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[OBF-400621-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 21. Juni 1940.

Herzallerliebster! Mein lieber [Roland] Du!

Für Deinen so lieben Brief danke ich Dir recht herzlich, er hat mich recht froh werden lassen. Er hat mir das Herz frei und den Blick weit gemacht in dieser Zeit des Hoffens und Bangens. Ich bin so dankbar, daß ich Dir gehöre, der Du mich immer wieder so liebevoll und verständnisvoll aufzurichten weißt, wenn mein Sinn trübe ist. Liebster! Ich brauche Dich. Du weißt es. [Ic]h will es Dir immer danken, mit meiner ganzen Liebe, Du! Am 19. erhielt ich Deine Postkarte mit den neuesten Meldungen. Welche große, freudige Überraschung Du mir damit bereitet hast! Du, ich habe zweimal gelesen. Ist es nicht wie ein gutes Vorzeichen im Hinblick auf unser Fest, daß am Ende doch alles gut und nach unseren Wünschen geht? Richtig befreit aufgeatmet habe ich, weil wir nun wenigstens eine Spanne Zeit vor uns sehen, ohne Zwischenfälle in bezug  auf das Militär. Ich glaube ganz [si]cher, daß man Dich jetzt auf Wochen, ja vielleicht Monate hinaus nicht abberufen wird. Hier in Oberfrohna sind zwar am 15. viele Jhrg. 1907 weg, aber andre wieder haben Bescheid, daß sie nicht in Frage kommen. Unsern Pfarrer sprach ich, er muß auch nicht fort. Elly W.s Mann muß in 3 Wochen weg. Ich denke, sie nehmen erst die abkömmlichsten Leute weg.

Jetzt bin ich wieder einmal ganz zuversichtlich. Die steigende Gewißheit, daß es mit Frankreich in Kürze zu Ende geht, trägt dazu bei. Ich bin überzeugt, daß wir auf eine bessere Zeit hoffen dürfen. Voller Spannung warte ich auf das Ergebnis der Unterredung unserer beiden Staatsmänner. Ich zeichne mir jetzt jeden neuen Sieg, jede Errungenschaft, jeden Vorstoß auf einer Karte an. Ist es nicht geradezu unwahrscheinlich, diese ungeheure Schnelligkeit, diese überlegene Schlagkraft die unser Heer entwickelt? Und wenn man jetzt die Berichte verfolgt, die zurückgreifen in das (R) Kriegsjahr 1918 u.s.w., dann wird einem erst mal die ganze Schändlichkeit bewußt, mit welcher uns der Franzose knechtete, hauptsächlich durch diesen Versailler Vertrag. Ich denke, auf Gnade und Humanität brauchen diese Menschen bei den jetzigen Abmachungen nicht zu rechnen. Deutschland wird sich gehörig rächen.

Und nun zu den Papieren. Ich bekam sie nur unter dem Versprechen ausgeliefert, daß ich sie in Bälde wiederbringe, bis zur standesamtlichen Trauung mindestens. Ohne diese Urkunden kann er uns nicht trauen. Es wäre dann unser Verschulden. Ich beruhigte ihn mit dem Bescheid, daß Du sie nur zu einer wichtigen Angelegenheit benötigen würdest. Du schickst sie ja auch sofort wieder, wenn Du sie nicht mehr brauchst? Sogar der Pfarrer, der eben dort war, legte mir das dringend ans Herz. Ich soll Dich und den Onkel recht herzlich grüßen.

