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[OBF-400629-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 29. Juni 1940

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde] Du!

Freitagabend ist es. Eben bin ich zurück von meinem Abendbummel zur Baustelle in Herrnskretschen. Mit diesem Spaziergang schließt sonst mein Tageslauf. Heute war es ein wenig früher, daß ich zurückkehrte.

Herzliebes! Warten müssen wir. Es ist ein Muß, das wir uns selbst auferlegten. Die Zeitspanne verkürzt sich mehr und [m]ehr. Ob es mir schwerfällt zu warten? Du weißt, wie ich bin. Nachdem ich in das harte Muß eingewilligt habe, wiege ich mich auch nicht länger in falschen Träumen. Ganz fein still zu sein mühe ich mich. Einen Teil des Tages füllt die Arbeit aus. In der Freizeit darf ich Deiner denken, darf auf Post warten, und bin dann wieder selber dran mit schreiben. Daß Du mit Deinen Gedanken schon ganz bei unserem Tage bist, will ich Dir gern glau[b]en. Mir wird die ganze Bedeutung erst aufgehen, wenn ich die Schultür hinter mir schließe und mich anschicke, zu Dir zu reisen, zu meiner lieben Braut, Du, um sie ganz und für immer zu gewinnen, Herzallerliebste, Du meine liebe [Hilde]!

Am Sonnabend

Herzliebes! Morgen jährt sich der Tag unseres ersten richtigen Stelldicheins zum zweiten Male. Ich habe ihn in so lieber Erinnerung. Wir faßten schon an diesem Tage größtes Vertrauen zueinander — ich denke nur an die großen Reisepläne — und wenn wir uns auch nicht in allen Stücken kennenlernen konnten, so fühlten wir uns doch wie heute noch verwandt und stark und beweglich genug, uns ineinanderzuleben [sic]. So wie an jenem Tage habe ich lange nicht ausgeruht in einem Fremden Augenpaar.

Heute kam Dein lieber Bote. Ich hatte ihn erwartet. Sag, hast Du nicht einmal auch nur leise daran gedacht, mich in Deinen Plan vonwegen Dienst beim Pfarrer einzuweihen? Ich kann nicht ganz damit einverstanden sein:

1) stimmt es nicht zusammen mit Deinem Plan, den Haushalt zu führen, dessentwegen Du doch Deinen Dienst aufgabst; ich habe Mutsch diese kleine Erleichterung recht gern gegönnt. Sie wird Deinen Schritt nicht ganz verstehen.

2) kannst Du nun mit Deinen Angaben vor dem Arbeitsamt nicht mehr bestehen, und ich will nicht hoffen, daß Dir gar Unannehmlichkeiten von da entstehen; Du sitzt an einem öffentlichen Schalter und weißt, wie schnell in Oberfrohna sich etwas herumspricht.

3) habe ich der Kirchgemeinde Oberfrohna Geld gerade schon genug geschenkt. Wenn Herr H. auf Urlaub geht, mag er sich vorher um eine Vertretung bekümmern, ich mußte es als Kantor auch, und Du bist mir schon zu gut dazu.

4) wird der Herr Pfarrer sich die Gelegenheit kaum entgehen lassen, doch einmal irgendwie wegen meiner Stellung zu seinen Auffassungen in Dich zu dringen.

Alles in allem meine ich — sei mir darum nicht böse — Du warst wieder einmal zu gut und voreilig. Aus der Formel, mit der Du mir diese Neuigkeit eröffnest „Ja, mein Hubo, nun--", höre ich ein wenig das schlechte Gewissen und auch die Reue. Zu spät. „Hättest mirs eher sagen sollen, Frieder!“ „Hättest mich darum fragen sollen, Katherlieschen!“ Das war, will ich hoffen, der letzte [Laube]sche Seitensprung.

Und nun drohst Du auch schon, mich in meinen Rechten zu verkürzen (Briefeschreiben) und schützt erhöhte Arbeit vor in den nächsten Tagen. Diese Begründung gilt nur abzüglich der 3½ Stunden Ehrendienst! Siehst Du, so rechtlich und lieblos denken wir Männer, wir wägen und rechnen und rechten und zeigen Stolz, wo ihr Frauen es nicht vermutet. Und dabei meine ich es doch so lieb mit Dir; und wenn ich mich heute wehren muß und verteidigen, etwas vertreten oder ablehnen muß, so sehe ich Dich immer als meinen Schützling neben mir und fühle mich als deinen Beschützer, es gibt für den Mann keine schönere Aufgabe, sie kommt ihm zu und die Frau soll sie ihm vertrauensvoll überlassen. Hier wird der Mann auf eine gewisse Unterordnung der Frau dringen müssen, wenn das überhaupt nötig ist, während die These des Herrn Pfarrer, die Frau [m]üsse jeden Augenblick für ihren Mann dasein, durchaus streitbar ist. Aber genug davon.

Die erwartete Absage der Patentante Marie lege ich bei. Ich habe die übrigen Verwandten mit ihren Rückfragen u. Zusagen an das Hauptquartier der Braut verwiesen, also wundert Euch nicht, wenn Ihr solche Post bekommt. Die Ferien beginnen am 10. Juli. In der Zuschrift heißt es, daß bis zum 3. August Gelegenheit sein soll, sich zu erholen und daß ab 3. August jeder sich zu Erntearbeiten zur Verfügung stellen soll. Du kannst Dir danach schon einen kleinen Plan zurechtlegen.

Morgen Sonntag? Bei schönem Wetter vielleicht mal eine Tour. Sonst verbringe ich ihn essend, schlafend, lesend.

Verlebt auch ihr zu Hause einen recht frohen Sonntag! Denk an den, Liebes, der Deiner wartet, still, aber nicht minder sehnsüchtig; der Dich liebt, leise und heimlich, nur Dir sichtbar, aber nicht minder heiß und innig, Du!

Gott behüte Dich mir! Er segene unseren Bund und unser Vorhaben!

Ich habe Dich von ganzem Herzen liebe und bleibe immer

Dein [Roland].

Bitte grüße die lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946