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[OBF-401023-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 23. Oktober 1940

Mein liebes, teures Herz! Meine über alles geliebte [Hilde], Du! Meine Gedanken sind heute immer mit Dir, Geliebte! Gegen 5 Uhr war ich schon munter. Und dann habe ich Dich begleitet, Herzliebes! Mein Lieb reist. Möchten ihm alle Wege gesegnet sein, immer!Und jetzt um diese Stunde, geb's Gott, bist Du wieder glücklich zu Hause. Von Haus zu Haus, von Heim zu Heim, und dazwischen liegt wie eine schwanke Brücke die Fremde, Herzliebes, die feindliche Fremde, durch die ich Dich eifersüchtig wachend begleite; eifersüchtig nicht, weil ich denke, Du könntest mich über einem anderen vergessen, das wirst Du niemals, das kannst Du niemals, Geliebte!, alle meine Briefe müßtest Du dann verbrennen, alle Bilder, Dein Herz müßtest Dir ausreißen — das kannst Du niemals, Holde,— nein, eifersüchtig auf alle, die Dich anschauen, wie sie sich angewöhnt haben, Mädchen und Frauen anzuschauen, nicht auf ihren Wert und ihr Herz; nicht deshalb, um ihre Liebe zu gewinnen für ein ganzes, langes Leben; nicht um des Glückes des anderen willen — sondern allein, um billig ihre schnöde Lust zu büßen. Geliebte, Du! Ich weiß Dich wach und gefeit gegen diese Blicke, ich weiß, daß Du falsch und echt unterscheidest - ich weiß, daß Du mich über alles liebst!

O Holde, wie glücklich Du mich machst! Wie schön es ist, wenn ich Dich sorgend begleiten und umhüllen kann! Wie wärmt sie mich selber, die Liebe, die ich so wärmend spende! Gestern abend erhielt ich Dein Kamenzer Wäschepäckchen mit dem süßen Gruß. Sei recht bedankt dafür. Herzliebes, wie gut, daß ich Dich habe, auch darin! Du sollst nicht denken, daß ich Dich auf Deinen Nutzen einschätze. Nein. Alles läge jetzt auf meiner lieben Mutter. Zu den Sorgen, die sie ohnehin schon hat, käme dann noch diese Arbeit. Daß ihre Hände müder werden, wer wollte es übersehen? Nicht ihr Herz! Aber die Hände. Und Du schaffst das alles mühelos, mit Freude und Anteilnahme, für Dich ist es ein Anfang. Unsre Eltern warten nun schon lange Jahre auf das leichtere Ende, darauf, daß die Jungens endlich flügge sind, endlich, und dieses Ende zieht sich immer weiter hinaus. Nun habe ich Dich! Ganz leicht haben wir es beide noch. Aber wir sehen unsre Aufgaben, unsre Verantwortung und damit die größere Sorge, die Sorge, wie sie unsre Eltern haben, die wir freudig gemeinsam tragen und auf uns nehmen wollen. Und ich habe in der 'Heimat' ein Menschenkind, um des willen ich bete, es möchte Frieden werden, ich möchte wohlbehalten heimkehren. Ich weiß dort ein Menschenkind, um des willen ich dieses Leben liebe, wie es das Leben liebt um meinetwillen. Du! Meine Liebe, treue Lebensgefährtin, meine Liebe [Hilde], Du!

Es ist heute wieder ein bunter Tag. Eben sind wir zurück aus einem Vortrag über die Freimaurerei. Heut abend sehen wir den Film "Meine Tante, deine Tante." Morgen geht es wieder zum Schießen, wenn es nicht regnet. Die Übung morgen ist "liegend freihändig." Seit gestern fegt ein kalter Nordost über die Ebene. Jetzt ist es trübe und wärmer geworden, es riecht nach Regen. Dein lieber Bote von Montag ist in meiner Hand, ganz pünktlich. Umso mehr ist es mir leid, daß Du auf ihn warten mußt. Die Post ist schuld. Ich habe täglich geschrieben und bis zum Sonntag meinen Boten nach Kamenz geschickt. Vielleicht läuft es sich nun besser ein. Aber eine Störung wird es nächste Woche geben, wenn wir abkommandiert werden. Davon werde aber nur ich betroffen. Wir bekommen dann eine neue Feldpostnummer. Ich gebe Dir noch Bescheid. Herzallerliebste! Meine Gedanken werden auch heut abend immer bei Dir sein. Werde ich auch vom Mittwoch ein Briefchen bekommen? Zwei Päckchen habe ich verflossene Woche nach Oberfrohna abgeschickt. Dem einen konnte auch ich endlich mal was Süßes beilegen. Du folgst mir nicht in diesem Punkte: ich schrieb Dir, daß ich alles Süßigkeiten mit Dir teilen möchte, und daß ich Bonbonnieren nur noch halbgefüllt oder jedes Stückchen angebissen annehmen will, versteht sich, angebissen nur von Dir! Hörst mich, Liebes? Schon wieder ist ein Tag um. Er hat für Dich noch eine Überraschung, Holde! Wenn alles geklappt hat. Möchte ich Dir ein wenig Freude damit bereiten. Daß ich auf beiden Bildern so nach der Seite sehe, befriedigt mich nicht ganz. Wenn Du mir ins Auge schaun willst und Dein Dickerle richtig besehen, mußt eben nun selber kommen, Liebste! Hast doch viel Freude an dem 'Dickerle', und darum freue auch ich mich darüber, über Deine Liebhaberei. Bin nur nicht ganz gewiß, wovon Du diesen Namen herleitest!

Behüte Dich Gott! mein Herz. Bitte grüße die lieben Eltern. Nun bin ich bei Dir heut abend, Geliebte! Du, wie gern wäre ich es leibhaftig! An die seligsten Stunden will ich denken, Geliebte! So Gott will, sollen sie bald wiederkehren, mein holdes Weib! Ist es nicht wieder, wie zu der Zeit, da wir noch 'Lieb[']sleute' waren? Daß wir die Tage zählen, die Stunden. Daß unser ganzes Sinnen ist bei der Stunde uns[e]res Wiedersehens. Du, ich liebe Dich so sehr! Ich gehöre Dir! Nur Dir! Dir will ich dienen! Um Dich alles Gute und Schöne breiten! Meine ganze Verehrung Dir bringen! Du, mein Stern, mein Glücksstern, der mir zu einem besseren Leben erschien und nun leuchtet zu unersetzlichem Glücke! Herzallerliebste! Behalte mich lieb! Bleibe mir treu! Ich bin in Treue allezeit

Dein [Roland], Und [sic] Du bist meine [Hilde]! Meine Holde! Du! Du!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946