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[OBF-401003-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 3. Oktober 1940.

Herzallerliebster! Du mein lieber, lieber [Roland]!

Heute ist es wieder regnerisch, trübe draußen; aber die Kälte hat dafür nachgelassen. Gestern bin ich also um 4 Uhr mit dem Kinderwagen los. Ach, das war ein Hallo in der Stadt! Alle, die mich kannten, sprachen mich an, “das ist wohl 'Ihres'?” Einige Schulkameraden von mir, die zur Zeit auf Urlaub da sind im Ort, die waren ganz sprachlos als sie mich sahen! Mir hat es so viel Vergnügen bereitet, Du! Die guten Bekannten versicherten mir wiederholt, daß mir sowas ausgezeichnet stünde. Wie eine echte, junge Mutter sähe ich aus. Na, die alle werden sich schon in ihrem Leben noch einmal an unserer Freude weiden können. Gegen 7 Uhr hab ich das Kind wieder abgeliefert. Gegen Mittelfrohna fuhr ich ein Stück u. am Hohen Hain lang. Alles ist schon recht kahl geworden in der Natur. Es riecht wieder wie sterben draußen, nach totem Laub.

Der Sommer ist nun unwiederbringlich vorbei. Es möchte nur nicht immer so furchtbar naß sein, daß man sich wenigstens noch eine Weile der Farbenpracht freuen könnte, ehe es ganz kahl draußen wird. Ich fürchte mich ein wenig vor dem einsamen Winter. Wenn es gar so einsam wird, will ich meine Bretter herzuholen [sic], aber dazu gehört auch guter Schnee. Ach, vielleicht besuche ich Dich gar 3 Wochen! Es wird schon auszuhalten sein, ja?

Heute früh schrieb Deine liebe Mutter nochmal eine Einladung für uns. Du! Was hast Du denn Mutter da hergeredet?? Nicht arbeiten soll ich? Nun hat sie die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt! Den Glasschrank ausgeräumt, gelüftet und gescheuert und dabei hätte ich doch gerade so gern mitgeholfen. Ich bin nun einmal für die Sache in Gang gebracht, bin trainiert, mir macht es also garnichts aus, Du!

Du Lieber, Du! Aber innerlich hat es mich doch gerührt und erfreut, wie Du in liebender Fürsorge alles daheim anordnest. Ja, ich habe schon wieder meine Wohnung in Ordnung, hab Reinemachfest gehalten, nicht in dem Ausmaße wie vorhergehende Woche. Morgen habe ich noch die Hausordnung, baden, plätten, packen, Wege gehen; wenn Zeit bleibt nochmal schreiben, Du!

Ich freue mich sehr auf meinen Urlaub, Du! Noch tausendmal mehr aber, wenn einer auf mich warten würde in Kamenz, Liebster! Elfriede schrieb mir heute auch, sie hat ihren Hellmuth besucht in... [(]moment mal, das muß ich abschreiben!) Röstfelde. (früher Roschkowitz) bei Pitschen, R Kreis Kreuzburg in Oberschlesien, 3 km von d. poln. Grenze! 4 Tage war sie bei ihm, 2 Tage gingen Fahrt ab. Ich gönn es ihr von ganzem Herzen, sie hat ihn schon lang nimmer gehabt u. dabei solch schweres Amt versehen daheim. Wir wollen die H.s mit aufsu[che]n. Deine Mutter u. ich[,] halt nur beide Daumen (in der Freizeit!) damit es schön Wetter gibt. Mutter schreibt, wir jungen Frauen würden erst das Treiben verrückt machen, weil wir soviel schreiben, wir sollten nur mal sehn, wie schnell ihr Männer heimkämt, wenn wir uns nicht mehr rührten! Das wäre bei mir vorsätzlicher Selbstmord Du! Ich muß Dir schreiben und wenn alles biegt u. bricht, wenn es auch manchmal nichts Gescheits [sic] ist; aber Du weißt wenigstens, daß ich noch lebe, daß ich so sehr glücklich bin in Deiner Liebe, Du! Endlich, Du! Jetzt kommt Dein langersehnter Bote vom Montag an. Hab Dank Du, Herzliebster! Behüt Dich Gott! Bleib gesund und froh! Ich denke immer Dein, Du! In großer Liebe in unerschütterlicher Treue

Deine [Hilde]

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Hilde Nordhoff in ihrem Hochzeitskleid, kniend vor einem Gartenzaun, umringt von vielen Blumenkindern. Drei weitere Frauen sind im Bild.

Ba-OBF K01.Ff3_.A16, Hilde Nordhoff und Blumenkinder, 13. Juli 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946