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[OBF-401021-001-01]
Briefkorpus

Montag den 21. Oktober 1940.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe [Hilde], Du! Holde!

So pünktlich kommt Dein lieber Bote jetzt! Jeden Tag bin auch ich unter den glücklichen Empfängern, gewiß der glücklichste unter ihnen. 36 Briefe zähle ich von Deiner Hand! Einen von Deinen Blöcken muß ich heute neu anreißen. Ich habe jetzt etliche Mappen in Vorrat und kann Dir eine abgeben, wenn es daran fehlt. Was haben wir uns nun nicht alles schon wieder geschrieben! Wenn wir vor die Aufgabe gestellt würden: Schreibe 36 Briefe!, es hätte uns geschwindelt vor Ratlosigkeit und Schwierigkeit. Und nun sind sie doch gefüllt und auch das nächste Duzend wird mühelos beschrieben. Warum reißt man uns auch auseinander!

Geliebte, Holde! Was Du schreibst von Deiner Reise! Ganz leise will ich an Deinem Faden mitspinnen, ganz leise und Behutsam, Du! Am 30. Oktober ist unsre Besichtigung, das haben wir heute erfahren. Am 31. Oktober – ist in Preußen kein Feiertag – kann es schon fortgehen. Heut morgen habe ich in meinem Bettlein simpliert [sic]: warum es gut ist, wenn Du etwas Freitag, den 22. November zu mir kommst: 1.) bist dann wieder wohl, 2.) bin ich ein wenig eingerichtet, 3.) geht es aus den Neumond, da kommt der Engländer nicht so leicht heran 4.) bist dann um die Dunkelste Zeit (Totensonntag) und über den Jahrestag unsrer Verlobung bei mir. Hörst gut zu? Liebes? Wie ich frei komme, das hängt ganz von dem neuen Kommando ab. Dieses neue Kommando ist ein Los, das wir ziehen, und wir beide vertrauen fest darauf, daß es uns zum Glücke sein wird. Das schwierigste Stück wird sein, ein hübsches Quartier zu finden, in dem man uns auch ein Stübchen extra heizt, unser Stübchen, Geliebte! Damit Du nicht frierst, Herzlieb, wann Du allein bist! Wenn ich bei Dir bin, sollst schon nicht frieren!  Ach, Holde, Herzlieb! Um dieses Stübchen kreisen nun alle Gedanken!! Aber ich will schon fleißig suchen und nicht ruhen, bis ich etwas finde. Deinen Zug weiß ich schon. Aber den sage ich Dir noch nicht. Nur eines: Wenn Du bei Tage hier ankommen willst – und ich möchte das – dann mußt einmal bei Onkel und Tante in Halle absteigen und einsteigen. Das nur, damit Du Dich mit dem Gedanken vertraut machst und siehst, daß ich unseren Plan nicht außer acht [sic] lasse, daß er mich immerzu bewegt. Ist auch schon bestimmt, wieviel [sic] Tage Du bleiben darfst: 13 Tage! Ja, ja, Dein Hubo ist ein gar gestrenger Eheherr!, und seine [Hilde] ist seine folgsame Frau, weil sie weiß, daß er es gut, ganz sehr gut weint, Du! Sollst zu all dem Dich äußern und mir Deine Gedanken und Wünsche dazu schreiben, hörst, Herzlieb?

Du! Aus Deinem Briefschluß bin ich heute nicht ganz Klug geworden. Und den lese ich doch immer so genau zwei-[,] dreimal, Du! Überhaupt, wenn soviel Ausrufezeichen dahinter stehen! Soviel ich ersehen kann, spielst Du auf einen Scherz aus einem zurückliegenden Briefe an, aber auf welchen? Na, wenn es sich nicht lohnt, suche nicht erst lange.

Herzallerliebste! Nach den Gestirnen am Himmel schauen wir beide und wissen, sie scheinen uns beiden, sie kennen nicht die kleine Ferne, die uns trennt, seltsam genug! Der Mond scheint, ein paar Wölkchen, liegen neben ihm. Der Mond leuchtet auch Dir, ein wenig höher steht er bei Dir, die Wölkchen aber kannst Du nicht sehen, sie sind nur hier. Und die lieben Sterne. Wie nichts anderes sonst in dieser Welt künden sie von der weisen Führung Gottes, wollen sie uns zeigen, daß auch wir Menschen so gerechnet und geführt werden wie sie. Und nicht zuletzt sind sie Sinnbilder der Beständigkeit und Treue. Über Generationen ziehen sie ehern ihre Bahnen.

Du, es ist schon spät heute. Der Kamerad vom Stubendienst naht mit dem Besen und wird mir gleich den Schemel wegziehen. Weiß nicht, warum ich heute nicht fertig werde. Unser Zugführer war längere Zeit im Zimmer. Na, viel Neuigkeiten sind auch heute nicht mehr, und ich kann zum Schluß kommen. Herzliebes! Daß Du wieder froh und hell in die Welt schaust, das freut auch mich von Herzen. Wenn Du diesen Brief in Händen hältst, hoffe ich, daß ich diese Freude mit meiner Gabe habe ein wenig [^]habe nähren können. Herzallerliebste! Nichts Schöneres weiß ich, als Dich zu erfreuen, Geliebte! Ich bin darin noch nicht ganz firm, habe es doch erst lernen müssen, und die Lehrzeit war so kurz bisher! Aber das habe ich schon erfahren, daß nichts mehr beglückt, als zu Deinem Glücke beizutragen.

Behüte Dich Gott! Mein liebes, liebes Herz! Sorge Dich nicht so sehr nun mich, Geliebte! Ich passe ganz gut auf um Deinetwillen, unseretwillen. Geliebte! Du und wir, Dein und unser, in diesen Personen besorgt sich all mein Wünschen und Sehnen, so spreche ich auch in Gebet zu unserem Herrgott!

Du! Ich habe Dich ganz sehr lieb! Ich denke so oft an Dich, auch in meinem Bettlein, mein Schlaf ist nicht mehr so lang und tief. Du! Geliebtes Weib! Komm bald zu mir! Dein bin ich! Dein [Roland]! Und Du bist mein, ganz, ganz mein. Holde! Geliebte!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946