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[OBF-400923-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 23. September 1940.

Herzallerliebster! Mein lieber, lieber [Roland], Du!

Zuerst will ich Dir recht, recht herzlich danken für Deinen so lieben Sonntagsbrief! Du hast mich so erfreut, Liebster! Mittag ist vorbei. Meine Arbeit hab ich punkt [sic] 1 Uhr beendet heute, ich will endlich wieder einmal mit Dir plaudern.

Du hast ja jetzt auch noch Mittagspause.

Heute kann ich Dich anschaun dabei. Dein liebes Bild steht [vor] mir auf dem Tisch, so wie ich Dich gern sehe, hab ich Dich hier, Du! Unsere Brautbilder sind fertig. Ich habe für das Dutzend 10.- RM bezahlt. Jedes weitere Bild kostet 1 RM. Nun möchte ich Dich hier anschließend gleich eines fragen. Allen Festteilnehmern wollen wir ein solches Bild schenken, hattest Du gedacht, daß wir eine Widmung darauf schreiben, wenn, ja, welcher Art, bitte? Schlag mir doch etwas vor, ja? Es ist vielleicht hübscher, persönlicher so, als wenn wir das Bild unbeschrieben wegschicken.

[U]nd nun schön der Reihe nach erzählen.

Sonnabend früh hab ich alle Wege besorgt, im strömenden Regen. Nachmittags badeten wir, weil Vater Nachtdienst hatte haben wirs vom Freitag auf Sonnabend verlegt. Den Sonntagsbraten richtete ich schon zu. Und dann war ich mit den Eltern im Kino! Was sagst Du dazu?

Wir haben uns das erst nachmittags überlegt, auf solche Pläne sind wir früher kaum gekommen Sonnabends, da hatten wir ständig Arbeit bis abends. Aber jetzt ist das anders geworden. Die 'Geierwally' wurde gespielt im Apollo. Da kann Mutter mitgehen, weil es da Kopfhörer gibt für sie. Ich habe schon lange vorher davon gelesen in der Filmwelt, in meiner Frauenwarte.

Und das Stück reizte mich. Es war auch wirklich hervorragend ausgestaltet. Keine Kulisse, alles Natur. Der Film spielt in den Ötztaler Alpen, ein Bergbauernfilm. Er schildert die Menschen, naturverbunden, zähe, stark und jähzornig wie sie sind; trotzig, daß sie fast an sich selbst zerbrechen. Und fügsam, willig, wenn die Liebe über sie Gewalt gewinnt. Ein Ausschnitt aus der Zeit, da es noch die sogenannten Freihofbauern gab. Wir waren alle sehr zufrieden mit dem Stück.

Am Sonnabend schrieb der Herr K.. Ich leg Dir seine Karte bei. Und nun hab ich eigenmächtig gehandelt, weil er vom Verreisen schrieb nach Leipzig. Ich schrieb ihm auf einer unsrer Karten ein paar erklärende Worte und teilte ihm Deine Anschrift mit. Er wird nun schon von sich hören lassen. Zankst Du nun?

Herr K. kennt mich schon aus Deinen Erzählungen, wir schrieben ihm schon und weil er Dein väterlicher Freund ist, den Du schätzt, so habe ich die Vermittlerin gespielt, (im guten Sinne.)

Gestern Sonntag. Vormittags gab es die übliche Hausarbeit und Strümpfe  stopfen. Das Wetter ließ sich gut an, gegen Mittag war es dann beständig schön. Vater machte sich früh 1/2 10 [Uhr] auf Reisen. Nach Chemnitz zu M.s, er wollte sie gleichzeitig mit zur Kirmes einladen, wie alle Jahre, die am 29. ist. Und wir Frauen sagten uns: Was, arbeiten müssen wir die ganze Woche wieder, wir nützen den schönen Tag und gehen los.

Es wurde gegen 3 Uhr, als wir uns aufmachten. Ein Stück durch die Stadt, am Hohen Hain lang, immer weiter nach der Elzing zu. Ich war ganz bei Dir in meinen Gedanken, Du! Und dann sind wir oben hinein nach Hartmannsdorf. Da veranstalteten die Turner zugunsten des W.H.W. öffentliche Vorführungen auf Straßen und Plätzen, die H.J. spielte - es war ein Leben! Wir gingen weiter nach dem Bahnhof zu, Mutter hatte ihre Hochzeitsschuhe an, sie konnte nicht mehr heimlaufen!

