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[OBF-401019-002-01]
Briefkorpus

[401019-2-1]

Sonnabend, am 19. Oktober 1940 in Kamenz.

Herzallerliebster! Du mein lieber, lieber [Roland]! Geliebter!

Wieder will es Sonntag werden, die Welt ist voller Sonnenschein. Ich freue mich so, auch für Dich mein [Roland]. Können wir doch mit unsren Gedanken, mit unsren Sehnsüchten draußen für uns allein sein, können hinein wandern in die schöne Herbstzeit und müssen nicht traurig und hoffnungslos sein dabei. Weil ja der liebe Sonnenschein alles vergoldet, alle Pracht in der Natur und unwillkürlich auch unser Gemüt erhellt. Man kommt garnicht so leicht übers [sic] Grübeln wenn es draußen so schön ist, wenn das Wetter hinauslockt und so viel gibt es ja zu schauen; es ist, als wolle uns die Natur noch einmal mit all ihrer Schönheit erfreuen, bevor der lange, kahle Winter kommt. Und ich wünsche mir so sehnlich, daß der November auch schönes Wetter bringen möge—der Dezember vergeht dann schell. Ach, wenn es so grau und trübe ist, tage — wochenlang—die Zeit wird einem doch zur Ewigkeit über'm Stubenhocken. Du hast nun auch Feiertag mein Hubo! Du wirst Dir schon ein schönes Programm aufgestellt haben, damit es Dir nicht zu öde wird in der Kaserne. Ich freue mich, wenn Du so in der Umgegend rumstöberst. Ich erfahre doch davon und kann mir so viel besser eine Vorstellung machen, in welcher Landschaft Du Dich nun bewegst.

Glaubst mir, daß ich mich riesig darauf freue, mit Dir das alles zu erleben? Nur Sschade, daß es dem Winter zugeht. Ich glaube in dieser Jahreszeit gehen uns viele Reize verloren, die eben nur die Sommerzeit bieten kann. Wenn man sagt: ich fahre an die See, in einen Badeort, so steht zunächst das Bild vor Augen: Sonnenschein, Wasser, weißer Dünensand und alle Herrlichkeit, die noch dabei ist. O ja, darauf würde ich mich auch freuen, sehr. Mit Dir mich tummeln nach Herzenslust, im Wind, in der Sonne — ach, Du weißt ja längst, wie gerne ich auch schwimme.

Aber jetzt, wenn ich reisen sollte, dahinaus, Du!

Weißt, ich käme ja in der großen Hauptsache nur um Deinetwillen. Alles andere ist zweiten Ranges. Erst will ich ganz nur Dir gehören und dann, Du! Kommt's darauf an, wieviel Zeit uns noch (Zeit) bliebe, damit ich auch noch etwas andres zu sehen bekomme von Deiner Umgebung! Du müßtest aber auch paar Tage wenigstens, von denen ich bei Dir weile, ganz frei sein von Dienst. Wenn es dann schon recht kalt draußen ist, Du! Und Du hast für mich eine gute Bleibe ausfindig gemacht, dann nehme ich Dich mit zu mir—ganz, ganz für mich allein will ich Dich haben, und ich lasse Dich gar nimmer fort von mir. Mein Roland, ich darf es nicht ausdenken—es wär zu schön um wahr zu sein, Du! Du!

Wie ich mich danach sehne, von Dir mit aller Zärtlichkeit umgeben zu sein, Du! Ob sie mir wohltut? Du! Dummerle! Wie kannst Du denn fragen!! Ich kann es nicht in Worte fassen Du, was ich dabei empfinde, wenn Du so lieb und gut zu mir bist.

Ich habe dann nur einen einzigen Wunsch: Die Zeit möchte stille stehen; immer, immer möge es so bleiben im Leben — mein [Roland].

Herzallerliebster! Dein lieber Bote vom Mittwoch kam heute an. Sei recht schön bedankt, Liebster! Die Engländer waren wieder über Euch. War es am Donnerstag oder Mittwoch, als die Nachrichten meldeten in Kiel sind Schäden entstanden? Ich erschrak darüber, Du!

Wenn Du wüßtest wie ich bangend horche, wo sie wieder gehaust haben, bitte, Du! Bitte sei nicht leichtsinnig! Bei uns ist gottlob noch Ruhe. Wie es zu Haus steht, weiß ich nun nicht. Dein Vater erzählte dieser Tage, in Chemnitz sei Alarm gewesen.

Es ist nur für Euch so schwer da draußen: Kiel, das begehrte Ziel so nahe, kann denn auch etwas geschehen durch die Sprengstücke von der Flak? Man ist nur auf das eine gespannt, ob vor Weihnachten eine Entscheidung fällt.

Wenn ich in 4 Tagen werd wieder daheim sein, vermisse ich bestimmt sehr das Radio. Die Eltern sprachen vergangen [sic] einmal davon eines zu kaufen. Das Geld ist da. Aber Mutter ist sich nur noch ein Zweifel ob Radio, oder Matratzen, die sind bitter not. Na, nach einer Seite hin wird sich's schon noch entscheiden. Ich enthalte mich hierin vorläufig meiner Meinung. Ich möchte nicht bestimmen darüber, ich will aber auch später keine Vorwürfe ernten. Das ist nun so ein kleiner Kampf. Fast wie bei Euch auch.

Vorigen Sonntagmittag ging's ab nach dem Schleißberg.

Vormittags waren wir auf der Landeskrone.

Wo es morgen hingeht, steht noch dahin. Vater ist noch nicht heim. Ich schreibe Dir darum gleich noch! Am Nachmittag wollen wir auch ein Stück gehen, es ist zu schön draußen. Heute früh lag der erste Reif! Ich bin ganz fein warm angezogen, Du!

Mein [Roland]! Ich wünsche Dir von Herzen einen frohen, angenehmen Sonntag! Was ich heute vergaß, kommt morgen dran.

Es ist so weit, Vater kommt heim. Kartoffelsalat gibt's.

Alles ist in Duft gehüllt, Du! Rate mal in welchen Duft?? Die Überraschung für unsre lieben Feldgrauen ist sooo gelungen! Mein geliebter, guter [Roland]! Du, daß ich nicht vergesse Dickerle! Erhält ihn Dir nicht im Treppenflur!! Wenn Du mein Gesicht dabei gesehen hättest!! Du, bist ja auch mit allen Wassern gewaschen! Aber ich verstehe, Du! Verstehe sehr gut, wie es einem zumut ist!!

Herzallerliebster mein! Behüte Dich Gott! Bleibe froh und gesund! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen, Du, mein Glück! Mein über alles Geliebter! Ich bin Dein! Dein! Und Du bist mein!

In Liebe und Treue

Deine Holde.

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946