
Freitag am 4. Oktober 1940
Mein liebes, teures Herz, meine liebe [Hilde], Du!
Mittagspause ist. Die Sonne scheint schön warm. Ich sitze draußen mit meinem Briefblock. Ich muß mich heute dazuhalten mit den Zeilen für Dich. Heut [sic] abend soll Abschied gefeiert werden. Unser Maat D. geht zu einem Reserveoffizierskursus.

[“Doktor Allwissend”, aus dem Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen, 98 (KHM 98)]
Vorbei ist alles. Feiern bei den Soldaten, weißt [Du], ich verspüre dazu nicht die mindeste Lust. Hier bin ich, denke ich, [um] meine Pflicht zu tun, nur das, und wenn möglich recht schnell. Aber mich hier häuslich einrichten mit Festen und Feiern, das geht mir ganz gegen den Sinn. Ich will doch bei Dir sein! Du, Geliebte! Ja, wäre es das Ende dieses Krieges oder uns[e]re Entlassung, ich wollte aus vollem Herzen in die Freude des Festes. [^]einstimmen. Ich fühle mich immer noch als Gefangener, der vollen Freiheit beraubter—und Anlaß zu Freude kann nur der Tag sein, an dem mir diese Freiheit wiedergeschenkt wird. Also bin ich kein richtiger Soldat. Und ich werde es auch nicht, solange Du, Geliebte, vor mir stehst, und auf mich wartest, solange uns[e]re Aufgaben ihrer Erfüllung warten. Es ging hoch anständig her. Unser Maat ist ein feiner Kerl, das ist mir noch deutlicher geworden. Der neue Leutnant besuchte uns auf der Stube und führte sich fein ein als guter Kamerad. Also hochänstig [^]anständig, keinen Betrunkenen gab es und ½ 1 Uhr lagen alle in der Koje.
Herzallerliebste, 2 Päckchen erhielt ich gestern von Dir; die Sendung, Äpfel, unversehrt, mit großem Appetit habe ich etliche schon verzehrt. Aber mit diesen Sendungen dann bitte mal Stop. Seit wir herauskönnen, besorgen wir uns gegenseitig solches Grünzeug. Sei recht sehr bedankt für Deine Besorgung. So. Gleich beginnt das Großreinemachen. Der Gruß muß noch fort. Heute, hoffe ich, finde ich Muße, mich in Deine lieben Bilder zu versenken. Liebste, manchmal vermisse ich meine Einsamkeit, in die ich mich zurückziehen kann, um ganz fest Deiner zu denken. Eine Anzahl Kameraden fahren heute oder morgen nach Kiel. Ich will nächsten Sonnabend oder Sonntag mal dahin. Morgen mache ich wieder einen Bummel in unserem Standortbereich.
Herzallerliebste! Nimm diesen etwas flüchtigen Gruß als Zeichen meines Dankes und unablässigen Deingedenkens [sic]. Behüt Dich Gott! Meine liebe [Hilde]! Geliebte! Ich bin immer bei Dir mit meinem Herzen und wäre es viel lieber ganz, Liebste, ganz, in Deiner lieben Nähe, an Deinem treuen Herzen! Ich Küsse Dich, Du, die ich liebe Dich, Dich ganz allein in Treue