Montag, am 21. Oktober 1940 in K..
Herzallerliebster! Du mein lieber, guter [Roland]! Geliebter mein!
Eine schlaflose Nacht liegt hinter mir. Es gab Alarm. Schon ½11 abends. Wir standen auf und gingen hinüber zu S.s, in dem Pferdestall ist es schön warm. Ich konnte dann nicht mehr schlafen. Vielleicht ½ Stunde dauerte es, bis die Entwarnung kam. Geschehen ist in unserer Nähe nichts. Aber in Berlin sind sie in Wellen angeflogen kommen [sic], berichten die Nachrichten heute.
Die Mutter ist mal mit nach G. mit Frau S., zum Einpacken der erblichen Sachen! Heute früh um 8 ist sie fort und gegen abend kommt sie wieder. Ich bin ganz allein. Habe erst die Wohnung in Ordnung gebracht. Ich erwarte alle Minuten das Kind. Der Zug ist herein. Nun sind alle in die Schule zum Kaffeetrinken und werden dann zu ihren Pflegeeltern gebracht, durch Helferinnen. Ich bin gespannt, was wir kriegen! Liebster! Dein Bote ist heute auch noch nicht gekommen. Er wird schon am Nachmittag da sein. Nun will ich mal sehen, ob ich meinen Brief heute noch abschicken kann. Ob mich das Kind voll und ganz in Anspruch nimmt.
Gestern Nachmittag spazierten wir nach der ‚S. M.’, es gab dort guter Kuchen. Wir fühlten uns ganz wohl, aber Euch Soldaten hätten wir doch zu gerne wieder mal um uns. Im Gastzimmer saßen Soldaten, die waren vor paar Tagen aus Frankreich zurück.
Aber glaubst, freche Luder sind es geworden oder waren es schon erst.
Ich bin immer froh, daß Deine Eltern dabei sind.
Heim pflückte ich und auch Mutter die letzten Kornblumen für Euch und eine Hagebutte für Dich, als letzten Herbstgruß aus dem Sachsenland. Daheim angekommen 4 Uhr, hörten wir uns das Wunschkonzert am bis zum Schluß. Es war schön, wieder mal nach langer Pause. Ich hab[’] ganz fest an Dich gedacht, Du! Hast Du auch daraufgehört [sic]? Meine Decke ist tüchtig gewachsen, Du! Ich häkel aber auch wie ein Feind. Wie werden sich die Eltern freuen. Alles vom Hubo seinem Geld!!
3 Päckchen habe ich gepackt vorhin für unsere Soldaten.
Mögen sie Euch gesund antreffen.
Nun bin ich noch eine Nacht und einen Tag in meines Herzallerliebsten Elternhaus. Schöne Stunden waren es, die ich hier erlebte. Anfangs wollte mich immer wieder die Einsamkeit, die Verlassenheit übermannen; aber ich habe überwunden. Du warst ja immer, immer bei mir, mein [Roland]. Und dafür danke ich Dir aus ganzem Herzen, Du! Ich brauche mich ja nirgends mehr allein zu fühlen. Du bist bei mir, bist tief in meinem Herzen, für alle Zeit. Ich liebe Dich. Du!
Herzlieb! Das Kind ist da. Ein Junge aus Hamburg. Peter S., 8 Jahre alt. Netter kleiner Fratz. Hat so braune! Augen wie Du, Lieb! Nun habe ich viel Arbeit.
Herzliebster! Meine [Roland]! Ich bin [—] trotzdem ich heut[’] mit ihm in Zimmer schlafe [—] immer bei Dir, Du!
Ich liebe Dich aus tiefsten Herzen, Du! Du!
Behüt Dich Gott! Mein [Roland]!
Ich bin in großer Liebe, in unverbrüchlicher Treue