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[OBF-400916-002-02]
Briefkorpus

Montag, am 16. September 1940.

Herzallerliebster! Du mein lieber, lieber [Roland]!

Endlich komme ich nun zum Sitzen. Was das Einwecken bloß für Arbeit und Zeit kostet. 7 Gläser Pflaumen sind es geworden, 1 Glas Apfelmus und ich schätze 3 große Flaschen Holundersaft, der muß erst auskühlen, ehe ich ihn einfüllen kann. Mittlerweile ist es schon 4 Uhr geworden. * Vater, der alte Unruhgeist kam auch schon wieder gekrochen, der sollte noch schlafen, weil er Nachtdienst hat diese Woche. Ich hab ihn noch bissel zur Mutter geschickt, wenn er mir immer herum rumort, da hab ich keine Andacht zum Schreiben.

Jetzt ist der Himmel teilweise bedeckt, aber seit mittags regnete es nicht wieder. Ich habe heute früh, als Deine Wäsche ankam gleich Wasser aufgesetzt u. vor dem Aufwaschen habe ich alles gewaschen, ich wollte sie so gerne an der Luft trocknen. Es war ja so wenig, es läßt sich sehr gut waschen (die Unterwäsche) war auch nicht schmutzig. Brav, mein Lieber! Wieviel Stück hast Du denn Unterwäsche u. wo ist Deine Eigentumswäsche? Schicke nur, wenn es Dir möglich ist, immer etwas mehr, sonst ist es ja schade um das Porto. Das Päckchen mit Deinen kleinen Wünschen ist schon seit heute mittag auf der Fahrt zu Dir. Bin gespannt, wie lang es braucht. Deines brauchte 7 Tage!

Die Muscheln sind ganz niedlich, die heb' ich für unsre Kinder zum Spielen auf, Du! Welch sonderbares Gebilde, dieser Stein, hat ihn das Wasser so fein ausgespült?. Es ist, als ob ihn ein Mensch durchbohrt hätte, nicht wahr? Was Du an Strandgut findest, schicke nur mit. Ich will es alles aufheben. Aber kein totes Viehzeug, Du!!

Die Eltern haben sich so gefreut über Deine liebe Karte, Liebster. Vielmals danken sie Dir u. viele herzliche Grüße!

Man kann wohl verstehen, daß diese Stadt ein lohnendes Ziel für den Engländer ist. Diese mächtigen Gebäude.

Möchte sie das Geschick vor solchem Unglück bewahren.

Und jetzt zu Deinem so lieben Briefe. Liebster, laß Dir recht, recht herzlich danken, Du! Wie so glücklich machst Du mich! Daß unsere Liebe und unser Glück etwas Seltenes ist auf dieser Welt, wie oft fühlten wir das schon, Du und ich. Und nun empfindest Du das auch wieder in der Fremde, in Deiner Umgebung, wo Du doch eigentlich vielen begegnen müßtest, denen wie Dir, das reine Glück der großen Liebe aus den Augen leuchtet. Liebster! Unser Empfinden füreina[n]der, wir wollen es niemals zur Alltäglichkeit werden lassen, in den Staub treten. Als höchstes, köstlichstes Gut dieser Erde wollen wir es einander treu bewahren in jeder Lebenslage. Fühlen wir denn nicht beide am eigenen Leibe, wie uns so Kräfte wachsen, allem, was uns auch entgegentritt, mutig zu trotzen?

Was wäre mein Leben, wenn nicht jeder Morgen, den Gott werden läßt[,] überstrahlt wäre von dem Gedanken und Bewußtsein an Deine treue Liebe? — Eine Dichterwort sagt: Ohne Liebe ist das Leben wie eine Rose ohne Duft. Soviel Lebenswahrheit liegt [dar]in. Was auch kommen mag, nichts kann meinen Sinn zu Dir wandeln. Ganz deutlich sehe ich Dein liebes Bild vor mir, wenn Du mir schreibst, wie Du Kamerad bist unter den anderen, Liebster! Bewahren will ich dies[es] Bild, solange ich Dich in der Ferne weiß; Vertrauen und Beruhigung schöpfe ich daraußs, ich weiß, nichts wird Dich anfechten, Herzallerliebster.

Gott behüte Dich mir, Du! So wie Du bist.

Mein [Roland]! Ich liebe Dich!, aus meinem ganzen jungen, heißen Herzen heraus! Ich bleibe in Treue

immer Deine [Hilde].

*Ich denke daran, daß jetzt Dein Unterricht beginnt.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946