unzählige Postleitstellen gibt haben sie diesen Buchstaben als besonderes Kennzeichen dazugesetzt. Nun, da ich heute Deine beiden Lieben Briefe erhielt, sehe ich, daß wieder mal einer von diesen hochbegabten Postbeamten da drinnen mit ungewaschenen Ohren Dienst tat. Wenn ich nur mal bei Gelegenheit erfahre, wer drinnen Telegramme abfertigt, den lasse ich mir durch den Schalterbeamter den ich gut kenne, mal vorstellen. Das ist ja geradezu haarsträubend was die für befähigtes Personal bei sich beschäftigen. Besinnst Dich noch auf unsre Hochzeitstelegramme? Na, Du wirst schön gelacht haben über meine Anschrift!!

Nun ist die Ausbildung vorbei, glücklich vorbei! Nun bist auch Du ein ‚richtiger Mann’! Sie sagen doch [i]mmer,: ‚wer nicht Soldat war, ist kein richtiger Mann.’ 8 lange Wochen sind darüber hingegangen und es ist Winter geworden mittlerweile. Ich bin so von ganzen Herzen dankbar, Du!! Mein [Roland]!! Daß Du diese Zeit gesund und wohlbehalten an Lieb und Seele überstanden hast. Ich habe für Dich gebetet, immer. Und ich bete jeden Abend für Dich, für uns – wie Du.

Der Herrgott wird uns nicht verlassen.

Ich bin so von Sorgen befreit, wenn ich nun denke:

Er muß nicht gegen den Feind, er bleibt im Vaterland. Ich bin garnicht  übermütig, oder dünke mich anderen überlegen zu sein; es ist jedem sein Weg vorgeschrieben – wir müssen ihn alle gehen und es nützt uns auch die noch so große Liebe und Sorge unser Angehörigen nichts, zuletzt steht doch jeder allein eigens vor seinem Weg – Die Liebe und die Verbundenheit macht es uns nur leichter, was wir zu tragen haben.

Aber warum trübe in die Zukunft sehen?

Wir sind jung, gesund, glücklich in der Liebe d[ie] uns verbindet; wir sind gläubig, hoffnungsfreudig, dem Schicksal gegenüber; wir vertrauen ganz fest auf unseren lieben Vater droben, er weiß was uns frommt. Ohne Murren wollen wir auf uns nehmen, was uns zugedacht, den rechten Sinn erkennen wir am Ende immer dankbaren Herzens. Und es ist dies[e] eine Schule des Lebens, die uns nur läutert und stark macht für das, was noch kommen wird, und je tapferer wir jetzt durchhalten, umso leichter fällt es uns dann, um so [sic] lieber und werter ist uns das Leben dann. Ich habe Dich – Du hast mich, Du!! Das ist doch neben dem Göttlichen die ganze Freude, der ganze Inhalt, alles Glück auf Erden. Solange wir einander haben, kann uns so leicht nichts umwerfen.

Du hast mir nun das Ende bei Euch in Friedrichsort ganz getreu geschildert. Es ist vorbei – bald vergessen. Die Vorgesetzten kriegen neue Gesichter zu sehen; es ist wie ein Kreislauf bei ihnen, immer wieder von vorne fängt es an – sofern sie nicht vorsetzt werden [in] einen anderen Ort, andrer Art Dienstpflicht, der sie dann genügen müssen. Seltsame Menschen, die sich ein Leben lang dieser Sache verschreiben – ich hielt es nicht ein. Und ich bin glücklich, daß Du nicht so bist, mein Lieb! Wenn Du auch ein ganz hausbackener Schürzenjäger wirst, aber Du bist wenigstens mein [Roland]! Du!! Was sollte den auch aus Deiner [Hilde] werden, wenn Du plötzlich für 12 Jahre, oder für immer zum Militär gingst? Ich brauche Dich doch!!! Immer!! Nicht bloß zum Liebhaben und Wärmen!!! Du!! Ich möchte nie von einen Ort zum ander[e]n rutschen als Soldatenfrau, womöglich mit in Kasernen hausen – Brrr!! Immer die allen frechen Männer vor sich sehen – nein! Da ginge ich lieber wieder heim.

Herzallerliebster! Mein liebes, gutes Dickerle, Du! Um mit mir allein zu sein, hast Du die Wache übernommen am Donnerstag? Du! Was Du mir doch für Liebe erweist!! Ich kann mich doch garnicht [sic] bedanken für soviel Liebe und Gutsein, Du!! Du!!

Und soviel, soviel Liebes und Schönes sagst Du mi[r]! Du!! Weißt Du, daß Du nun meine Sehnsucht wieder einmal ganz hell angezündet hast? O Du!! Und so stark ist mein Dickerle, so wild und d[a]raufgängerisch will er sein!!! Du! Denkst wohl, ich hab Angst?? I [sic] bewahre – kein bissel!!! Aber, da fällt mir eben ein, da rauche ich wohl garnicht erst zum Friseur zu gehen, ehe ich zu Dir komme?! Denn bei soviel Angriffslust bleibt ja sowieso nichts von meinen Locken übrig, ja? Ein Schäfel bin ich? Denkst ich hat mir im Eifer nichts dabei gedacht? O doch!!! – Es beruht alles auf Gegenseitigkeit!! Wenn Du mein Herzel drücken willst, Deins? Ach Du!! Das kannst Du ruhig – ich hab doch noch eins!! Ätsch! Und wenn Du mir mit dem Schlüsslein drohst, Du? Meinst, es ist nun nichts auf der Gegenseite? Da sperr’ ich Dich einfach in ein ganz finstres Loch, und schließ mit Deinen Schlüsslein die Türe zu!! Liebste – was machste nun? Daß das Schlüsslein etwa nicht paßt, darum ist mir garnicht bange!

