Hochzeitsbild, Hilde mit Blumenjugend, 07.1940
[401003–2‑1]
Donnerstag, am 3. Oktober 1940.
Herzallerliebster! Du mein lieber, lieber [Roland]!
Heute ist es wieder regnerisch, trübe draußen; aber die Kälte hat dafür nachgelassen. Gestern bin ich also um 4 Uhr mit dem Kinderwagen los. Ach, das war ein Hallo in der Stadt! Alle, die mich kannten, sprachen mich an, “das ist wohl ‘Ihres’?” Einige Schulkameraden von mir, die zur Zeit auf Urlaub da sind im Ort, die waren ganz sprachlos als sie mich sahen! Mir hat es so viel Vergnügen bereitet, Du! Die guten Bekannten versicherten mir wiederholt, daß mir sowas ausgezeichnet stünde. Wie eine echte, junge Mutter sähe ich aus. Na, die alle werden sich schon in ihrem Leben noch einmal an unserer Freude weiden können. Gegen 7 Uhr hab ich das Kind wieder abgeliefert. Gegen M. fuhr ich ein Stück u[nd] am Hohen H. lang. Alles ist schon recht kahl geworden in der Natur. Es riecht wieder wie sterben draußen, nach totem Laub.
Die Ostfassade (Terrasse) eines neoklassischen Palast in Roszkowice/Roschkowitz, Byczyna/Pitschen, Polen/Oberschlesien. Foto eines denkmalgeschützten Objektes, eingetragen in der Datenbank der Woiwodschaft Oppeln mit der Nummer 2025/77 z 10.03.1977, von Dardrobina, 10.05.2012.Der Sommer ist nun unwiederbringlich vorbei. Es möchte nur nicht immer so furchtbar naß sein, daß man sich wenigstens noch eine Weile der Farbenpracht freuen könnte, ehe es ganz kahl draußen wird. Ich fürchte mich ein wenig vor dem einsamen Winter. Wenn es gar so einsam wird, will ich meine Bretter herzuholen [sic], aber dazu gehört auch guter Schnee. Ach, vielleicht besuche ich Dich gar 3 Wochen! Es wird schon auszuhalten sein, ja?
Aktion Saybusch, die Massendeportation von 20.000 Polen aus Kreis Saybusch/Żywiec ins Generalgouvernement, durch deutsche Wehrmachtstruppen und Polizei ausgeführt, September-Dezember 1940. Quelle: Saybusch Aktion. OKŚZpNP, Katowice. Fronda.pl. Lizenzfrei über Wikimedia Commons, 09.2015.Heute früh schrieb Deine liebe Mutter nochmal eine Einladung für uns. Du! Was hast Du denn Mutter da hergeredet?? Nicht arbeiten soll ich? Nun hat sie die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt! Den Glasschrank ausgeräumt, gelüftet und gescheuert und dabei hätte ich doch gerade so gern mitgeholfen. Ich bin nun einmal für die Sache in Gang gebracht, bin trainiert, mir macht es also garnichts [sic] aus, Du!
Du Lieber, Du! Aber innerlich hat es mich doch gerührt und erfreut, wie Du in liebender Fürsorge alles daheim anordnest. Ja, ich habe schon wieder meine Wohnung in Ordnung, hab Reinemachfest gehalten, nicht in dem Ausmaße wie vorhergehende Woche. Morgen habe ich noch die Hausordnung, baden, plätten, packen, Wege gehen; wenn Zeit bleibt nochmal [sic] schreiben, Du!
Ehem. Synagoge, Kreuzburg/Kluczbork, Oberschlesien/Polen. Postkarte von Anfang des 20. Jahrhunderts. Über Wikimedia Commons, 09.2015.Ich freue mich sehr auf meinen Urlaub, Du! Noch tausendmal mehr aber, wenn einer auf mich warten würde in K., Liebster! Elfriede schrieb mir heute auch, sie hat ihren Hellmuth besucht in… moment mal, das muß ich abschreiben!) [sic] Röstfelde. (früher Roschkowitz) bei Pitschen, R Kreis Kreuzburg in Oberschlesien., 3 km von d.[er] poln.[ischen] Grenze! 4 Tage war sie bei ihm, 2 Tage gingen Fahrt ab. Ich gönn [sic] es ihr von ganzem Herzen, sie hat ihn schon lang nimmer gehabt u[nd] dabei solch [ein] schweres Amt versehen daheim. Wir wollen die H.s mit aufsu[che]n. Deine Mutter u[nd] ich[,] halt nur beide Daumen (in der Freizeit!) damit es schön Wetter gibt. Mutter schreibt, wir jungen Frauen würden erst das Treiben verrückt machen, weil wir soviel schreiben, wir sollten nur mal sehn, wie schnell ihr Männer heimkämt [sic], wenn wir uns nicht mehr rührten! Das wäre bei mir vorsätzlicher Selbstmord Du! Ich muß Dir schreiben und wenn alles biegt u[nd] bricht, wenn es auch manchmal nichts Gescheits [sic] ist; aber Du weißt wenigstens, daß ich noch lebe, daß ich so sehr glücklich bin in Deiner Liebe, Du! Endlich, Du! Jetzt kommt Dein langersehnter Bote vom Montag an. Hab Dank Du, Herzliebster! Behüt Dich Gott! Bleib gesund und froh! Ich denke immer Dein, Du! In großer Liebe in unerschütterlicher Treue