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[OBF-401027-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 27. Oktober 1940.

Herzallerliebster Du! Mein geliebter [Roland]!

Sonntag früh 8 Uhr ist es. Ich bin eben mit meiner Morgentoilette fertig. Und erst kommt mein Herzlieb dran, es ist mir ja vieltausendmal lieber, als der Morgenkaffee! Ich möchte heute eigentlich schon an meinem Platze sein. Die Eltern sind schon gegangen. Aber ich habe mein Zusage für meine Mithilfe garnicht erst unter der Bedingung gegeben, daß ich Dir erst schreiben will, ehe ich runter komme. Sie verstehen nicht, daß ich nicht auch nur mal einen Tag auslasse, an dem ich Dir nicht schreibe. Ich bemühe mich auch nicht, ihnen das verständlich zu machen, es würden mich Zeit und Worte reuen.

Ich sage nur soviel: Wer mich nicht verstehen will, wer sich hierin meinem Willen nicht fügen will, der soll mal die Hände von mir lassen.

Und überdies stehe ich ja hier in keinem Arbeitsverhältnis, das bezahlt wird. Es ist ja mein freier Wille.

Ulkig — gestern abend, als ich mit den Eltern heimzu lief, sagten wir 3 wie aus einem Munde: Nein, nie und nimmer für immer da in dem Betrieb mithelf[en] — wir haben uns nun für die Kirmes zur Verfügung gestellt und haben somit [Zeit] vertan. Der Vater könnt es garnicht durchhalten, wenn er Dienst im Betrieb hätte obendrein. Und Mutter kann am Montagfrüh auch nicht ins Geschäft gehen. Es ist ausgeschlossen, daß wir vor Mitternacht heim können. Gestern habe ich mit Vater den Saal, die Kegelbahn, Weindiele und Saalstube fertig gemacht. Erst alle Tische und Stühle von der Bühne holen, setzen, alles mit heißem Wasser wischen, decken. Die Wände hat Va[ter] selbst abgekehrt und [den] Saal gekehrt, das andere wurde gescheuert. Eine Ziege habe sie geschlachtet, Kalbsniere[,] Ente, Karpfen gibt es noch. Was glaubst Du, wieviel Gäste sich gestern den ganzen Tag telephonisch angemeldet haben! Das wird heute ein unheimlicher Betrieb. Und die heute rennen sonst wohin, wenn es etwas markenfrei zu essen gibt! Vorige Woche zur Kaufunger Kirmes, wäre es die reinste Völkerwanderung gewesen. Ebenso haben [wir] es auch in Kamenz erlebt, wenn in den umliegenden Dörfern Kirmes war. Heute gilt es nun aufzutappen. Für das warme Essen haben wir gestern alles schon zubereitet. Kraut; Kartoffeln geschält; Kompott; Viehzeug angebraten! Karpfen sind lebend im Keller, die macht die Oma tot. Die ist energisch auf die Art! Kuchen schneiden müssen wir noch, Bestecks alle putzen. Ach, was weiß ich noch alles. Das hört nie auf mit der Arbeit. Und ich werde froh sein, wenn dieser Sonntag zu Ende geht.

[Ic]h will gerne, ach wie gerne Deiner denken heute, damit wenigstens die Gedanken eine frohe helle Bahn ziehen, Du! Wo wirst Du wohl heute weilen?

Es ist sehr kalt draußen bei uns, der Schnee liegt noch an vielen Stellen. Nun ist's mit einem Mal Winter. Noch 4 Tage trennen uns von Deiner Versetzung.

Wo ist nur die Zeit hin? So lange dünkte es uns anfangs, die Wochenzahl betrachtet. Und am 30. steigt Euer 'Fest', die Besichtigung. Ach, wer weiß, wie sie Euch nun die paar Tage noch ran nehmen. Hoffentlich machen sie es gnädig! Teile mir nur gleich Deine neue Nummer mit, wenn es soweit ist, mein [Roland]! Die Wäsche bekommst Du doch hoffentlich nachgeschickt, wenn sie Dich nicht mehr erreichen sollte am alten Standort! Denk an, heute früh um 5 [Uhr] war Alarm. Und Vater hat das einzelne Flugzeug schon vor ½ 5 [Uhr] gehört und nach Limbach zu mit Licht kreisen sehen. Knapp ¼ Std.. Dann wars gut. In den Keller sind wir nicht runter. Mein Geliebter! [Roland]! Dein Bote kam! Herzlieb!! Ich danke Dir, Du! Du! Ich will ganz still und geduldig warten, ich will mich bemühen, Du!! Es wird alles gut werden. Ob Du bei mir—ob ich bei Dir, ach wenn wir nur beisammen sind! Du! Ich antworte Dir morgen auf Deine Fragen!

Mein geliebter [Roland]! Du hast mir Glück und Freude gebracht, ich gehe nun frohgemut aus Werk! Laß Dir danken mein Herz, Du!! Ich küsse Dich Du!! Ganz innig! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen! Ich kann Dich nie mehr von mir lassen, Geliebter! Ich kann nur Dir gehören—Behüte Dich mir Gott auf allen Wegen. Erhalte er Dich froh und gesund! Mein [Roland]!! Ich bin in großer Liebe, in Treue immerdar nur Deine Holde.

Und Du bist mein!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946