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[OBF-400925-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch am 25. September 1940

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde] Du!

Als ich gestern abend Deinen Boten abfertigte, rückte ein Kamerad mit den beiden Fotos heraus, die ich dann gleich noch dazugelegt habe. Entweder taugt sein Apparat nichts oder der Kerl hat kein Geschick, ein gescheites Bild habe ich bis jetzt noch nicht von ihm gesehen. Die beiden Aufnahmen sind in dem Badeörtchen Strande gemacht am ersten Ausgehsonntag. Wenn ich ein richtiges Standquartier haben werde, lasse ich mir meinen eignen Apparat schicken.

Heute morgen gab es eine willkommene Abwechslung im Dienst. Die englischen Flieger werfen Phosphorblättchen ab, die sich bei geringer Wärme schon entzünden. Es hieß, daß um Kiel solche Dinger abgeworfen seien, wir wurden auf die Suche geschickt, gefunden haben wir nichts. Über Koppeln und Stoppeln sind wir ausgeschwärmt in den frischen Morgen. Das Land hier ist schön in seiner Art. Leicht wellig, kleine Buchenhaine überall verstreut, schöne alte Bäume, weite Felder, von wilden Hecken von Haselnuß, Erle, Weide, Brombeeren, Brennesseln [sic] - sogenannten Knicks - umstanden, und in dieser Landschaft die Häuser gebettet, stilecht, unauffällig. Der Natur demütig sich einfügend, darüber ein Himmel mit mächtigen Haufenwolken, die Vögel schwärmen und exerzieren - Herbst. Ganz von Ferne kündigt sich die dunkle Jahreszeit an, da die Menschen enger zusammenrücken, sich zurückziehen in die Heimlichkeit ihrer Heime, die Zeit des schönsten Festes mit seinem Lichterglanz, die Zeit vielleicht auch meines ersten Urlaubs, Herzlieb. Wenn wir doch schon Frieden hätten bis dahin!

Am Sonnabend soll unsre Vereidigung sein. Dann gelten wir als Soldaten und können richtig eingesperrt werden. Dieser Tag ist ein Festtag, Ausgang bis nachts 12 Uhr. Die Kantine verschenkt schon seit 8 Tagen keinen Schnaps mehr, angeblich auf diesen Festtag hin. Betrifft mir [sic] nicht.

Exerzieren mit dem Gewehr ist jetzt Trumpf. Grundstellung, Mündungsschoner auf, ab, Gewehrriemen kurz, lang, Gewehr umhängen - Vater wird das kennen, wird alles gedrillt nach zählen, ich glaube, das gibt es nur in unsrer Wehrmacht, und streift manchmal hart an Krampf. Das Anstrengende dabei ist das lange Stehen.

Mein liebes, teures Herz! Dein Bote vom Dienstag ist schon wieder in meiner Hand. Ich kann Dir jetzt nicht darauf antworten, kann Dir nur ein schlichtes Danke sagen. Ich habe sonst heute auch nichts mehr auf dem Herzen. Übernimm Dich nicht bei dem Kirmesrummel. Laß Dir Zeit. Und noch eines: Wenn Du in K. bist, darfst Du mir trotzdem schreiben, wie Du willst, bitte Herzliebes! Aber bis dahin vergehen wohl noch ein paar Tage.

P Vereidung – Feier – Schwips – Hafenliebchen? Du! Spaßvogel. Kennst Deinen [Roland] nur zu gut! Dazu ist er zu anspruchsvoll, zu stolz, zu ehrliebend – Tugenden, mit denen allein er seiner Frau frei und ebenbürtig in die Augen schauen kann, mit denen er sich ihr würdig an die Seite stellen darf. Herzliebes? Nimm meine Liebe und Treue als Dank und Gegenliebe, mit der ich nur Dir dienen, nur Dir gehören will, nur Dir gehören kann.

Gott behüte Dich mir. Ich küsse Dich, Du, mein Herz,

ich halte Dich ganz fest, heute u. immerdar

Dein [Roland]

Bitte grüße die lieben Eltern.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946