Bitte warten...

[OBF-400903-001-01]
Briefkorpus

am Dienstag am 3. September 1940

Herzallerliebste, meine liebe liebe [Hilde]!

Schreibetag ist nach unserem Übereinkommen. Ich benutze die Mittag[s]pause von ½ 1 Uhr bis 2 Uhr, um ein paar Zeilen fertig zu machen. Gestern hat nun der Dienst begonnen. Morgens ½ 8 Uhr zunächst eine Stunde Unterricht, dann bis gegen Mittag mit einer Pause, Fußdienst, Stillgestanden, Rührt Euch, Augen rechts, die Augen links, zu dreien abgezählt. Auf [sic: auch] das kann anstrengen aber es geht an.

Am Nachmittag wieder Unterricht, Fußdienst und gestern ein Appell vor dem Kommandeur, einem Kapitän. Das Wetter ist seit gestern besser, jetzt scheint bei leichtbewölktem Himmel die Sonne schön warm. Heute am Vormittag wurden die hier liegenden Rekruten vereidigt, wir machten unterdessen einen Ausmarsch nach der Kieler Bucht. Das war ein angenehmer Vormittagsdienst. Trotzdem meldeten sich nach diesem kurzen Marsch ein paar Fußkranke. Meine Stiefel passen, das ist gut. Ich vermisse nichts an Ausrüstungsgegenständen. Nachthemden bekommen wir nicht geliefert. Bitte schicke mir bei Gelegenheit noch eines zum Wechseln. Vielleicht kannst Du ein Tütchen trockenes Salz für meinen Streuer beilegen. Das Essen ist reichlich und gut. Wurst ist mir zu viel. Also davon bitte nichts schicken.

Morgen, Mittwoch, denke ich, daß ich zum ersten Male von euch Post bekomme. Ich freue mich so darauf. Ohne diese Zeichen von Hause würde ich in dieser männlichem Umgebung und dem Kasernenton ganz die Verbindung zu Dir verlieren. Also, wenn ich nur gesund bleibe, dann hoffe ich diese Zeit leicht zu überstehen, da könnt Ihr alle ohne Sorge sein. So wieder [sic: wie der] Dienst nun läuft, gilt es immer aufzupassen. Wenn die Pfeife schrillt, ist immer was los. Trotzdem [sic: Trotz dem] wir kein Gewehr haben und nur einen Anzug, nur ein Paar Stiefel, gibt es immer schon genug zu tun. Am Montag sind wir noch einmal neu eingeteilt und umquartiert worden. Nun liege ich wieder unter Landsleuten, es herrscht ein tadelloser, sauberer Ton, ich bin recht froh darüber.

Ja, Herzliebes, was soll ich Dir heute noch schreiben?

Was ich zu Dir empfinde? Der Trauer, der Sehnsucht Raum geben? Ich mag es jetzt nicht. Ich würde mich unglücklich machen. Falsche Hoffnungen nähren? Auch das nicht. Wir müssen uns mit der gegebenen Lage abfinden und Gott vertrauen und hoffen, daß er uns führt und leitet und beschützt bis zu unserem Wiedersehen. Dieses Wiedersehen steht jetzt noch wie ein traumhaftes Land in weiter Ferne. Die Sonne über diesem Lande bist Du, Herzallerliebste, ohne Dich könnte ich es nicht denken.

Für heute genug.

Herzallerliebste, behüte Dich Gott! Bleibe froh und gesund. Bitte grüße die lieben Eltern! Meinen nächsten Brief will ich an Sie [sic] richten.

Wir sind verbunden auf Leben und Tod, Herzliebes. Diese Gewißheit ist meine ganze Freude.

Ich bleibe Dir ganz, ganz treu und liebe Dich von ganzem Herzen.

Dein [Roland].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946