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[OBF-401003-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag am 3. Oktober 1940

Mein liebes teures Herz, meine liebe [Hilde] Du!

Wie seltsam ist nun das Leben, und wie rasch wenden sich die Dinge! Vor einem Jahre noch näherten wir uns vorsichtig unseren Elternhäusern, und die Elternhäuser einander. Und heute fahrt Ihr nun los auf Besuch, 8 oder 14 Tage, und das ist gar nichts Seltenes mehr, und mich braucht Ihr nicht einmal mehr dazu! Ich bin so froh darüber, daß auch die lieben Eltern so schnell zu einander fanden.

Dieser Brief wird mein Sonntagsbote sein, und nun sehe ich Euch zusammenhausen und zusammenleben für ein paar Tage, und ich weiß, daß ich der Mittelpunkt, wenn auch der abwesende, Eurer Unterhaltungen, Eurer Sorgen und Eurer Gedanken bin. Diese Verbundenheit über die Ferne hinweg bleibt nicht ohne Wirkung. Sie gibt mir Kraft, hier meinen Mann zu stehen und auszuharren, um euch Lieben umso glücklicher wiedersehen zu dürfen. Sie gibt mir Gewißheit, daß Ihr zusammentragt an unserem Schicksal, an meinem Schicksal, daß Du Geliebte den Trost findest, daß auch noch andre liebe Menschen um mich sorgen. Und ich bin gewiß, daß Dir meine Mutter und Vater diese und jene Sorge von den Augen ablesen werden und dieses tr oder jenes liebende und tröstende Wort sagen werden. Herzallerliebste! Ich mag mich und Dich nicht unnötig aufwühlen, aber Du darfst gewiß sein, daß ich ganz tief verstehe und mitempfinde, daß Dich der Schmerz [^] manchmal überwältigen möchte. Liebste Du! Meine Schutzbefohlene,!  Menschenkind, das mir anvertraut ist, dem ich Schutz und Rat und Hilfe zu sein mich verpflichtet fühle, und viel mehr als das,: Dich schützend zu umgeben meiner Liebe zu Dir höchste Gunst und schönste Aufgabe bedeutet. Das alles mußt Du jetzt missen, und ich kann diese meine Liebe nicht betätigen! Herzallerliebste! Hier hilft nur der Trost unseres Glaubens: Aus Gottes Hand empfangen wir demütig Freud und Leid. Gott weiß, was uns frommt. Und so wir nur glauben, wird uns diese Zeit zum Besten dienen! Herzliebes! Es gehört viel Kraft und Mut zu diesem Glauben,— ein fröhliches Herze schenkt uns Gott dann. Möchte Dir und Deiner lieben Mutter der Aufenthalt in meinem Elternhause diese Stärkung bringen, — an meine Mutter denke ich, wenn ich das schreibe.

Nun aber noch ein paar frohe Gedanken. Ich habe keinerlei Ursache, betrübt zu sein. Es geht mir gut wie immer bisher. Ich brauche mich auch nicht verlassen zu fühlen. Der Dienst, die Kameraden, und täglich fast Dein lieber Bote—sie machen mir diese Fremde durchaus erträglich. Der üble Kommiß, auch im Ton und zusammenleben auf der Stube, vor dem ich mich fürchtete, ich brauche ihn nicht zu schmecken. Meine Bitte zu Gott, er möchte mich nach meinen Kräften bedenken, wir sehen sie erfüllt. Geliebte, Du! Ist das nicht Grund zu großer Dankbarkeit und Zuversicht für alles Kommende? Hast gut geschlafen, Liebes, Süßes? In welchem Bettlein? Nun bewegst Du Dich in den Räumen, den Möbeln, den Hausgeistern der [Nordhoffs], Deines [Roland] dieser Gedanke stimmt mich ganz froh mein bist Du, und bist es, weil Du mich liebst. Und Du darfst glücklich empfinden: alles hier gehört nun auch mir, alles steht mir hier offen, zu den allervertrautesten der [Nordhoff] zähle ich, weil mir der [Roland] gehört.

Und Du weißt, wie Dich alle ganz sehr lieb haben, weil Du so lieb und wert bist, und weil Du mein Eigen und damit unser aller Eigen bist. Möchtest Du das Glück dieser innigen Verschmelzung uns[e]rer beiden Häuser recht tief und tröstend empfinden, möchte diese Empfindung Dir Gleichnis sein für das hohe, große Glück unseres Bundes, der Verschmelzung uns[e]rer beiden Leben. Liebste! Geliebte mein! Ich sehne mich nach Dir! Ich denke Deiner in großer Liebe und Dankbarkeit. Ich bin Dein [Roland], in Liebe und Treue immer

Dein [Roland].

Morgen hörst Du hor mehr von mir. Geliebte Du! Meine [Hilde]!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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