
[400911–2‑1]
Mittwoch, am 11. September 1940.
Herzallerliebster! Du mein lieber, guter [Roland]!
Ganz grau sieht es draußen aus — aber in meinem Herzen ist heller Sonnenschein, Du! Liebster! Heute kam Dein lieber Brief, so lieb hast Du geschrieben, und ich danke Dir aus ganzem Herzen dafür. Einen langen, lieben Kuß schenke ich Dir — — merkst Du’s denn auch? Auch Deine Karte vom Sonntagsausgang traf mit ein! Donnerwetter! In welch v respektvoller Begleitung geht mein ‘blauer Junge’ aus.

Ein bissel [sic: bisschen] Bange [sic] ist mir, Du! Gib[‘] nur fleißig acht, daß Ihr im Beisein des Herrn Feuerwerksmaat kein Feuer fangt, wenn Ihr wieder mal ausgeht — das könnte dumm werden. Was Du mir über Deine Umgebung schreibst und wie Du so zufrieden mit dem allen bist, das freut mich besonders und ist mir eine große Beruhigung. Vor allem, daß Du ein gutes, anständiges Nachtlager hast.
Über die kleine Episode mit dem schmerzlich vermißten, dicken Brief mußte ich lachen. Sieh[‘]: ‘Denn Geduld soll belohnt werden.’ Weißt [Du], ein Bild muß es sein, ganz gleich, wo und wie — [n]ur bitte, ein freundliches Gesicht! Mach nur nicht so toll mit beim Sport, zeige lieber beim Essen mehr Ausdauer, hörst Du? Heute schrieb auch Mutter, sie wollen den Geburtstag in aller Stille feiern, die Soldaten Siegfried u.[nd] Hellmuth kommen nicht. Verreisen möchte Vater gern ein Stück.
Wir sind auf später eingeladen und werden auch gerne fahren, ich bleibe dann noch [ein] bissel [sic: bisschen] länger bei Mutter. Elfriede freut sich schon drauf [sic], sie will auch mal mitkommen; sie wollen mich durchaus mal mit nach D. lotsen.
Heute kaufte ich Mutter 1 Paar schöne Strickhosen, sie kosten fast 6 M[ark], also noch gute Wolle; sie wird sich schon freuen. Zigarren habe ich bis jetzt noch keine erwischt, die dummen Kerle geben ja kein Kistchen ab. Morgen will ich den Geburtstagsbrief verfassen, ich nehme gleich beide zusammen und richte es so ein, daß sie am Sonntag die Geschenke haben.
Man weiß nicht, wann sie wegfahren und Vater denkt vielleicht dann, ich habe ihn vergessen. Also lieber, armer Hubo, das Geschenk der Eltern ist von Dir und mir — ich böses Weib halt ja jetzt meine Krallen über Dein vieles Geld!
Die Tagesauszüge über mein Konto u.[nd] den Beleg über die Überweisung aus S. gingen prompt per Post oder Ratsboten ein u.[nd] ich hefte sie gewissenhaft in die grüne Mappe.
Hast Du etwa Lust, Dich in dieser Sterbekasse anzumelden?

Arbeit gibt es heut [sic] es wird mir fast Angst. 5 M [Pfund] Pflaumen einkochen[,] auch Apfelmus, 2 M [Pfund] Pilze auf den Ofen bringen, Kartoffelsalat machen: das gibt es morgen bei uns, heute buk ich Q[u]arkäulchen, hättest Du mitessen können, die waren gut gelungen. Na, vielleicht bringe ich´s bis zu Deiner Heimkehr bis zum Rang einer Meisterköchin[;] wärst Du da nicht stolz auf mich? Nachher hab ich noch was vor für Dich, werde dabei ganz, ganz fest an Dich denken[,] Du! Vielleicht erfährst Du am Sonntag, was es war!

Liebster! Es will mir nicht schwer werden, weil wir uns trennen mußten. Du schreibst mir so lieb und ich fühle, daß Du bis jetzt nicht leiden mußt unter diesem Leben. Du bist gesund und froh, das allein schon macht mich ja so glücklich. Wirst im Laufe der Zeit schon auch einen Sinn dieses Lebens herausfinden. Und manchmal muß ich denken, daß es Deinem Wesen, das etwas verschlossen und zurückhaltend ist[,] wohl gut sein wird, das Gemeinschaftsleben mitten in uns[e]rer großen Zeit kennenzulernen u.[nd] mitzuerleben. Daß Du aber trotz allem mein lieber [Roland] bleibst, das ist meine ganze Freude, mein größter Stolz.
Für heute mein Lieb, behüt[e] Dich Gott! Bleib gesund!
Es küßt Dich in treuer Liebe