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[OBF-400927-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 27. September 1940

Liebes, teures Herz, Du meine liebe [Hilde]!

Wenig Zeit ist heute. Um mich her putzt, und näht und flimmert alles. Ich könnte Dich gut gebrauchen heute hier. Eben habe ich meine Schulterstücke an den Mantel genäht. Mit der Zunge ein bissel nachgeholfen geht manches, was sonst nicht gleich will. Ja, morgen um 10 Uhr ist also Vereidigung. Trotzdem will ich schnell noch ein paar Seiten zu Papier bringen. Damit habe ich Dir seit Dienstag täglich geschrieben. Das sage ich nicht, um vor Dir damit Aufhebens zu machen, sondern damit Du eine Kontrolle hast. Ich hätte auch noch manches vor heut abend, aber die abendliche Zwiesprache mit Dir ist mir ein Bedürfnis, das ich allem voranstelle. Kannst denn meine Krakel immer lesen, Du? Ich könnte Dir auch mit Tinte schreiben, hätte aber damit allerlei Umstände, müßte immer vor den Kameraden bei Tische Parade sitzen. Ich habe ganz vergessen, Dir für den sinnigen, lieben Bildgruß zu danken, der Deinem Päckchen beilag. Eben ist Dein lieber Bote von gestern angekommen. Du hast viel Arbeit, ich merke es. Darüber hast Du wohl auch vergessen, mir das Eintreffen meines Päckchens zu melden mit den Zigaretten? Na, es kann ja auch liegen geblieben sein. Die beiliegenden Zahlkarten fülle ich morgen aus, da habe ich mehr Ruhe.

 

Heute trage ich zum ersten Male Euren, Deinen Pullover. Er schmiegt sich so eng und warm an, daß mir ganz seltsam wird dabei, Herzliebes Du! Das habe ich vergessen zu vermelden, daß wir jüngst auch einen blauen Ärmelpullover gefaßt haben, guter Qualität, ich habe ihn noch nicht angehabt. Morgens ist es jetzt ganz schön frisch. Heute herrscht hier stürmisches Regenwetter. Trotzdem haben wir mehrere Stunden im Freien mit dem Gewehr exerziert. Heute habe ich einen langen Brief von Mutter erhalten. Die zählt so vielerlei auf an Schicksalsschlägen, kleinen und großen, daß man darnach nur mit Dankbarkeit aufatmen kann darüber, wie gnädig es uns jezt [sic] bedachte. Dem Hermann des Onkel Erich sind [sic] zum zweiten Male das Bein um 7 cm verkürzt worden, schrecklich. Er ist sehr schwach.

 

Herzliebes! Ich muß für heute Schluß machen. Dieser Brief wird Dich am Sonntag erreichen. Morgen will ich Deiner länger und herzlicher gedenken.

 

Kirmessonntag. Wie gern wäre ich dabei! Wäre ich in Eurer lieben Runde, und wäre ich bei Dir, Herz. Allerliebste! Wenn dann die laute Festesfreude verebbte und alles sich zur Ruhe niederlegt, dann wollte ich mit Dir feiern, mein Herz, Dir tief ins Auge schauen und aus ihnen Deine große Liebe lesen, und dann mit Dir das Glück unsrer Liebe empfinden.

Behüt Dich Gott, Herzliebes! Er erhalte Dich froh und gesund.

 

Ich bin Dein, Du bist mein! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen und bleibe immer

 

Dein [Roland].

 

 

Grüße mir bitte die lieben Eltern,

 

auch die Festgäste.

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946