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Briefkorpus

Oberfrohna, am 6. Mai 1940.

Herzallerliebster! Mein lieber, lieber [Roland]!

Den ersten Brief schreibe ich Dir nun von dem schönen Blumenbriefpapier, das Du mir schenktest. Eigentlich müβte es ein besonders lieber Brief werden, Du?! Weißt, seit wir uns so lieb haben, daβ es vieler Worte garnicht bedarf, um allem Glücklichsein, aller Liebe und Dankbarkeit Ausdruck zu geben, seitdem betrachte ich alles Geschriebene für Dich so kritisch, so mit anderen Augen, ob sich auch wahrhaftig die Stimmung widerspiegelt, die mich im Innern bewegt. Es ist oft schwer. Es scheinen die Zeichen so matt und glanzlos, dem wirklichen Erleben und Empfinden gegenüber. Du kennst mich, Liebster! Du liebst mich, Du verstehst mich. Das kann mich trösten darüber. Und — müβten wir nicht bangen vor der Zukunft, wenn alles, was wir einander ausdrücken möchten erst zu Papier gebracht werden muß? Damit es recht verständlich und glaubhaft wird?

Zu wessen Herzen das tiefe, innige Verstehen der Liebe wohnt, die weiβ ein Wort, einen Blick, einen Händedruck recht zu werten, oft vielleicht mehr als Geschriebenes.

Wunderbares Gefühl, köstlicher Besitz im wortlosen Sichverstehen.

Wiederum — unsere Briefe sind ein wertvolles Pfand unsrer Liebe. Sie wahren die Geschichte unsrer Liebe in ihrem Innern von ihrer Entstehung an; besser, als wir sie in unsrer Seele wahren können — die Zeit, die nicht spurlos an uns vorbei geht, läβt sie verblassen. Meine Unzufriedenheit spüre ich erst so deutlich, seit die Liebe Macht über mich gewonnen hat, ihre Macht ist so groβ, sie überstrahlt alles. So aber wie ich dies nun empfinde, muβ es wohl auch sein; denn sieh, unser Weg nimmt ja nun die Wendung, da wir uns nur auf's Persönliche einstellen müssen. Es ist also ganz natürlich, wenn ich fühle, daβ ich mich Dir persönlich gegenüber besser ausdrücken kann. Du Liebster! Ist es nicht ein gutes Zeichen? Dürfen wir darum nicht auch ganz getrost und zuversichtlich dem Kommenden entgegen sehen? Ich freue mich auf das Leben an Deiner Seite, Du!

Glaubst Du mir, daβ ich es schwer ohne Dich ertrage?

Wenn Du, wie vergangen, mehrere Tage um mich warst, empfinde ich hernach die Leere doppelt. Es war gut, daβ sich die wenigen Tage bis zur neuen Woche auffüllten mit reichlich Beschäftigung — ich [k]am so weniger zum Grübeln und Denken.

So viel Freude, so viele helle Tage stehen uns bevor, Herzallerliebster! Nur noch 4 Tage trennen uns vom Wiedersehen, Du! Dann darf ich Dich, so Gott will, für eine ganze Woche in die Arme schlieβen. Äuβerlich herrscht ja heute hier absolut keine freudige Urlaubstimmung, es regnet, als wäre eine bestimmte Litermenge Wasser bestellt, schon seit Freitagabend. Aber ich bin innerlich schon ganz bereit, den Urlaub in zweckmäβiger Stimmung anzutreten; der erste Sonnenstrahl wir[d] das Ganze jedoch erst krönen. Eben habe ich nochmal Deine Ferienzeit gelesen in der heutigen Zeitung, Du hattest schon recht — bissel wenig, ja? Na, wir werden die Tage ein wenig verlängern in den Abend hinein, was meinst Du? Ist die Festlegung der Sommerferien nicht prachtvoll? Ich will zwar nicht vorzeitig posaunen, aber — mir scheint, Du! Das ganze Festprogramm: ‚[Nordhoff-Laube]' will sich zum Guten wenden! Wie müβt ein Optimist sagen? Anfang gut — alles gut? Ich glaube und vertraue. 10. Juli: mit schwungvollem Krach die Schulzimmertür ins Schloβ geworfen von einem Jungesellen!! Am 29. August: wer drückt so schwerfällig die Klinke herab? Es ist der neubackene Ehemann! Was lest ihr wohl aus seiner Miene? Pfui — wer wird soo neugierig sein!

(Ich wollt', ich wäre um diese Zeit Deine Schülerin.)

