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[OBF-400919-001-01]
Briefkorpus

den 19. September 1940

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde], Du!

Donnerstag ist schon wieder. Mittagspause. Es geht eine laue Luft. Ich sitze auf meinem Schemel im Garten und nutze die Freizeit, Dir zu schreiben, denn heut abend drängen sich die Geschäfte wieder: Kartoffelschälen, Kino (Es ist auf heute verschoben worden). Neues Briefpapier. Ich bekam einen Block in der Kantine. Siegfried, der gute, schreibfleißige hat mich schon aufgestöbert in meiner neuen Stellung. Er erhielt gestern einen langen Brief.

Der Dienst schreitet munter voran. Ich kann sagen, daß ich ihn mit fröhlichem Gleichmut tue. Ihn nicht ernster nehme, als er ist und mich den notwendigen Formen doch füge und anpasse. Schon spricht man von der Besichtigung und vom Abschlußabend in 8 Tagen. Kaum, daß wir nun Tritt gefaßt haben in diesem Betrieb, richtet sich die Spannung schon auf den neuen. Ich habe sagen hören, daß die Abteilung 211, der ich angehöre, in Eckernförde stationiert ist. Abwarten. Donnerstag, da fällt mir eben ein, warst wieder mal in der Singstunde? Du magst es damit halten, wie Du willst.

Die Seeluft hier macht sich in einem guten Hunger bemerkbar. Seit 8 Tagen hatten wir keinen Alarm mehr, kein Engländer störte unseren tiefen Schlaf. Vor 4 Wochen, Herzliebes, fuhren wir zu Euch nach Oberfrohna zurück. Den Abschied beständig auf den Nerfen, verlebten wir noch 3 schöne Ferientage in Eurer lieben, vertrauten Ordnung, im Rhythmus der Ferientage, empfanden wir noch einmal desto tiefer das Glück unsrer Liebe, den köstlichen Schatz gegenseitigen Verstehens und Vertrauens bis ins letzte, Liebste Du, fühlte und schaute ich Dich noch einmal voll Glück und Freude und füllte so das Herz nur mit dem einen Wunsch und Verlangen, dieses Glück zu halten, zu hüten. Es ist mein Kompaß, mein Kurs, dem ich zusteure, Herzallerliebste, Du! Hast weinen müssen, Du! Und ich hätte Dir so gern tröstend zugesprochen, Dir über das Köpfchen gestrichen, über die weichen, runden Bäckchen, Liebste! Nun müssen wir geduldig warten, mit den vielen, vielen andren, mit Hellmuth und Siegfried, und Du mit Elfriede, sie sind alle voll Hoffnung, daß jeder Tag uns einem besseren, glückvolleren Leben näherbringt. Gott gebe, daß sich diese Hoffnung erfüllt.

Insgeheim bauen wir weiter an unserem Glück, Herzliebes, Du und ich, u. später einmal werden wir sehen, daß es gut war, wie es kam, daß diese Zeit nicht verloren ist, daß sie uns fördert. Das dürfen wir auch hoffen, wenn wir an das materielle [sic] denken. Siegfried schreibt, daß wir Ende Oktober nur keinem Feinde mehr gegenübersehen würden. Weiß nicht, ob sie da draußen in Frankreich dafür einen Riecher haben.

Herzallerliebste! Dieser Brief wird Dich am Sonntag erreichen. Wir werden Ausgang bekommen. Ihr seid zu Dritt wie immer früher schon. Und es ist doch anders. Ich bin dabei in den sorgenden Herzen Deiner lieben Eltern, in Gedanken werde ich bei Euch sein, und ich bin dabei in Deinem Herzen, Du, liebe [Hilde] das weiß ich, und darüber ist Jubel in meinem Herzen, Jubel und Dank gegen Gott. Er behüte Dich mir auf allen Wegen!

Auf Urlaub mag ich diesen Sonntag mit in Gedanken kommen, Du! Liebste, bin ich ungezogen? Wenn ich auch mal an das Süße denke? Das Gärtlein wird verschlossen sein, Du! Und das Schlüsslein? Ach Du, es rührt sich kaum. Und ich käme doch nur zu gerne trotz allem, Du! Dich zu sehen, dich zu küssen, dich zu fühlen und Dir zu zeigen, daß ich Dich liebe über alles in unwandelbarer Treue!

Dein [Roland]

Halt Dich fein brav und grüße die lieben Eltern

Herzliebes! Als ich in die Stube zurückkam, lagen da zu meiner Überraschung 2 Pakete, Dein Wäschepaket und ein Kuchenpaket von heute. Sei recht bedankt für Deinen Liebesdienst. Wie schön hast Du alles verpackt, die Wäsche nach der Matrosenvorschrift genau gelegt, daß ich sie nur in den Spind zu legen brauchte. Die Süßigkeit, auch die geistige Kost, und Dein lieber Brief, sei recht sehr bedankt für alles! Von [sic] heute erwarte ich ein Nachthemd, es war aber nicht drin, will Mutter im nächsten Briefe gleich noch einmal mahnen. Heute abend, Herzliebes, empfing ich auch noch Deinen lieben Boten von gestern Mittwoch. So schnell legt er die lange Strecke zurück, schneller ist er als zwischen Lichtenhain und Schmilka. Nun, da ich mich so gut eingerichtet habe, darfst Du [Dir] nur gern allen Kummer und alle Sehnsucht von der Seele schreiben, ich werde mittragen. Herzallerliebste! So zarte Worte und weiche Hände, die diese Zeilen schreiben, muß ich nun schon so lang entbehren. Ich sehne mich nach ihnen und auch danach, selber ein wenig zärtlich zu sein, und nun gerade in diesen Tagen. Halte Dich schön still und ruhig. Das ist eines der schönsten Geschenke, das mir unser Bund brachte, daß ich auch zärtlich sein darf zu einem lieben Menschen. Was Du so Zartes, Heimliches von der Dreisamkeit sagst, das ist auch mir aus dem Herzen gesprochen. Wieviel Süßigkeit umschließt der Gedanke, Dich in Liebe einhüllen zu dürfen, so wie Du unser Kindlein einhüllst unter Deinem Herzen.

Liebste, wie könnte ich Dir über Deine trüben Stunden weghelfen? Ich bin Dein [Roland]. Ich gehöre Dir. Du hast mein Leben so unendlich bereichert. Wir gehören zusammen für dieses Leben.

Gott behüte Dich mir!

Ich drücke Dich zärtlich an mich, ich küsse Dich

in großer Liebe u. Treue und bleibe immer

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946