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[OBF-400913-001-01]
Briefkorpus

Freitagabend, den 13. September 1940

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Zum Seemannswochenende noch ein paar Zeilen. Diese Woche ist schnell vergangen und schon stehen wir am Ende der ersten Hälfte unsrer Rekrutenzeit. Heute setzte auch der erste Unterricht ein, der uns auf unsre künftige Schreibarbeit vorbereiten soll. Ich kann mir von unserem Wirkungsbereich noch keinen rechten Begriff machen, aber in 8 Tagen werden wir klarer sehen. Daß ich mich hineinfinde, darum ist mir nicht bange. Meine Militärzeit hat mir einen kleinen Vorgeschmack gegeben. Nächste Woche ist mit 3x2 Wochenstunden Unterricht schon vorbelegt [sic] für Montag, Mittwoch und Freitag von 16 - 18 Uhr.

Heute nachmittag sind wir zum dritten Male geimpft worden. Alles schimpft über diese Kur, zumal die Kameraden, [bei] denen es härter ankommt. Nächste Woche nun noch einmal[,] wie die Kinder gegen die Pocken auf den Arm. Aus dem Küchenzettel der verflossenen Woche wären die Krautwickel vom Mittwoch hervorzuheben, die vorzüglich angerichtet waren. Wie ich mich so im Dienst anstelle? Nun der Dümmste bin ich nicht, das würde nun mein Ehrgeiz nicht zulassen. Bei vielen Dingen, bei Wendungen usw., kommt es auf schnelles Schalten und Reagieren und zackiges herumreißen [sic] an, und dazu gehört nur ein wenig Musikalität. Also ich falle nicht auf, und dann ist alles im Ordnung. Beim Marschieren wird tüchtig gesungen: Die Blauen Dragoner, Ein Heller und ein Batzen, Edelweiß, Monika, das sind die Schlager, die wir jetzt auf der Platte haben.

Morgen Sonnabend ist nun wieder "Großreinschiff", dann Freizeit. Für Sonntag war erst vorgesehen ein Besuch des operierten Kameraden, unseres Johann, im Lazarett. Das ist aber nicht möglich. Es verlautet, daß Sonntag ein Varieté hier ein Gastspiel geben wird. Heute Nachmittag ist Regen aufgekommen. Das [sic] der Himmel ist überzogen hat scheint mir günstig für die hellen Mondnächte wegen der Flieger. Heute nach dem Dienst erhielt ich Deinen lieben Boten. Ich war ganz sicher, daß er käme, obwohl er mich doch schon gestern beglückte. Die Versicherung brauche ich nicht. Den Proben Deiner Kochkunst würde ich schon sehr gern mit zusprechen, aber lieber noch den anderen Süßigkeiten, von denen Du schreibst. Ach Du, Herzliebes! Mich unter die Kameraden zu mischen, ist mir nicht schwergefallen. Ich habe mir auch schon eine Position erobert, innerhalb deren man meine Eigenart respektiert: Ich denke an Rauchen, Trinken, Briefeschreiben, ich gelte auch als etwas schweigsam und als ein stilles Wasser. Ich habe heimlich meinen Spaß dabei. So bin ich Kamerad und bleibe doch für mich, und bleibe ganz, ganz Dein, Herzliebes! Das ist meine große, innere Freude, mein ganzes Glück.

Dein liebes Bild steht immerzu vor mir ganz rein, geschützt und unberührt von allem Niedrigen. Aus keinem der verheirateten Kameraden sah ich noch die Freude leuchten, die in mir ist, die ich mir niemals trüben lasse. Ich empfinde so dankbar, daß ich an Dir einen so festen Halt und ein so kostbares Heim fand, Du, meine liebe [Hilde]!

Gott behüte Dich mir! Er halte schützend seine Hand über uns!

Ganz leise möchte ich Dir über das Haar streichen, Deine liebe Hand fassen und Dein Herzlein fühlen, Du!

Ich bleibe in Liebe und Treue

Dein [Roland].

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Ba-OBF K02.Pf1_.400913-002-01a.jpg Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946