Wirst Du am Sonnabend mit dem Rad nach Haus gefahren sein? Ich hab['] so oft Eurer gedacht — ich freue mich auf Dein Erzählen. Hoffentlich sitzt Du jetzt wieder gesund und wohlauf in Schmilka. Es ist keine Kleinigkeit bei diesem Wetter per Rad zu reisen.

Wie Du weißt, waren wir am Sonnabend in Chemnitz. Alle geplanten Einkäufe sind erledigt. Du! Ich bin sehr zufrieden über die Wahl, die ich bei meinem Brautkleid traf. Es ist eine gute Seide in mittleren Preislage, die Art eignet sich vorzüglich zu meinem Schnitt; schwer, flieβend, von einem ganz matten Schimmer wie Elfenbein. Wenn die Schneiderin ihr üb[lich]es tut, dann verspreche ich mir den gewünschten Erfolg,: daβ ich Dir gefalle, Du! Mein Dickerle! Einen ganz zarten Schleier schenkte meine Mutsch. Ach, man kauft schon vorteilhafter in Chemnitz, als hier in Limbach. Meine Auflagen habe ich nun auch erstanden und zwar bei Paradies-Betten Steinert am Markt. Wir gingen alle Geschäfte durch dieser Art, die wir nur auffinden konnten. Schwer war es, einmal gab es keine mehr, einmal waren sie zu gering, einmal zu klein, einmal war nur noch eine da. Die wir kauften sind prima in der Qualität, gut in der Farbe — blau mit braungold unten, oben mareo- oder rohfarben; allerdings ist eine Auflage im Muster ein wenig anders, doch das tut nichts, es ist ja unten. Ach, und Auflagematratzen haben die, ich möchte sie am liebsten da kaufen[.] Denk nur, das Neueste sind anstatt Stahlmatratzen, Lattenroste aus ganz biegsamen, elastischem Holze. Sowas Schönes, Einfaches und Sauberes sah ich noch nirgends. Du muβt es Dir unbedingt einmal ansehen. Wenn unser Tischler in Kamenz keine Stahlmatratzen dabei hat, dann möchte ich sofort diese Art, sie sagt mir und auch Mutter sehr zu. Kann uns Herr H. denn 'was liefern? In Chemnitz bei Steinert bekomme ich gegen meinen Bezugschein ohne Schwiergkeiten Matratzengarnituren, wie mir Bescheid wurde. Das wäre also zu bedenken. Wenn sich bei unsrer gemeinsamen Fahrt nach Schmilka Gelegenheit bietet, können wir uns das ja mal ansehen, dann magst Du auch urteilen.

Einen Hut hab ich gekauft, Du! Ich hab ‚derwegen’ bissel Angst! Er ist modern — sehr modern! Er ist aus Stroh, aus dunkelblauem Stroh — er hat etwas mit unseren Soldatenliedern gemeins[a]m: Erika! Nun mache Dir ein Bild! Aber trotz alledem, er kleidet mich und das war ja schlieβlich und endlich der Grund, daß ich ihn haben mußte. Nun setze Dich fest auf Deinen Hosenboden: er kostet 18,75 RM! Achtzehnfünfundsiebenzig. Sei nicht erregt, rolle nicht mit den Augen, Du! Es ist ja der letzte Hut, den sich ‚[Hilde] ledig’ kauft!!

Wehe, wenn ich Dir nicht gefalle, Du! Du! Ich............!

Abends um ½ 8 langten wir bei M.ens an, wir sind über Nacht geblieben und um 9 früh mit dem Bus nach Hause. Da erwartete mich ja die nette Überraschung von einem gewissen Schlingel aus Schmilka. Na, ich glaube nun hab ich Dir für heute wieder alles gebeichtet, was noch hinzukommt, will ich Dir in Form einer Ohrenbeichte an's Herz legen. Die übrigen Glieder unserer Familie liegen in zwei Betten verteilt, [^] und schlafen, ich soll Dich recht herzlich grüβen u. einladen für das Fest! Ich will nun nur noch Dich; weiter garnichts, hörst Du? Will auch nicht mehr schreiben; will, daβ die Tage schnell vergehen bis zum Freitag — dann kann die Zeit stille stehen bis zum 13. Juli: Ich warte auf Dich, Du! Ich sehne mich nach Dir, Herzallerliebster Du! Ich will glücklich sein mit Dir, Du mein geliebter [Roland] Behüt Dich Gott!

Ich liebe Dich von ganzem Herzen!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946