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Briefkorpus

Schmilka am 6. Mai 1940.

Herzallerliebste, meine liebe [Hilde] Du!

Hast meinen Boten recht vermißt, Herzliebes? Gestern konnte er nicht kommen, gestern ging einmal das Zuhause vor, Du! Ach es waren ein paar bewegte Tage. Am Freitag stellte man mich vor die Wahl, Soldat zu werden, Flugmeldedienst auf dem Winterberg, der Vorgesetzte sucht dringend einen Mann und wandte sich gütig anfragend zuerst an mich, weil ich mich einmal dazu bereit erklärte. Gefühlsmäßig war meine Wahl schnell getroffen, jetzt auf meinem Posten auszuhalten. Nur ein paar Vernunftgründe ließen mich doch ein wenig zaudern. Ich erzähle Dir daran.

Donnerstagabend fand ich eine Vorladung zur Untersuchung in Pirna für Freitag vormittag 9 Uhr. Das ging natürlich nicht gut an. Ich meldete mich nun für Montagsvormittag. Und nun die große Heimreise mit dem Rad. In diesen Plan [h]atte ich mich so verbissen, daß ich das Rädel um 1 Uhr bestieg, obwohl es ein wenig näßte. Am Anfang, im Tale, gings ganz gut. Nässer und durcher wurde Dein [Roland]. Auf der Höhe gab es regelrechten Regen und kräftigen Wind. Ich war nahe daran aufzugeben. Und zwang es dann doch. ¾ 6 Uhr langte ich in Kamenz an. Die Nässe verlangsamte die Fahrt bedeutend. Wie ein Schwein kam ich an. Schuhe durch, als sei ich gelaufen. Hosen durch und mit braunen Stra Streifen durchzogen vom abfärbenden Regenmantel. Aber ich hatte nun meinen Willen und fand heimische Behaglichkeit, die den Schaden bald heilte.

Ich trafe [sic] zu Hause alles wohl, auch Siegfried, unseren Soldaten. 14 Tage hat er Urlaub. Am Pfingstsonntag muß er wieder reisen. Nun haben wir Hellmuth telefonisch für Sonntag eingeladen. Abendbrot. Ich habe mächtig zugelangt. Und dann Erzählen und Bildertauschen. Sonntagvormittag habe ich gebraucht, um mich wieder instandzusehen. Am Nachmittag erschienen auf 4 Stunden Hellmuth und Elfriede. So kurz nur, Hellmuth hatte keinen Urlaub. So waren wir tatsächlich wieder einmal aus allen Winden gesund beisammen, und jeder empfand die Kostbarkeit und Seltenheit und Kürze und drängenden Unrast dieser wenigen Stunden. Als Helmuth eintrat in Uniform, begann der kleine so sehr zu lachen und steckte uns damit alle an, Hellmuth sieht in seiner Uniform aus, als wollte er eine Soldatenkomödie spielen.

Na, nun wurde erzählt und gefragt, erst bei Kaffee und Kuchen, dann bei einer guten Waldmeisterbowle, und dabei ist selbstredend auch Eurer gedacht worden, und Deiner, und unsres festes [sic], Du!  Aber das kann ich Dir jetzt nicht alles schreiben. Ich möchte diese Zeilen jetzt gern noch zur Post geben. Bis 5 Uhr habe ich heute Unterricht gehalten, weil ich am Vormittag zur Untersuchung war. Von Kamenz bin ich heute früh nach Pirna gefahren. Die Untersuchung war kurz, oberflächlich und ganz harmlos, erstreckte sich nur auf die edlen Organe. Hätte auch dem Fräulein Doktor (!) das andre nicht gezeigt. Zu Hause angekommen fand ich Euren Eilboten vor. Vielen Dank. Seid alle herzlich gegrüßt.

Dich aber, Herzallerliebste, behüte Gott! Bleibe froh und gesund. Bald darf ich zu Dir. Das beste gelt die Arbeit, die noch zu erledigen ist. Herzallerliebste, Du meine liebe [Hilde]!

Du bist mein! Ich bin Dein!

Ich liebe dich von ganzen Herzen!

Dein [Roland].

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W ie kostbar die wenigen Stunden des Zusammentreffens waren, weiß ich auch noch. 2X kam mein Vater Heiligabend in Uniform erst zum Abend. Meine Mutter fuhr manchmal dahin, wo Vater stationiert war. Es konnte ja jedesmal das letzte Wiedersehen sein !(Von der Insel Usedom nach Wien. )

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946