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[OBF-401002-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 2. Oktober 1940.

Herzallerliebster! Du mein lieber, lieber [Roland]!

Heute Nacht träumte ich von Dir. Du brachtest mir Deinen Brief selbst, ich war so freudig erschrocken, als ich auf das Klingeln hinunter sprang und Dich vor der Tür sah, Du! Ich nahm ihn Dir aus der Hand, ungelesen steckte ich ihn weg, zog Dich glücklich am beiden Händen herein zu mir und wir gingen, ohne die andern zu begrüßen in mein Kämmerlein. Du sahst mich an Liebster, wie Du mich ansahst, o Du! Zogst mich ganz fest an Dich, ohne mich mit dem Blick loszulassen und — ich war aufgewacht. Nacht war um mich. Ich konnte nicht mehr tief schlafen. Ich sehnte mich so inbrünstig nach Dir, Geliebter. Am Abend, ehe ich schlafen ging, glühten meine Wangen so außergewöhnlich heiß, daß es sogar Mutter auffiel und ich weiß nicht, ob es vom lesen Deines lieben Boten kam, den ich immer wieder an mich nehmen mußte gestern, Du!

Oder hattest Du so große Sehnsucht nach mir, Liebster?

Jetzt in der Mittagspause denkst Du wieder mein? Die rechte Wange ist glühend heiß. Oder hast Du die Bilder erhalten und mußt nun an mich denken? Ach Du, wenn ich Dich doch nur wieder einmal sehen könnte; wenigstens sehen, und sei es nur von ferne, Du! Die Sterne, unsre Sterne Liebster, sie gucken gerade in mein Schlafstubenfester herein, ich hab sie gestern abend lange betrachtet, der Himmel war ganz klar. Ich schlafe mit Mutsch, wenn Papa Nachtdienst hat. Wo Dein Bett steht, nun weiß ich es ganz genau Du! Vorn an der Tür, kannst ganz schnell raus rennen, wenn irgend [*] etwas los ist. Nimmt eine ganze Menge Platz ein, Eure militärische Anlage. Wie ist Dir denn nun um's Herz, als 'echter' Soldat? Am Sonnabend sah ich einen, wie Du bist! Gelbe Spiegel, auf der Schulter einen goldnen Anker. Schneidig sah er aus, nur unten herum nicht. Er hatte die Hose so verwürgt in den Stiefelschäften stecken. Aber Ihr habt ja nun auch Schuhe und Mantel zum Ausgehen, im Winter. Noch 29 Tage sind bis zu dem vorläufigen Entlassungstermin von Friedrichsort; am Reformationsfest. Ihr könnt vielleicht da oben den Winter eher begrüßen, als wir hier. Na, jetzt reicht es grade zu mit der Kälte. 31. Oktober — dann ist es nochmal so lange, von Deiner Einberufung ab gerechnet, bis das Jahr 1940 zu Ende geht. Und dann? Ach, was kann alles kommen bis dahin.

Liebster! Heute will die Erika vom Quellmalz Sch. mit ihrer kleinen Schwester kommen, daß ich mit ausfahre. Ich sehne mich schon, einmal an ^die Luft zu gehen, und ich fahre zu gerne solch kleines aus! Ich fühle mich da richtig stolz. Aber wir sollen vielleicht auch heute die Kohlen [für] die Winterfeuerung kriegen, da muß ich doch dann erst alles scheuern! Das alte Ekel unten tät mich doch sonst grün fressen! Na, wir werden sehen. Denke Dir nur, welch tüchtige Frau Du hast! Ich habe Biox-Ultra Zahnpasta!! In unsrer Apotheke sah ich sie liegen, als ich mich mit 'Verbandszeug für Kamenz' eindeckte. Er wollte sie mir nicht geben, durchaus nicht, er hätte bloß 2 noch. Ich habe ihn aber so in die Enge getrieben den 'Alten', daß er dann lachend meinte: “Ja ja, wer kann auch jungen schönen Frauen widerstehen!” Ich bin ja froh, Du! Die Leute lachten alle. Nun will ich Deine Strümpfe mit Zahnpasta verpacken u. auf Reisen geben. Wirst 3 mal hintereinander was bekommen[,] heb nur die Schachteln u. Bindfäden auf, es soll knapp werden, Du! Herzallerliebster mein, Du bist mein ganzes Glück, meine Welt! Behüt Dich Gott!

In großer Liebe und ewiger Treue

ganz Deine [Hilde].

 

[*= am oberen Rand des Blattes: (Du! Wo bleibt die Zahlkarte? Lümmel!)]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946