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[OBF-401020-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 20. Oktober 1940 in Kamenz.

Herzallerliebster! Du mein lieber guter [Roland]! Geliebter mein!

Dies neue Briefpapier erstand ich gestern nachmittag mit Vater, als wir alle 3 in der Stadt bummeln waren. Ich muß es doch gleich einmal ausprobieren! Die Bogen schlagen zwar nicht in unser beliebtes Größenformat, aber wenn ich bissel kleiner schreibe, geht schon auch hier was darauf, meinst? Auf dem Markt war gestern wieder mal Platzkonzert, anläßlich der Sammlung für das WhW. Vatern [sic] schein alles zu wenig schmissig! Er hätte am liebsten selber dirigiert, er wurde so unruhig, daß wir uns bald verzeihen mußten um kein Aufsehen zu erregen! Einen Spaß gab mir's! Einen Sprung sind wir dann rauf in die Wohnung um die Einkaufstasche abzulegen, dann gingen wir noch einmal über den Berg. Er ist so reizvoll bei Sonnenuntergang. Ich wünschte, Du wärst dabei gewesen. Herzlieb, ehe wir losgingen entdeckte ich Deinen lieber Boten vom Donnerstag im Kasten. Du! Wie ich Dir danke dafür! Und wie ich mich freute, früh einen — nachmittags einen! Wie Du mich verwöhnst, Hubo!

Es sind ihrer nun schon 38 Stück seit dem 26. August. 16 allein habe ich hier bei mir in Kamenz. Ich freue mich ja so, wenn sich das Häuflein, das mir so unendlich teuer ist, mehr und mehr vergrößert, Du!

Sei tausendmal bedankt für das, was Du mir schreibst, mein [Roland]. So wie ich Dich beglückte, hast auch Du mich beglückt.

Ich weiß, Du verstehst mich ganz. Du bist mein liebster, bester Kamerad. Zu Dir kann ich flüchten, mit all meinen Nöten. Du bist nur für mich da. Zu Dir kann ich aber auch kommen, wenn mein Herz voll ist, voll Liebe und Sehnsucht; wenn sich der Strom meiner ganzen Liebe einmal ergießen muß in ein anderes Menschenherz, das dieser Liebe bedarf. Und nur zu Dir allein will alle meine Sehnsucht und Liebe, Du! Nur zu Dir! Weil Du der Einzige bist, dem ich ganz, ach so ganz gehören will. Der Herrgott ließ mich Dich finden, Du! Dich, mein Glück! Und darum will ich Dich ganz festhalten und nimmermehr von mir lassen. Du! Mein [Roland]!

O ich weiß noch, wie finster war es um mich, ehe Du kamst. Schon als ich zum ersten Mal ganz tief in Deine Augen gesehen hatte, Du!, da wußte ich, daß ich Dich nie mehr in Leben vergessen könnte. Ich hab Dich gehalten in meinem Herzen, ganz fest, so innig fest — über allen, was auch kam — und der Herr hat meine Treue gelohnt. Du hast mich erkannt, hast mich gefunden! [Roland], mein [Roland]! Und wenn ich einmal ganz alt schon bin, der Jubel darüber in meinem Herzen, daß Du nun der Meine wardst [sic] bleibt ewig jung, ewig neu.

Du! Du! Wie glücklich sind wir — Du, und ich. Liebster! Ein guter Schütze ist mein lieber Mann!

Wie wir uns alle freuten, Du! An Deinem guten Erfolg. Vater ist sogar sehr stolz auf Dich. Du hast ja noch nicht mal anderwo [sic] geschossen. (Es käme ja auf die Art des Schießers an!!) [2] mal 30 Ringe. 1 mal 30 Ringen ergeben 1 Woche Sonderurlaub. Fein! 14 Tage hätten [e]iner also sicher! Menschenskind, darauf müßt Ihr drücken, wer gut schießt kriegt Urlaub!

Verzichte lieber auf die Schießschnur, Du! Die schenke ich Dir dann obendrein vor lauter Freude!

Heute kam Dein Bote noch nicht. Mutter schrieb, die haben seit dem vorigen Sonntag jede Nacht Alarm. An der [unklar], weißt, wo die Autobahn sich kreuzt sind 9 Bomben gefallen; sie hätten auf der Hindenburgstraße die Fensterscheiben zittern hören. Das Waldenburger Auto konnte garnicht fahren. Da haben die Brüden also mal ihren Kurs geändert, ich wunderte mich schon, daß sie nicht mehr so oft nach Berlin einfliegen. Da wird ein mancher Engländer genau Bescheid wissen, noch vom Hohensteiner Rennen her, meinst nicht auch? Mutter hörte sogar die englischen Maschinen! So ein Unfug, bei uns im Haus gehen sie nicht in den Keller. Mögen die B.s u. [sic] U.s ruhig im Bett bleiben, für mich kommt das jedenfalls nicht in Frage. Ich werde runter gehen u. Mutter muß mit, mag's liegen oder brechen. Das ist ja direkt großer Leichtsinn, die nahe Gefahr so zu mißachten.

Ich bin vorsichtig, Du! Wie ich es auch wünsche, daß Du es bist, mein [Roland]. Morgen kommt das Kind! Was es ist ob Jung oder Madl wiss’mer [sic] nich[t]. Es gäb mehr Jung als Madl! Vater rennt schon seit gestern mit den Bettzeug herum, zu Mutters Ärger! Es ist gerade so, als kriegten wir richtig ein Kind!! Mein [Roland]! Wo wirst Du heute weilen? Ich denke immer Dein, Du! Wohin wir gehen ist noch ungewiß, wollen gerne aufs Dorf wo Kirmes ist, damit wir richtig Kaffee u. Kuchen vorlegen können. Viele herzl. Grüße von dem Eltern! Dich aber mein Lieb behüte Gott! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen, Du!

Ich bleibe ewig in Treue Deine Holde. Und Du bist mein, nur mein lieb[’]s Dickerle.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946