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[OBF-401018-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 18. Oktober 1940 in Kamenz.

Herzallerliebster! Mein geliebter, guter [Roland], Du!

Welche große Freude Du! 2 Briefe und auch 2 Bilder! Nun scheint die liebe Sonne noch einmal so hell mein Roland! Einen recht lieben, langen Kuß dafür, Du! Das soll einstweilen mein Dank sein. Aber Du! Wenn ich erst bei Dir bin!! Alle Deine Schuldverschreibungen habe ich genau im Kopfe — nichts, nichts bleibt Dir erspart!

Du gefällst mir, mein [Roland]. Mein lieber, großer [Roland]! Von allen anderen gefällst Du mir am besten.

Wenn ich Dich nur erst mal richtig, wirklich sehen könnte! Siehst gut aus in Uniform. Ich kann stolz sein auf Dich! Ich will Dir hier beileibe nichts vorflachsen, Du!

Aber wir Frauen gucken nun mal gern danach und stellen mit Wohlgefallen fest: das äußere Bild unseres Liebsten. Verstehst mich schon, hm? Jede will doch den Schönsten haben, genau wie es bei den Männern auch ist!

Soso, da war also am Dienstag ein “großes”, kleines 'Viehch' [sic: Tier, gemeint ist wohl 'hohes Tier'] bei Euch. Den Betrieb kann ich mir ja so ungefähr vorstellen.

'Da war Musik auf dem Dampfer' würde man bei uns in Oberfrohna sagen. Und alles Drum und Dran geschah nur paar lappiger Minuten halber. Ja ja, wie oft im Leben: viel Lärm um nichts! Laß das mal bloß nicht sehen, Du! Das Gescheiteste an der ganzen Sache ist in meinen Augen der vorzeitige Dienstschluß, darin liegt wenigstens mehr Sinn. Bestimmt auch für Euch Soldaten. Freilich für die Herren Ausbilder ist es schon ein Gefühl, das die Brust mit Stolz schwellen läßt, wenn sie so ihre Schützlinge vorführen. Ich weiß nicht, warum ich so ’ne Wut auf die habe, die sind in meinen Augen eben Tyrannen.

Wer ist dieser mit Rang auf einem Bilde? Doch nicht etwa D.? Ich halte ihn für den langen Hein.

An diesem schönen Sommertag, der sich auch bei uns hier zeigte, warst Du mit Deinem vierbeinigen Kamerad aus.

Ach ich wäre schon auch gern hinausgegangen am Nachmittag. Aber ich kam auch nicht los, vom Schreiber, ich hatte ja schon Sonntag und Montag nicht mit Dir geplaudert.

Da hat nun jedes seine freien Stunden und wir können sie doch nicht beieinander verbringen. Es ist oft traurig.

Du gehst über die Ebene hin — ich sitze oder stehe auf irgend einen Plätzel auf den Berg — wie gestern gegen Abend, allein — und wir blicken suchend ins Weite, nicht eine blasse Spur verrät das anderen Nähe. Oder doch?

Die Sonne, wenn sie versinkt — glutrot, ihr trage ich meine Küsse auf, für meinen Roland.

Der Mond, wenn er hell, so klar sich zeigt, jetzt da er ganz voll ist. Die vielen Sterne, alles was hoch oben auf uns Menschen herabsieht, wie voll verstehenden Mitleides; all den Himmelswundern erzähle ich von meiner großen Sehnsucht, von meiner heißen Liebe. Ach, könnten sie alle da oben Kunde geben Dir mein Lieb, von dem was ich heimlich, ganz leise aussprache und denke, Du!

Einmal wird auch der Tag kommen, da alle Ferne überwinden ist. Ich werde bei Dir sein, Du! Bei Dir!

Nun ist Mittag vorbei. Ich bin in Gnaden entlassen. Vater liegt auf dem Sofa mir gegenüber, er schläft aber nicht. Ich höre nichts, auf beiden Ohren nichts. Du!

Zu dreien haben wir heute die Wohnung in Schuß gebracht. Und nun ist wieder einmal für ein paar Tage Ruhe.

Wie schnell wir doch fertig sind mit Reinemachen hier in Kamenz. Ich muß daran denken, wie ich mich daheim ranhalten muß, wenn ich sonnabends mit allem fertig sein will und wie ich dann müde und erschöpft bin. Dabei sind hier die Räume viel größer. Ich bin garnicht ermüdet.

