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Briefkorpus

Oberfrohna, am 30. Mai 1940.

Am Dienstag. [28. Mai 1940]

Herzallerliebster!

[Roland]! Mein lieber [Roland]! Hast Du heute auch den großen Sieg vernommen? Eine tiefe Freude bewegt mich, seit ich es hörte. Wie unendlich dankbar bin ich unseren tapferen Soldaten.

Dürfen wir nicht mächtig stolz sein auf sie?
[Ic]h glaube an unseren Sieg. Ich glaube ganz fest daran.
Und er kann nicht mehr allzu fern sein.
Ach Du! Es ist ja alles, alles was dann kommt, uns winkt kaum auszudenken — fast zu schön, um wahr zu sein.

Gebe Gott unseren Tapferen allen sein Geleite, möge er sie siegreich die große Aufgabe erfüllen lassen unter seinem Schutze.

Daß wir Deutsche diese Zeit erleben dürfen, es ist doch bei allen Opfern auch eine Gnade. Werden nicht alle Menschen durch das [ge]meinsame Kämpfen, Ringen, Erleben und Schaffen, das sich alles um das Eine dreht enger miteinander verbunden?, werden sie sich nicht glückhaft der festen Zusammengehörigkeit bewußt, und der tiefen Verbundenheit mit unserm Volke?

Du! Wenn wir den Kindern später einmal erzählen dürfen, wie sich unser Volk, unser Deutschland, das hart am Abgrunde stand emporgerungen hat, dank Gottes Fügung, die uns einen Mann zum Führer schenkte, auf den wir alle Zeit mit Bewunderung und Verehrung blicken werden, und dank des Volkes unverzagter, treuer Pflichterfüllung und Haltung in jeder Lebenslage, wie schön muß das sein. So schön zu denken, das Land, auf das einst unsere Kinder werden den Fuß setzen, ist vom Frieden geweiht.

Wer die Bedeutung und die Größe dieses Gedankens recht ermessen kann, dessen Schmerz muß dabei gelindert werden, den der Krieg durch seine Opfer verursachte. Selbst der keine eigenen Kinder besitzt muß das fühlen; denn es geht hier um das Große, Ganze, um die Zukunft des jungen Deutschlands, um Deutschlands ewigen Bestand.

Du! Ich sehnte mich heute so nach Dir. Ich kann die Freude, die ich erlebe, allein garnicht mehr feiern. Ich will sie teilen mit Dir. Ich bin hinaus gefahren mit meinem Rad, bis ziemlich nach Kaufungen. Und als ich die Straße entlang fuhr und mein Herz so übervoll war des Dankes und der Freude, da sah ich zur Linken das Wäldchen winken, das ich in einer Mondnacht einmal so glücklich sah mit Dir. Weißt Du noch? Es war an meinem 20. Geburtstag.

Zu dieser Stelle zog es mich hin, und ich stand eine ganze Weile still und versonnen, und träumte mich zurück und glaubte, Dich ganz nahe bei mir zu spüren.

Liebster! Ein Dankgebet fand ich und es kamen mir Tränen, weil ich so glücklich bin in unsrer Liebe.

Du! Mein Ein und Alles! Wie liebe ich Dich!

Bleib mir, Liebster! Herzallerliebster!

Deiner [Hilde].

Herzallerliebster!

Wenn ich nun an den morgigen Tag denke, meinen letzten, in dieser vertrauten Stätte, so bewegen mich Freude und Wehmut zugleich. Freude über den endlich freien Blick, den ich damit gewinne für unseren Weg, unser Ziel. Die Arbeit, die ich nun verrichte, dient nur für unseren Zweck — es ist eine Vorarbeit — ein Einleben, Einfühlen in das, was meiner wartet:, ein eigener Hausstand.

Die Gedanken auf dieses gerichtet, empfinde ich große Freude, Du!

Und scheiden muß ich in ein paar Stunden von der vertrauten [U]mgebung, die mich 5 Jahre lang umfing.

