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[OBF-401004-001-01]
Briefkorpus

Freitag am 4. Oktober 1940

Mein liebes, teures Herz, meine liebe [Hilde], Du!

Mittagspause ist. Die Sonne scheint schön warm. Ich sitze draußen mit meinem Briefblock. Ich muß mich heute dazuhalten mit den Zeilen für Dich. Heut abend soll Abschied gefeiert werden. Unser Maat D. geht zu einem Reserveoffizierskursus. 

Wir bedauern das. Er war ein vorzüglicher Ausbilder und ein tüchtiger Mensch. Wer weiß, wer uns nun befehligt. Die Hängebrüder bangen darum am meisten. Unser scheidender Maat ist ein patenter Kerl. Er stammt aus Kiel, hat Feinmechaniker gelernt, und hat Interesse nur für einen technischen Metallberuf. Es ist über das Maß begabt und es sind ihm mancherlei erfolgversprechende Ausbildungsmöglichkeiten (Maschineningenieur) angeboten worden. Ob er Dir gefallen würde? Eine stattliche, schneidige Erscheinung. Mich stört an ihm eine gewisse Kälte, eine problemlose Nüchternheit und Selbstsicherheit, wie man sie bei der Jugend oft findet. Aber sonst habe ich nichts an ihm auszusetzen. Ich könnte mich mit ihm auch gut verstehen. Es wird also drei Kasten Bier geben und eine Flasche Schnaps. Für meinen Teil habe ich eine Flasche Bier bewilligt. Für das übrige Quantum werde ich nach Abnehmern nicht lange auszuschauen brauchen. Es wird vielleicht eine ganz nette Unterhaltung geben wie schon manchmal in den Unterrichtsstunden. Dein Hubo wird sich daran mehr passiv verhalten. Sonst gilt der Schulmeister immer als der aufdringliche Besserwisser. Aber unter den Beamten und Kaufleuten um mich herum sind viel Leute, die mit lauter Stimme und rechthaberisch feste Standpunkte und Meinungen vertreten. Sie geben denn auch den Ton haben an. Solche Unterhaltungen sind wenig ersprießlich und liegen mir nicht, sie lassen oft einmal mehr die alte Wahrheit erkennen: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Vorbei ist alles. Feiern bei den Soldaten, weißt, ich verspüre dazu nicht die mindeste Lust. Hier bin ich, denke ich, meine Pflicht zu tun, nur das, und wenn möglich recht schnell. Aber mich hier häuslich einrichten mit Festen und Feiern, das geht mir ganz gegen den Sinn. Ich will doch bei Dir sein! Du, Geliebte! Ja, wäre es das Ende dieses Krieges oder unsre Entlassung, ich wollte aus vollem Herzen in die Freude des Festes. [^]einstimmen. Ich fühle mich immer noch als Gefangener, der vollen Freiheit beraubter—und Anlaß zu Freude kann nur der Tag sein, an dem mir diese Freiheit wiedergeschenkt wird. Also bin ich kein richtiger Soldat. Und ich werde es auch nicht, solange Du, Geliebte, vor mir stehst, und auf mich wartest, solange unsre Aufgaben ihrer Erfüllung warten. Es ging hoch anständig her. Unser Maat ist ein feiner Kerl, das ist mir noch deutlicher geworden. Der neue Leutnant besuchte uns auf der Stube und führte sich fein ein als guter Kamerad. Also hochänstig [^]anständig, keinen Betrunkenen gab es und ½ 1 Uhr lagen alle in der Koje.

Herzallerliebste, 2 Päckchen erhielt ich gestern von Dir; die Sendung, Äpfel, unversehrt, mit großem Appetit habe ich etliche schon verzehrt. Aber mit diesen Sendungen dann bitte mal Stop. Seit wir herauskönnen, besorgen wir uns gegenseitig solches Grünzeug. Sei recht sehr bedankt für Deine Besorgung. So. Gleich beginnt das Großreinemachen. Der Gruß muß noch fort. Heute, hoffe ich, finde ich Muße, mich in Deine lieben Bilder zu versenken. Liebste, manchmal vermisse ich meine Einsamkeit, in die ich mich zurückziehen kann, um ganz fest Deiner zu denken. Eine Anzahl Kameraden fahren heute oder morgen nach Kiel. Ich will nächsten Sonnabend oder Sonntag mal dahin. Morgen mache ich wieder einen Bummel in unserem Standortbereich.

Herzallerliebste! Nimm diesen etwas flüchtigen Gruß als Zeichen meines Dankes und unablässigen Deingedenkens. Behüt Dich Gott! Meine liebe [Hilde]! Geliebte! Ich bin immer bei Dir mit meinem Herzen und wäre es viel lieber ganz, Liebste, ganz, in Deiner lieben Nähe, an Deinem treuen Herzen! Ich Küsse Dich, Du, die ich liebe Dich, Dich ganz allein in Treue

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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