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[OBF-401018-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 18. Oktober 1940

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste Du! Holde mein!

Das war heute ein leichtes Wochenende. Sonst ist das Wochenende gefürchtet, alles wird noch einmal wiederholt und stramm exerziert, damit die Soldaten „fertig“ sind für die beiden Feiertage. Wir haben das nie zu spüren bekommen, die jungen Freiwilligen uns gegenüber schon eher. Also: von 3-5 Uhr gab es wieder Varieté; es fiel ab gegen das vorige, dafür fiel es in die Dienstzeit. Es lohnt gar nicht darüber zu erzählen. Um 3 Uhr gab es schon die Post, und eher als sonst hielt ich Deinen lieben Boten in Händen.

Herzallerliebste! [Du] Mußt wieder an unser Geheimnis rühren, das zarteste und tiefste! Holde mein! Arme, liebe [Hilde], Du! Weißt, über den wichtigsten Punkt bin ich ohne Sorge, so aus dem Glauben und dem Gefühl heraus. Ich tröste mich auch mit ein paar Gründen, bis ich wieder Nachricht von Dir habe: 2 Tage bist schon blaß, Liebste, sind das nicht die bekannten Anzeichen, Du? Ich habe auch schon gerechnet: Am 26. August wurde ich einberufen. Am 24. wurdest damals krank, weißt es noch, Du? Der Kalender wäre dann so: 21. September, 19. Oktober, wenn alles regelmäßig geht. Ich weiß wohl, daß Deine Krankheit das letzte Mal früher kam, kann sie doch eben auch mal später kommen, nicht, Liebes? Ach Du, ich will alles Gute hoffen und mich zunächst gar nicht sorgen! Holde mein! Das Wunder und Geheimnis des Weibseins; ich erlebe es mit Dir in seines ganzen Reinheit und Holdseligkeit! Herzallerliebste! Du bist noch so jung!! Du bist ganz unverdorben! Und ich habe ein gläubiges Herz, mit dem ich es in seinem ganzen wundersamen Zauber erlebe. Ich bin Dir so unendlich dankbar, daß Du mich miterleben läßt, daß Du Dich in diesen Dingen nicht vor mir verschließt, Dich nicht schämst vor mir, sondern mir darin ganz vertraust als Deinem besten Freunde, wie Deiner lieben Mutter und noch mehr. Du, Geliebte, darüber bin ich unendlich glücklich! Und Du weißt, daß ich dieses größte Vertrauen schätze und weißt, daß Deinem vertrauenden Blicke mein vertrauender Blick antwortet. Du weißt, daß ich ein Geheimnis bewahren kann und ich unser Vertrautsein hüte als den köstlichsten Schatz, daß ich alles von ihm fernhalte, alles Häßliche und Schmutzige. Herzliebes! Ich bin so dankbar, daß ich ganz fest bin dagegen, daß ich gegen dieses Gift ein wirksames Gegengift besitze, das auch schon den Versuch eines Einbruchs vereitelt, hier in der Ferne, und wenn ich wieder bei Dir sein darf, ganz, Geliebte! dann erst recht. Wieder ein Punkt, in dem ich nicht Mann genug bin. Ach was bin ich ein armseliger Mann. Aber Du magst mich so, und da bin ich zugleich der reichste und glücklichste Mensch, der alle anderen ihre Vorzüge neidlos läßt.

Sonntag will wieder werden. Möchte Dich mein Bote froh und gesund antreffen! Morgen Sonnabend will ich noch einmal nach Kiel, etwas Obst einkaufen, eine Besorgung machen und einmal mich umschauen, was die Engländer angerichtet haben. Ich will spätestens ½ 9 Uhr wieder zurück sein, und werde mich beeilen, nach Deinem lieben Bote zu schauen, Du!

Behüte Dich Gott, Herzallerliebste! ,Behalte mich lieb!‘ schreibst Du, Holde mein! Bist darum in Sorge, Du? Ach ich weiß, Du! Willst mir nur viel Zärtlichkeit entlocken, Liebste! Weißt, so gerne wie ich ganz lieb und zärtlich zu Dir sein möchte, wenn ich es nur schreiben darf und denken, es schmerzt mich, Du!! Ach, und es möchte ja auch schmerzen, wenn ich Deine Sehnsucht damit stillen könnte. Die Sehnsucht, Holde, ist so groß nach Dir! Nur einen Teil mögen diese Zeilen zu stillen, Dein liebes Wesen machen mir Deine Zeilen gegenwärtig. Aber das andre Teil bleibt. Alle Seligkeit und Süßigkeit, die wir eben erst erleben durften, sie wurde uns hart entrissen. Dein Kämmerlein ist verwaist – leer das Bettlein neben Dir – leer Deine Arme – hungrig Deine Lippen – Dein Gärtlein, Holde!!! – das Schlüsslein verloren – So geht es Dir, Geliebte. Und ich möchte Dir alles bringen! Du! Leben und Wärme in Dein Kämmerlein! Möchte Deinen Hunger stillen! Möchte Dir Dein Schlüsslein bringen, Du! Du!! Möchte Dir schenken von meinem Überfluß! - - - Ich liebe Dich Du! Immer, nur Dich, Holde, Geliebte!

Ich sehne mich nach Dir! Und nun will auch ich sagen: Behalte mich lieb! Du! Geliebte! Daran hängt all mein Glück, mein Trachten, mein Leben!

Nur Dir gehören will ich! Dich lieben aus ganzem Herzen! Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946