Dann müssen wir mal in die Stadt, verschiedenes einkaufen; es soll etwas für unsere lieben Soldaten vom Stapel laufen! Psst! Das wird den ganzen morgigen Vormittag beanspruchen. Liebster! Heute habe ich Deinen Apparat gesucht. Ich werde ihn mit heim nehmen und dann bringe ich ihn mit zu Dir, ja? Also jetzt will ich Dir genau sagen, wann ich heimfahre: Mittwoch früh 6:00 — unumstößlich steht das nun fest. Du bist sicherlich schon bei mir dann? Bitte, Du! Es ist dann erst die richtige Heimkehr, Liebster!

Deine Hochzeitsschuhe muß ich mitnehmen und besohlen lassen Du, wie die aussehen. Deine Mutter sagte, die sind ja ihr Geld nicht wert. Du wirst Dir auch keine solchen wieder kaufen, es ist nicht zweckmäsig, wenn sie vorn nicht durch eine feste Kappnaht gehalten werden. Deine sind ganz aus der Form gekommen und sind geneigt, hoch zu gucken. Ich werde sie mal tüchtig einspannen. Die Schlafdecke wächst unter Mutters und unter meinen Händen zusehends. Ich freue mich sehr darüber. Wie erst werden sich die Eltern freuen! Da habe ich nun noch allerhand zu tun bis Weihnachten. Große Wäsche gib's außer der Bevorstehenden vor dem Fest auch nochmal.

Wenn noch eine Reise dazwischen liegt, Du! Da heißt's fleißig sein. Wir, Mutter und ich lamentieren uns jeden Tag vor, wie kurz doch so ein Tag ist. Außer der dringendsten Hausarbeit bringen wir nur noch unseren Schreibebrief fertig! Handarbeiten müssen erst nach den Abendbrot, also in der 8. Abendstunde vorgenommen werden. Vor 10 kommen wir nicht ins Bett. Ei ei — was ich Dir so für Zeit schenke, was ich da alles machen könnte!! Aber mein Roland! Wie könnte ich die Zeit Dir je vorrechnen? Daß ich Dir täglich schreibe, das ist mir ein Bedürfnis, wie nachts der Schlaf. Und es ist mir ja eine liebe Pflicht. Du weißt es auch. Lieber will ich paar Stunden von meinem Schlafe opfern, um die liegen gebliebene Arbeit aufzuholen, ab einen Nachmittag nicht mit Dir plaudern. Eine Frau hat ja soviel zu wirken, zu schaffen, daß, wenn sie sich nicht einmal energisch losriß von ihren Pflichten, sie ja ganz die innere Verbindung verlöre über allem, zu ihrem lieben Mann. Nein, das lasse ich nie und nimmer so weit kommen und wenn ich so viel Arbeit hätte, daß ich mir die Bekannten, die auch nicht zurückstehen wollen, vor den Kopf stoßen würde. Es ließe sich nicht ändern. Wer eben nicht verstehen will, daß zuerst mein lieber Mann kommt, dann meine Pflichten als Hausmütterchen und dann erst die anderen, das Vergnügen, der darf sich eben nicht mit mir einlassen. Ich brauche sowieso niemanden zum Zeitvertreib, ich habe genug Freude und Beschäftigung mit Dir, Du! Meine Gedanken reichen manchmal kaum aus, für die Wirtschaft. O ja, ich habe auch meine Mucken und wenn es gilt, will ich auch mit dem Kopf durch die Wand, Du! Ich bin heute so froh, Du! Weißt warum? Ich bin krank nun—endlich!! Jetzt freue ich mich nun viel leichteren Herzens an allem Lieber und Schönen, was Du, mein [Roland] mir geschrieben hast. O, ich fühle beglückend, daß Du mich liebst, über alles in der Welt! Ich sehe, mit Seligkeit im Herzen, daß ich Dir Heimat, Erfüllung sein kann. Mein Geliebter! Du! Komm nur zu mir! Ich bin ja immer, immer bereit Dich liebend in meinen Schoß zu betten, Dich an mein Herz zu ziehen daß Du ausruhen kannst, Du! Mein geliebter Roland! Ich gehöre Dir für alle Zeit! In unerschütterlicher Liebe und Treue immer nur

Deine Holde.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946