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[OBF-401030-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 30. Oktober 1940

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste! Holde mein!

Vorbei. Alles vorbei. Glücklich vorbei. Es war ja ganz harmlos. Der Kommandeur war sehr zufrieden. Und — darüber habe ich Freude empfunden — unser Zugführer hat verdientes Lob geerntet. Ja, und nun — nun warten wir. ½ 7 Uhr Uhr [sic] soll die Abschiedsfeier beginnen. Es wird warmes Essen geben aus der Kompaniekasse. Es wird getrunken werden. Sonst kenne ich unser Programm noch nicht. Lange wird es nicht dauern, daß ich mich zurückziehen kann, ohne daß die andern es merken. Zurückziehen zu meinem lieben Kameraden, zu Dir!

Holde! Wenn ich mich überhaupt freuen soll heute, dann um Deinetwillen, Du! Die 8 Wochen, die uns so oder so getrennt hätten, sie sind um! Wonach man heutzutage jeden Mann fragt, wie nach seinem Namen, es ist erledigt, und ich brauche der Frage nicht auszuweichen. Daß diese Bewährungsprobe nichts Besonderes ist für einen halbwegs normalen Menschen, das wußte ich vorweg, und kann es nun aus eigner Erfahrung bestätigen. Daß einer eine gewisse Militärzeit verbüßt hat, sagt noch nichts aus über seinen Wert und Gehalt als Mensch. Aber Gott sei gedankt, daß er uns (ja, Herzliebes, auch Dich, Du, ich bete immer für uns beide) behütete, daß er uns beistand und durch alle Gefahr sicher hindurchführte, daß wir noch hoffen und uns freuen dürfen. Wir dürfen nach dieser Ausbildungszeit froh in die Zukunft schauen, froher als viele andere, die darnach ihrem Einsatz vor dem Feind entgegensahen. Wie froh bin ich deshalb für uns, für Dich, Geliebte! Du brauchst mich, Du, meine [Hilde]! mein Schützling! Du bist mir anbefohlen, das glaube ich mit Dir. Weißt Du, welches Glück das für einen Mann bedeutet?!! Du verstehst mich und weißt, daß ich damit nicht sagen will, daß ich Dich nicht brauche.

Ganz, ganz lieb hatte ich Dich heut nacht wieder, Du! Du!! Die Freude gestern war zu groß! Wer macht denn nun das Bettlein sauber? Du! Ach, übermorgen sind wir ja schon fort. Ich hatte gehofft, daß heute ein wenig mehr Andacht sei zum Schreiben. Aber es ist sehr unruhig in der Stube. Es sind alle da; denn die Kantine ist jetzt geschlossen.

Es ist Donnerstagmorgen, daß ich weiterschreibe, Herzliebes! Sie hatten uns alle geschnappt zu den Vorbereitungen des Abends. Mit einem Kameraden habe ich Zweige von den Bäumen gehauen. Es gab nur noch bunte Eichenzweige da. Kurz vor 6 Uhr wurde ich noch zum Tafeldecken geholt. Na – und dann gings los. Mit dem Bericht von diesem Abend bin ich schnell fertig. Es war ein ziemlich ruhiger, belangloser Abend. Eine kleine Abschiedsrede eines [sic] aus unserem Zuge. Dem Feldwebel, unserem Zugführer, wurde als Andenken eine schöne Armbanduhr überreicht. Der Leutnant sprach ein paar passende Worte. Dann wurde die Bierzeitung vorgelesen und eine Schnitzelbank vorgetragen. Dabei gab es wirklich Spaß und in diesen beiden Erzeugnissen sind die bezeichnendsten und humorvollsten Situationen unseres Lebens hier festgehalten. Dies und der Dank an unseren Zugführer waren die wahren Erlebnisinhalte dieses Abends. Und dann wurde es für die meisten erst wirklich gemütlich. Für mich wird das auch künftighin ein Gegenstand von Studien und Beobachtungen sein, was das Wesen dieser Biergemütlichkeit ausmacht. Die Hemmungen und der Abstand von Mann zu Mann wird dabei anscheinend tatsächlich überwunden, wenn auch nicht bei allen. Aber diesen Abstand zu jedermann zu verwischen liegt absolut nicht in meinem Interesse. Ich brauche diese Gemütlichkeit nicht. Ob die andern mich kennen, schert mich wenig. Wenn Du, Geliebte, mich nur kennst! Verlorene Zeit wären mir die Stunden, die ich daran wendete. Tausendmal schöner und wichtiger ist mir, neben Dir zu sitzen. Unsre Bücher, unsre Lieder, unsre Unterhaltung, unser Lieben – sie sind unsre, Gemütlichkeit! Du! Dein Hubo wird ein Rockzipfel, ein ganz hausbackener, ein Schürzenjäger! Wo die Schürze seiner [Hilde] winkt und ihr Pantöffelchen schlürft — dann kann draußen der Kaiser vorbeifahren – er wird nach der Schürze und dem Pantöffelchen sehen, Du! Herzallerliebste! Ach, wenn es nur den Schürzenzipfel fassen könnte jetzt!

Geliebte! Holde! Ich schreibe wieder in einer ganz unmöglichen Lage. Die Tische sind besetzt. Alle hat das Reisefieber gepackt. Heute nachmittag soll es noch einmal nach Strande gehen. Ich will nicht mit, will zu Hause, bei Dir bleiben. Mal sehen, ob ich meinen Willen durchsetzen kann. Dann plaudere ich heut nachmittag mit Dir weiter.

Behüte Dich Gott! Meine [Hilde]! Du! Mein Glück! Mein Leben! Mein Ein und Alles! Mein bester Kamerad! Meine liebe Frau! Mein teures Weib! Du! Du!!

Ich halte Dich fest! Ich lasse Dich nicht! Ich liebe Dich! Du! Du!!

Mit meiner ganzen Treue bleibe ich Dein [Roland]! Nur Dein!!

Geliebte! Holde! Und Du bist mein! Ganz mein!! Du! Du!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946