Um meine damit verlorene Arbeit gräme ich mich nicht, sie hat mich kaum erfüllt —, hätte ich durch ihren Lohn nicht die Freude am Schaffen, am eigenen Besitz schaffen, erlebt, ich wäre ihr längst untreu geworden. Die Menschen blieben mir mehr oder weniger fremd, bis auf einzelne, und das Scheiden wäre mir so leicht, wenn nicht Eine neben mir säße, der fast das Herz bricht vor Schmerz um ihr verlorenes Glück. [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

Sie hält mich fest durch ihren Anblick. Was täte ich, nur um sie wieder froh und glücklich zu sehen. Doch ich kann nichts tun, als sie mit aller Liebe und Behutsamkeit zu umgeben, deren eine mitfühlende Kameradin fähig ist — und das will ich, solang ich noch hier in Oberfrohna bin, reichlich tun.

Helferin zwar wird ihr nur die Zeit sein können, Trost ist hier schwerlich am Platze.

Ich will morgen stark sein, es geht ja alles vorüber.

Wer könnte mich wohl besser verstehen, als Du?

Wer könnte wohl ebenso fühlen, was in mir vorgeht?

Du! Nur Du! Herzallerliebster, mein [Roland]!

Es ist eine schwere Zeit, in die alle unsere entscheidenden Schritte fallen. Es muß sein.

Liebster! Und nun halte ich wieder Deinen Brief in Händen, Deine lieben, so vertrauten Zeichen sehen mich an. Es ist, als sprächest Du selbst zu mir, nähmest mich warm bei der Hand um mich hinauszuführen in unsere Welt, hinzuführen auf unseren Weg in's Leben, das wir gemeinsam suchen wollen. Und ich fürchte mich garnicht vor den Steinen, die da liegen könnten; vor der Finsternis, die uns drohen möchte — Du bist bei mir was kann mir da drohen? Dem Mutigen hilft Gott. [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

Einmal schon schreibst Du mir diese Worte, und sie sollen unser Wahlspruch sein.

Das Vertrauen auf Gottes Güte und Gnade, die Gewißheit unserer tiefen, unerschütterlichen Liebe und Treue, Du! Im Aufblick zu diesen Zeichen lasse ich die Tür ins Schloß fallen ohne Zaudern; um frohgemut, mit erhobenem Kopf den Schritt über die Schwelle zu setzen, die in unser Leben führt, Liebster!

Liegt auch alles noch dunkel vor uns, im schweren Dunste des Kriegsunwetters, einmal muß doch die Sonne siegreich durchbrechen, die Sieges- und Friedenssonne, und sie wird alles ringsum verklären mit ihrem milden Scheine.

Ich danke Gott, Du! Daß Du mein bist. Ich will ihn immer wieder bitten, daß er mir Dich erhält. Es gibt keinen Menschen auf Erden, den ich so liebe wie Dich.

Dich lieben kann ich nur einmal. Ich will Dir gehören, ich will mit Dir gehen für alle Zeiten.

Komm, Liebster! Komm bald zu

Deiner [Hilde].

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Kommentare

In diesem Teil des Briefes ist Hilde sehr begeistert vom Krieg. Sie freut sich, dass sie diese Zeit miterleben darf und ist fest davon überzeugt, dass Deutschland den Krieg gewinnen wird.

<blockquote>Dürfen wir nicht mächtig stolz sein auf sie?
[Ic]h glaube an unseren Sieg. Ich glaube ganz fest daran.

Und er kann nicht mehr allzu fern sein.

Ach Du! Es ist ja alles, alles was dann kommt, uns winkt kaum auszudenken — fast zu schön, um wahr zu sein.

Gebe Gott unseren Tapferen allen sein Geleite, möge er sie siegreich die große Aufgabe erfüllen lassen unter seinem Schutze.

Daß wir Deutsche diese Zeit erleben dürfen, es ist doch bei allen Opfern auch eine Gnade. Werden nicht alle Menschen durch das [ge]meinsame Kämpfen, Ringen, Erleben und Schaffen, das sich alles um das Eine dreht enger miteinander verbunden?, werden sie sich nicht glückhaft der festen Zusammengehörigkeit bewußt, und der tiefen Verbundenheit mit unser[e]m Volke?
</blockquote>

Wie man sieht denkt Hilde nur noch an den Sieg und nicht an die Opfer.

Einordnung
Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.400530-002-01f.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946