Die Schneiderin hatte uns doch nun die Kleider zurück gebracht, hatte uns einige andere genannt die uns annehmen würden. Und so gingen wir nun los, 2 Abende hintereinander. Keine konnte uns die Kleider machen, alle waren besetzt bis Ende Juli. Die eine hatte plötzlich 2 Trauerfälle bekommen. Da war guter Rat teuer. Wir kamen zu dem Entschluß nochmal zur ersten, deren Mann gefallen ist, zu gehen und sie zu bitten, daß sie sie uns wenigstens zuschneiden möchte, nähen wollen wir sie selber. Sie sagte auch zu und auch am Tag drauf schrieb sie einen Zettel, wir sollen doch zu einer ihrer Kolleginnen gehen, sie hätte selbst mit ihr gesprochen u. die wolle es ihr zuliebe möglich machen. Nun sind wir dahin u. die Kleider sind wir los, Du kannst Dir vorstellen, wie ich aber darüber froh bin. Die Mutsch hatte sich schon wieder so aufgeregt, daß sie nicht schlafen und nicht essen konnte. Sie hätte müssen eine Woche vor dem Fest aufhören im Geschäft, [u]m die beiden Kleider fertig zu kriegen. Wir haben doch auch das Polterabendkleid noch zu machen! Also Du! Es bleibt dabei, morgen in 3 Wochen, so Gott will, ist unser Tag und die Nachfeier halten wir in Mittelfrohna ab, wir haben uns nun entschlossen miteinander. Die G. Trudi war schon 2 mal bei mir in dieser Woche, Du ahnst ja nicht, wie die sich freut. So aufgeregt wie sie ist.

Gestern sagte sie, im Geschäft hätte eine Dame einen ‚Lorcher Kalender' bekommen (Astrologie) eigentlich sind für 1940 gar keine in die Öffentlichkeit gelangt und da stünde, daß am 13. Juli die Friedensbotschaft käme! Trudi war ganz aus dem Häusel, das hätte sie mir sofort sagen müssen! Noch manches erzählte sie, was schon zurückliegt — stimmt aufs Datum. Unter anderen stehe da zu lesen, Mstr. Churchill müßte seine Schuld mit dem Leben büßen, durch den Einmarsch der Deutschen in Engl.

Na, weißt Du! Abwarten!

Aber, wenn das mit dem Frieden stimmt, Du! Ich gäbe Dir vor allen Leuten einen ganz festen Kuß!

Ich muß ganz schnell schreiben, damit ich meine Arbeit alle wieder aufhole, die ich versäume jetzt. Ich muß noch einholen gehen und die Hausordnung scheuern; denn wenn Mutsch kommt, geht das Wäsche einweichen los. Sie hat mir allerhand auf den Arbeitsplan geschrieben u. ich sollte Dir heute garnicht einen Brief schreiben, nur die Papiere u. paar Zeilen dazu, erst am Sonntag wieder. Weil wir so viel Arbeit noch haben, aber ich bin doch nicht so dumm u. lasse die schöne ungestörte Zeit so dahingehen, ohne an Dich zu denken, Du stehst doch über allem Drasch. Mein lieber, lieber Lausejunge Du! Ich möchte mich jetzt gleich mal verhauen mit Dir. Ach, mir ka[m] soo viel Arbeit u. ich könnte Dich in dieser Zeit garnicht brauchen, sonst säßen wir zum Fest noch im Schmutze da. Der Sonntag ist sowieso nicht zum Feiern da, das sehe ich schon kommen u. Du müßtest ja doch gar so lang warten auf ein Zeichen von mir. Ich stürze mich dann kopfüber in die Arbeit, wie 10 wilde Affen so heißt es hier. Da merkt keiner was, daß ich paar ½ Stunden gefaulenzt habe. Ach Du! Eigentlich ist es noch lange bis zum 13 Juli.

Wie werde ich mich freuen wenn Du kommst, nach solch langer Zwischenpause. Du! Ich glaube, ich habe schon jetzt Sehnsucht nach Dir! Und eines will ich Dir sagen, schaff Dir unterdessen bloß keinen solchen Nackfrosch an vom Elbestrand! Ich habe auch keinen angehört, als ich schwimmen war am Mittwoch obwohl sie hinterher waren, wie die Hechte im Karpfenteich. Du! Ich gehe nicht wieder baden.

Und nun Herzallerliebster, bleibe gesund und froh in Deiner letzten Junggesellenzeit; alle guten Wünsche gehören Dir. Behüte Dich Gott!

Ich warte auf Dich, Du! Nun nicht mehr lange als Braut.

Ich hab Dich so sehr lieb, Herzallerliebster! Du!

Immer Deine [Hilde].

Viele herzliche Grüße senden Dir die Eltern.

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946