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[OBF-401025-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 25. Oktober 1940.

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste! Holde mein!

Heute will man mir Deine Zeit beschneiden! Ich soll mitarbeiten und, dichten an der Zeitung für unseren Abgang. Kannst Dir denken, wie gern ich das tue? Ich könnte gleich trotzen. Und trotzen will ich auch: Du sollst meinen Boten empfangen wie sonst.Dein lieber Bote kam heute aus Oberfrohna, zum guten Zeichen, daß Du, mein Lieb, glücklich zu Hause angekommen bist, wenn auch mit Verspätung. Noch etwas verriet mir der Bote: daß meine Überraschung in ihrer äußeren Abwicklung gelungen ist. Du! und Mutsch hat mir fein geholfen dabei! Ein anderes zeigt er mir: daß wieder viel Arbeit auf Dich wartet, und meine Bedenken im gestrigen Briefe gar nicht ganz unbegründet sind.

So klein kommt Dir alles vor zu Hause? Herzliebes! Klein, aber fein. Und Du, Holde! Wieviel Glück erlebten wir in diesen Räumen! Hoch oben, näher dem Wind und der Sonne, weit entzogen den neugierigen Blicken, schützend geborgen vom Vertrauen Deiner lieben Eltern: Wieviel selige Stunden schlugen uns da! Meine ganze Welt, mein Glück, mein Leben, meinm Herzlieb umschließen diese Räume! Gott schütze dieses Haus, er schütze diese Räume und die darin umgehen! Was gäbe ich darum, wenn ich dort weilen dürfte, bei meiner Liebsten, bei Dir! Holde mein!

Wenn Du nun wieder die Singestunde besuchst, und man fragt Dich nach dem Päckchen an mich, dann sollst sagen, daß ich es am Sonntag, den 20.X. erhielt, [Siehe Ausschnitt aus dem Brief] zunächst durch Dich meine freudige Überraschung und meinen Dank zum Ausdruck bringe, und bei besserer Gelegenheit — es sei jetzt wenig Zeit — mich selbst vernehmen lassen werde.

Die Zeit wird in den nächsten Tagen wirklich etwas knapp, es heißt die Gedanken zusammennehmen und auf Draht sein. Deine Zeit soll nicht gekürzt werden. Wenn es nötig wäre, würde ich ja gerne ein paar Nachtstunden d[a]ransetzen, aber das ist nicht möglich. Pünktlich 10 Uhr müssen alle Lichter gelöscht werden.

Das letzte Wochenende hier in Bülk ist nun tatsächlich heran. Ohne Schikanen, in bester Laune, ging es zu Ende: „Gewehr über! Gewehr ab!“ Das ist jetzt A und O allen Exerzierens. Ich bringe es gut. Es strengt mich kaum noch an. Die rechte Hand ist richtig ein wenig derb geworden und der rechte Arm zeigt wieder Ansätze zu Muskeln. Liebste! Du! Hüte Dich vor Deinem „starken“ Hubo! Er verwildert Dir hier unter lauter ,Männern‘, mußt ihn Dir erst wieder ziehen und zähmen, wenn er bei Dir ist! Hast bange, Herzliebes, Holde? Ach Du! Deinen Hubo mag niemand mehr zu ändern, keine noch so starken Männer mit rauhen Kehlen und derben Zungen und starken Fäusten — viel eher vermöchte es die Eine mit Ihrer Liebe, Ihrer Güte, Ihrer zarten Milde. Ja Holde! Dein [Roland] braucht sie, die Liebe, Güte, Milde — die Strenge, Härte hat er selbst. Da hat mein Herzlieb doch in einem Briefe geschrieben,: so wie sein [Roland] müßte unser Kindlein sein. Darüber werden wir uns zart und leis noch ein andermal sagen. Aber die an Dein Herz, in Deinen Schoß! Geliebte! Empfandest auch Du dieses Glück? Nun ist es nur lebendig in der Erinnerung! Du, Geliebte! Bete, hoffe, glaube mit mir, daß es wieder ganz lebendig wird! Du! Ich liebe Dich so sehr! Ich bin Dir so gut! Du hast mich so reich und glücklich gemacht – und ich lasse Dich nicht von mir, Holde, Geliebte! Ich halte Dich ganz fest! Ich küsse Dich! Ich liebe, liebe Dich! Du! und bleibe Dein [Roland]! Und Du bist mein!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946