
S. am 2. Juli 1940
Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde], Du!
Den ganzen Sonnabend und Sonntag hat es noch gegrollt, bis zum Abend, zum reinigenden Gewitter, ich habe räsonniert und gerechtet mit mir und Dir. Mit einem Gefühl des Unmutes begann es, und dann standen plötzlich auch die Gründe vor mir. Aber der Unmut war zuerst, und ich will versuchen, ihm auf den Grund zu gehen: Ich wußte Dich glücklich über den Vorbereitungen für unser Fest, jede Stunde. Ich muß noch werken bis kurz zuvor — Dich wußte ich allein damit beschäftigt, unseres Glückes zu warten — und das war mir so lieb — es will so gut gewartet sein, unser Glück, nicht nur mit den Händen und Ge, sondern auch in Gedanken. Und in diese Lieblingsvorstellung fuhr Deine Nachricht als eine Enttäuschung: Sollte ich Dich nun anderswo suchen, sollte Dich mit anderem beschäftigt wissen? Ich verstand nicht, wie Du so schnell die eigenen Pläne Dir konntest stören lassen, ich verstand es nicht! Hatten wir doch Vaters hartnäckiges Werben um Deine Kraft beharrlich abgewehrt. Und ich konnte mir nicht anders denken, als daß Dir der Herr Pfarrer unter mancherlei Bezeugungen seines Wohlwollens Dir diese Zusage abgenötigt habe, daß Du Dich vorschnell versprochen habest. — So ist es wohl.
Ich hätte aber auch aus einem anderen Grunde [sic] Dir nicht zugestimmt. Dem Pfarrer, dem ich die Orgel nicht geschlagen hätte, dessen Handreichung bei uns[e]rer Trauung wir nicht unbedingt mögen — nun doch anderweit zu Diensten sein? Ich habe nichts gegen die Person des Pfarrers. Ich bin auch nicht so verholzt und verkalkt, daß ich mir nicht einmal eine and[e]re Meinung anhöre und sie würdige, wir haben ja schon mehrere Predigten besucht, Du kennst mein Urteil und weißt, daß ich mich darin um Gerechtigkeit bemühe. Meine Stellung zu diesem und jenem ist auch nicht verhärtet, aber so, wie die Lage der Kirche jetzt ist, meine ich, daß jeder Versuch sie zu spalten und in sich zu entzweien als schädlich abzulehnen ist. Das ist keine persönliche Feindschaft, aber eine klare, ehrliche Gegnerschaft. Und um einer gewissen Klarheit und Ehrlichkeit willen, meine ich, ist es nötig, auch im persönlichen Umgang mit diesem Gegner sich eine gewisse Reserve aufzuerlegen. Wenn ich von meiner Befürchtung schrieb, der Herr Pfarrer könnte in Dich dringen, dann nicht aus Furcht, daß er von meiner Auffassung erführe, sondern daß es zu einem Meinungsaustausch kommen könnte, der, zwischen Mann und Frau geführt, mit ganz unglei[ch]en Kräften ausgetragen würde.

O nein, Liebste! Dieses Wunschbild entsprang dem Reichtum uns[e]res Liebesglückes, dem Ideal der Hohen Zeit!
Nun wirst Du mich ganz verstehen? Auch, daß ich noch ein wenig traurig bin heute abend, nachdem ich das geschrieben habe? Ich will noch ein wenig hinausgehen.
Ich liebe Dich! Du weißt es! Du!
Am Mittwoch.
Herzliebes! Nun will ich erst einmal Deine Anfragen beantworten. Von Onkel E. mit Tante L., von Onkel K. mit Tante M. gingen Zusagen ein. Onkel K. wird sich der von mir empfohlenen Verbindung bedienen, er trifft ¾11 Uhr in O. ein. Für die Trauzeit habe ich selber keinen Wunsch. Auf die Kantorei möchten wir Rücksicht nehmen. Onkel K. und Onkel E. werden am Sonnabend zurückreisen wollen. Onkel K. müßte nach meinen Unterlagen um […] Uhr, Onkel E. um die ähnliche Zeit abreisen. Das wäre für diese beiden freilich ein kurzes Fest und wir würden wohl auch Schwierigkeit haben, alle Mahlzeiten an den Mann zu bringen. Ich werde mich noch heute um die Gelegenheit zur Rückfahrt kümmern. Es wäre zu überlegen, ob diese Gäste sonst eine Nacht unterzubringen wären. Diese Möglichkeit laßt Euch bitte mal mit durch den Kopf gehen. Die Weisungen für das Brautbukett ergehen mit diesem Brief. Umt das Bukett für Gertrud G. können wir uns k[ü]mmern, wenn ich in O. bin, denke ich. Daß Du der Einladung uns[e]rer Soldaten solchen Nachdruck von militärischem Rang verschaffen konntest, ist fein und hoffentlich von Erfolg gekrönt. Der Wettlauf um das Orgelspiel ist kurios, schlägt aber nicht in unser Fach und ich werde mich hüten, mich mit einem Wunsch in die Nesseln eifersüchtiger, streitbarer Kantoren zu setzen.

Der vergangene Sonntag war sehr schwül. Erst in der vierten Nachmittagsstunde machte ich mich auf zu einem Spaziergang in die E. bis zur ersten Kahnfahrt. Morgen will ich noch einmal beim Schulrat vorsprechen. Kommenden Sonntag will ich in S. den Gottesdienst besuchen, wir werden da zum zweiten Male aufgeboten.
Ob ich noch grolle, Liebste? Nein, schon seit Montag nicht mehr. Aber es dauert so lange bei mir, ehe sich die Wetter verziehen. Und recht froh werde ich erst werden können, wenn der Anstoß uns[e]rer Mißverständnisse aus dem Weg geräumt ist, vielleicht erst, wenn ich bei Dir bin.
Behüt Dich Gott, Herzliebes! Er erhalte Dich froh und gesund!
Vielleicht wirst Du manchmal Geduld mit mir haben müssen.
Du bist die einzige Sonne, die mir lachen kann und lachen wird auch nach Tagen der Trübnis. Halte mich nur fest, so wie ich von Dir nimmer lassen werde.
Die ich mir so bräutlich wie im Märchen wünschte, Herzallerliebste Du, ich liebe Dich wie immer! Dein [Roland].
Den lieben Eltern bitte viele Grüße.