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[OBF-401010-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 10. Oktober 1940, in Kamenz.

Herzallerliebster! Du, mein geliebter [Roland]!

Markttag ist heute in Kamenz, ich bin mit Mutter da gewesen; viel zu haben war aber nicht. Es ist überall so in den Städten, außer ein wenig Gemüse kann man nichts kriegen. Gleichzeitig lieferten wir vom Vater einen alten Mantel ab, in der N-S-V Stelle, damit er einen Bezugschein bekommt für Mantelstoff, der schon länger gekauft ist.

Nun ist es wieder um Mittag herum, ich bin in Gnaden entlassen aus dem Küchenbereich. Holundersuppe habe ich gekocht und einen Pflaumenkuchen zubereitet zum Backen. Quark und Kartoffeln gibts heute - erste Ernte von Schimangs. Die Sonne hat sich noch einmal durchgesetzt heute, obwohl es am Morgen garnicht so aussah. Was wir aus heute vornehmen ist noch ganz unbestimmt. Gestern hatten wir auch ein Ziel gesetzt und dann kam es doch nur zu einem Spaziergang  durchs Herrental und über den Berg nach Hause. Wir tranken schön 'Bohnenkaffee' miteinander, von einem Angestellten vom Vater traf eine ganz frische Sendung ein! Und dann haben wir uns hingesetzt und Handarbeiten verfestigt, bei Musik. Du! Gestern abend brachten sie das Schöne Lied, das Du immer singst, Im Kahn' von Grieg zu Gehör. Schade, daß es so unsauber übertragen wurde, hast Du wohl auch Radio gehört? Überhaupt, was gibst denn nun so an, wenn Du ab 600 dienstfrei bist? Ich möchte gerne wissen, wo ich Dich suchen könnte, wenn wir dann nach ½ 400 das Abendbrot beendet haben und mit unsrer Arbeit um die Leselampe sitzen und der Musik lauschen. Bis um 10 Uhr sitzen wir jeden Abend und sind dann die Nachrichten vorbei, gehts ins Bett! Ich bin nun ganz allein im Kinderzimmer, Du! Mein [Roland]! Es würde keiner hören, wenn Du mich heimlich besuchen kämst. Ich habe sehr gut verdunkelt und zugezogen, Du! So gut, daß ich früh um 8 [Uhr] noch im Schlafe liege, weil kein Morgenstrahl hereindringen kann! Es ist 'ne Schande, die Mutter weckt mich auch nicht eher. Na, ich werde schön dick werden, wenn ich jetzt so faulenze. Du lachst mich aus! Aber ich kann auch keine besonderen Wünschen äußern, wohin die Dicke zuerst steigen soll, Du!

Müssen wir uns eben dann gegenseitig trösten.

Von unserem Möbelhändler nun etwas. Mutter war dort, bevor wir nach Kamenz fuhren. Also, auf dem großen Tisch (Küche) hat er Linoleum; nun fehlt bloß noch für den Küchentisch, Stühle sind aus fertig. Stahlmatratzen sind da, der Spiegel wird gebaut. Die Emailleäsche sind da für den Aufwaschtisch, doch zu groß; die muß er umtauschen, auch das Waschbecken ist da. Nun will ich, wenn ich heimkomme hingehen, mit ihm reden, ob er auch das fehlende Linoleum noch schaffen kann. Wenn ja, dann ist ja alles komplett und der Preis braucht nicht geändert werden, dann werde ich auch bezahlen, was noch fehlt. Wir haben aber nicht erzählt, daß Du beim Militär bist. Soll ich das nun beim nächsten Mal? Weil ja sicher die Möbel nun noch eine Weile bei ihm stehen müssen. Ist vielleicht besser, wenn ich's sage, ja? Ich weiß noch nicht recht, ob ich schon morgen nach Dehsa fahre, vom Freitag — Montag ist mir so lange, Du! Erstens wegen Dir, ich will Dir doch schreiben; will empfangen! Und dann kommen auch die bösen Tage herein. Na, werden sehen. Mein Hubo. Du mein liebster Hubo! Heut' kannst Du noch nicht zu mir, vielleicht am Nachmittag! Herzallerliebster mein! Behüt Dich Gott auf allen Wegen! Ich liebe Dich! Du! Ich sehne mich unsagbar nach Dir, ich küsse Dich!

Liebster, ich bin in unwandelbarer Treue

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946