[A]ch, wenn Du mir wüßtest, was ich für eine Schlimme bin, Du würdest mir gewiß nichts wieder von Deinen Angriffsplänen verraten!! Weißt, am besten ist’s, wir überrumpeln den Feind!! Mein Feldzugsplan liegt schon bereit!, auf einer Pergamentrolle mit sieben Sigeln dran steht alles, wie es der Reihe nach genommen wird das Feindliche!!! Spione fürchte ich bei mir im Dornröschenschloß nicht!! Ich hab zugeriegelt und draußen hin hänge ich in Zukunft Deinen, oder alle zwei Hüte, wenn's sein soll den Smoking dazu – Du! Dann traut sich keiner rein, da meinen sie alle: „Menschenskind! Da ist schon einer drin!”

Und mit dem Schießen? Ach, schießen kannst Du meinetwegen überallhin! Ich hab bloß eine Stelle, wo es gefährlich wird! Die will ich schon verbarrikadieren!! Aber weißt, bestimmte Munition wird in meiner Gegenwart nicht verschossen!! Ich habe keine…… o nein, jetzt geht mir doch wahrhaftig der Mut aus!! Du!!! Und jetzt schnell noch das Küssen auf öffentlichen Straßen und Plätzen!

Ich bin Dein bester Kamerad. Du sagst es. Dessen will ich mich würdig erweisen. Darum gebe ich Dir einen guten Rat: Wenn Du fürchtest, bei der Begrüßung, im Feuer der Wiedersehensfreude, mit einer Dame in Schwulitäten zu geraten, so erscheine zur verabredeten Stunde völlig unrasiert, sozusagen: mit Seemanskrause! Sei sicher, die Dame krümmt Dir kein Haar. So, merk Dir’s gut – Dickerle!!!!

Du fragst mich, ob Du kratzbürstig, bärbeißig Dich zu[r] Wehr setzen sollst, wenn Du so angegriffen wirst. Ich antworte Dir darauf jetzt nicht.

Aber wenn Du so Dich anstellst, dann sei sicher: Ich beiß Dir einen Schandfleck in’s Gesicht oder wohin, wo man’s noch gleich sieht, den Du bis zum Urlaub nicht mehr los wirst!!! Nun derweile genug davon.

Mein lieber, guter [Roland]! Heute endlich kam Dein Wäschepaket. Ich hatte schon am Freitag gewartet. Du!! Sei recht schön bedankt für das Süße!! Hab mich doch gefreut, daß Du Dich ,überwunden’ hast! Und der schöne Keks? Du! Den habe ich im Eifer meiner Schreiberei jetzt mit aufgefressen! Und wie schade, da wollt ich ihn nun mit ganzen Gedanken auskosten. Na, geschmeckt hat er doch sehr gut, sonst wäre er nicht so rasch hinuntergerutscht!

Die Wäsche ist schon gewaschen, bin gleich nochmal in’s Waschhaus gegangen. Sie war nicht sehe schmutzig, bist brav, Dickerle! Nun möchte sie recht schnell trocknen, damit ich sei bald schicken kann. Zur Haltestelle Zur x Leitstelle!!

Mein geliebter [Roland]! So hast Du nun Dein neues Fleckchen im Finstern angetroffen. Du wirst mir schon morgen mehr berichten. Daß es so, wie es kommt, gut und richtig ist, daran wollen wir immer denken. Du wirst Dich auch hier wieder einleben.

Du!! Du!! Ich bin doch ganz fest bei Dir [Roland]!! Und so Gott will, darf ich mir’s bald einmal mit eig[e]nen Augen besehen, Dein Arbeitsfeld!

Wenn Ihr mir auch genug Heizmaterial habt, in Barackenlagern. Direkt in Eckernförde ließt Du wohl garnicht?

Herzlieb! Ich denke, daß Du Dich jetzt bissel heimischer einrichten kannst als Schreiber. Wenn Du etwas haben möchtest, eine Decke, ein Kissen oder ein schönes weiches Kopfkissen? Du!! Schreib mir nur!! Ich will Dir alles schicken oder – mitbringen, Du!!

Nun will ich für heute Schluß machen, mein Lieb! In diesen Tagen hoffe ich nun auf irgend eine Entscheidung in bezug auf unser Wiedersehen Du! Vielle[ich]t bis zum 13. November? Ich will ganz brav warten. Mein lieber, liebster, guter [Roland]! Ich bin ganz, ganz Dein!! Ich gehöre nur Dir mit allem, was ich habe! Behüt Dich Gott! Ich liebe, liebe Dich! Du!! Mein Liebster!! Herzallerliebster!! Ich bin und bleibe in steter Treuer, mit einem ganz lieben Kuß

Immer Deine Holde.

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.401104-002-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946