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[OBF-400901-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend am 30. August [sic: wohl Sonnabend 31. August]

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Weißt, diese verliebte Anrede kann ich nicht immer schreiben, wenn die andern ringsherum stehen. Aber jetzt sitze ich am Tisch ganz allein und da darf ich sagen, wie mir ums Herz ist. Sonnabend ist 'Seemannssonntag'. Essenszeit ist vorbei. Sonnabend ist nur Reinemachen, kein Dienst. Dienst hatten wir ja bislang noch gar nicht. Heute vormittag haben wir nur eben unsre Stube sauber gemacht, ["]klar Schiff gemacht", wie wir 'Matrosen' sagen. Der Dienst soll am Montag beginnen. Wir sind alle gespannt. Es liegt hier eine Abteilung ganz junger Freiwilliger. Wir sahen sie exerzieren und haben ein wenig Respekt bekommen. Eben habe ich mein Schreiben unterbrechen müssen. Wir mussten auf den Hof heraustreten und sahen zum ersten Male unseren Leutnant und erfuhren nun auch, was unsrer hier wartet. Also, wir sollen hier zunächst eine etwa 4 wöchige Grundausbildung erfahren und dann als Schreiber irgendeinem Kommando zugeteilt werden. Das ist kein Grund zum Frühjubeln, aber froh bin ich doch. Eine Woche ist nun schon vergangen. Die Spannung auf all das Kommende hat uns in Atem gehalten, so ist die Zeit schnell vergangen.


Sonntag am 31. August [sic: wohl Sonntag 1. September]

Herzliebes!

Sonntag in der Kaserne, der erste. Ringsher[um] liegen die Felder, stehen die Bäume und Höfe, weidet das Vieh — das alles liegt jenseits des Zaunes, innerhalb dessen wir uns bewegen müssen — zum Glück nicht auf unabsehbare Zeit. Wenn nur erst der Dienst begönne, möchte man wünschen. Wenn weiterhin soviel Freizeit wäre, müßtest Du mir ein paar Bücher schicken. Seit gestern nachmittag — wir wurden noch einmal umquartiert — liege ich mit drei Mann unsrer Gruppe mit Köchen und Schlächtern zusammen, lauter Hamburgern, zum Glück, in Platt klingen die Witze und Geschichten, die sie erzählen, nicht so gemein und häßlich. Kameradschaftlich sind auch sie.

Es wird hier unglaublich viel geraucht und getrunken. Das wird wohl nachlassen, wenn der Dienst losgeht. Ich komme mir ganz komisch vor, weil ich nicht mittue.

Ein Blick in unsre Bude, 'Koje', heißt es bei den Matrosen. Es ist jetzt ganz still, Viele schreiben, etliche sitzen über einem Spiel, einer schmiert seine Stiefel. Vor mir habe ich die Wand mit den Spinden (Schränke), hinter mir die Betten, bis zu 3 übereinander. Die Stube ist mit 18 Mann belegt. Das Essen ist gut bis jetzt und reichlich.

Außer den Abendnachrichten im Radio, die ich in der Kantine höre, erfährt man kaum etwas von der Weltgeschichte. Berlin ist mehrmals angegriffen worden, in der vergangenen Nacht auch wieder Mitteldeutschland. Seid vorsichtig! Kiel ist von Fliegern auch schon oft besucht worden. Wir hatten hier noch keinen Alarm. Das Wetter ist in seiner Unsicherheit beständig. Seit gestern abend ist es wärmer. Die Uniform hält warm. Nur beim Stiefelpu[t]zen und waschen wird sie abgelegt. Wenn es kälter wird, wird mir ein Pullover mit Ärmeln recht willkommen sein.

Herzliebes! Wenn ich an uns beide denke, an die Tage unseres Beisammenseins, es kommt mir alles vor wie im Traum, so fern, so zart und fein gesponnen — und dieser Traum wird mit mir gehen, er steht am Ausgang dieses Kasernenlebens und soll wieder Wirklichkeit werden, Du!

Behüt Dich Gott, Herzliebes! Bleibe froh und gesund!

Bitte grüße die lieben Eltern und lies ihnen vor, so weit Du das passend findest.

Bald werde ich von Dir einige Zeilen in Händen halten, ich freue mich darauf — ich liebe Dich, Du! und bleibe immer

Dein [Roland].

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Studioaufnahme von Hilde Nordhoff, sitzend posierend vor einem Lichtkegel.

Ba-OBF K01.Ff3_.A3, Hilde Nordhoff am Tag ihres Polterabends in einem Fotostudio, 1940, Ort und Fotograf unbekannt, weiße Büttenränder weggeschnitten.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946