Im Bahnhofsrestaurant machten wir Kaffeestadion, mit selbstgebackenem Gastwirtskuchen. Die Marken hatte ich schlau schon vorher eingesteckt! Es war netter Familienverkehr dort, es ist da überhaupt schön, wenn man draußen sitzen kann. Musik auf [Scha]llplattenübertragung. Wir saßen etwa 1 1/2 Stunden und mit dem Zug um 1847 [Uhr] DZug Linie Chemnitz - Oberfrohna!, fuhren die beiden Strohwitwen wieder heim. Um 7 langten wir zu Haus an. Das war unser Sonntag. Ich hätte Dich so gern dabeigehabt! Ich hatte eine Sehnsucht nach Dir, Liebster!

Nun ging's an's Abendbrot. Vater war noch nicht heim. Mutter strickte die Kugel noch zu Ende an Deinen Pulloverärmel und ich nähte sie zu und nähte sie ein. Nun ist er fertig. So sehr erschreckend sieht er garnicht aus, finde ich. Der liebe [M]ann soll entscheiden! Ich schicke ihn heute noch weg, will aber gerne noch etwas Besondres mit hineinstecken und heute vormittag hatten besagte Geschäfte keinen Verkauf, erst ab 300 nachmittags. Hoffentlich mach ich einen Fang.

Um 8 abends am Sonntag kam die Ilse Sch. noch mal zu Besuch. Sie hatte sich so sehr über meine Blumen gefreut und meine Glückwünsche, daß sie mir gleich um den Hals fiel und sich bedankte. Sie hatte keine Ruhe und mußte sich eher bedanken, als erst am Donnerstag in der Singstunde. Sie war noch bis ziemlich 11 Uhr da. Ich brachte sie heim, weil es so finster war und sie sich fürchtete. Der Vater kam mit dem letzten Zug und wir gingen gleich zusammen zurück.

So verging der Sonntag, und ich konnte Dir nicht mal schreiben. Ob Du wohl nun ohne Aufsicht ausgehen kannst?

Herrn G. traf ich, in Zivil - er ist von einer Ausbildung aus Dresden zurück - ich soll Dich recht vielmals von ihm grüßen. Er fragte mich, wie es ist, das Verheiratetsein! Ließ mich dabei nicht einen Moment aus den Augen, so ein Luder. Ich sagte ihm, daß ich überhaupt noch nichts davon erzählen könnte, ehe ich mir ein Urteil darüber bilden könnte[,] hätten 'sie' Dich weggeholt, nun sei es wieder wie erst.

Ich tue ihm im der Seele leid, so jung und allein. Dabei lachte er ganz verschmitzt. Na, die stillen Oberlausitzer, das sind mir schon die rechten!!

Nachher, wenn Mutter heimkommt, wollen wir nach Mittelfrohna. Sie will zum Schneider, Mantel anprobieren. Ich will den von Amerika (schwarz-weiß) machen lassen, selber kriegen wir kein rechtes Geschick rein. Und ich brauche etwas für Wochentags im Winter. Meine beiden Mäntel muß ich nochmal für gut anziehen. Jetzt kaufe ich mir keinen neuen. Bei Oma will ich mal nach Zucker [siehe Abbildung] fragen, für Elfriede!

Der brave Siegfried schrieb schon. Wenn das wahr würde, mit dem Frieden! Unsre Punktkarten sind eingetroffen. Der gute Papa gibt seine Punkte damit ich Deine schöne Jacke holen kann! Ich freu mich, Du. Nun will ich noch stricken; graue Müffchen, für mein Lieb! Ich bin wieder ganz gesund und munter, Du! Ich hab ein Geheimnis, Liebster! In 3 Wochen, oder 4 Wochen wirst Du es wissen. Ob es Dich freut, wie gern wüßt ich's schon heut!?

Herzallerliebster! Behüte Dich Gott auf allen Wegen! Bleib gesund!

Ich liebe Dich von ganzem Herzen, Du! Du!

Ich bleibe in Treue ganz

Deine [Hilde].

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.400923-002-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946