Bitte warten...

[OBF-400331-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 28. März 1940

Herzallerliebster, meine liebe, liebe [Hilde]!

Ach liebste, wie bitter und herb schmeckt der Dienst heute, nach unseren süßen Tagen, Du! So habe ich es lange nicht empfunden. Wäre ich in einer Stadt, ich müßte jetzt hinaus und mich unter Menschen bewegen. Nun bleibt mir nur der Ausweg, Dir zu schreiben. Soviel alte graue Arbeit, Aktenarbeit, steht wieder vor mir, meine Aufmerksamkeit, meine Gedanken, ich soll sie wieder teilen, und sie wollen doch nur zu Dir, Herzallerliebste, zu Dir! Liebste, sie gehören Dir so ganz, ich fühle es glücklich! Und ich habe es gemerkt, daß sie auch zu Hause Dir mehr gehören als den Eltern. Es ist mir heute darum ein wenig leid um sie. Wir wollen unsre Eltern gegenseitig recht lieb behalten und wollen uns dankbar erzeigen. Aber es muß wohl so gehen, wenn ein neues Paar glücklich werden will, und vor der Hochzeit muß wohl jedes von uns empfinden: ich halt es nicht mehr aus allein. Du, heute ist mir so, Herzallerliebste, Du!

Am Freitag.

Zwingen muß ich mich zur Arbeit, Du! Wut habe ich auf die Behörde. Die ist ja von allen Geistern verlassen. Ferien waren das überhaupt nicht. Nichts gewisses ist mehr. Heute heißt es so, morgen anders. Gestern nahm ich die kleinen auf, heute kommt eine Anweisung: ‚Das Schuljahr beginnt am 1. April. Die Schulanfänger sind am Montag aufzunehmen. Die Verkürzung der Ferien wird davon nicht berührt‘. Mit Neuigkeiten immer hinterher, so arbeiten die. Wahrscheinlich schreiben sie am Dienstag, daß der Unterricht erst Montag den 1. April aufzumehmen ist, diese Schafsköpfe. Na, wenn wieder mal Kälteferien sein sollten, oder wenn nächstens mein Kohlenvorrat ausgeht, werde ich besser sehen, wo ich bleibe. Liebste! Jetzt kommst auch Du aus dem Geschäft. Es ist noch nicht hell und wir könnten so schön noch ein Stündchen ausgehen. Genau nach Westen senkt sich die Sonne in diesen Tagen, zu Dir, Herzliebes. Ich sehne mich so nach Dir, Du! Ich möchte bei Dir sein! Morgen werde ich ein Zeichen von Deiner Hand erhalten! Wie ich darauf warte, Du, wie ich mich darauf freue, Herzallerliebste!

Am Sonnabend.

Herzallerliebste, Du, über alles Geliebte! Wie glücklich machst Du mich mit Dienem lieben Brief! Was ist mir, daß ich s[o] sehnsüchtig warte auf Dein Zeichen? Ach Du, ich liebe Dich so sehr! Ich hätte ja gar nichts anderes erwarten können. Und doch, Du! Daß du mir sagst, wie Du mich liebst, und wie Du es sagst, Herzlieb, viel schöner und echter als alle Gedichte, das tut mir so wohl, das ist so tröstlich, das macht mich so glücklich. Daß Du (noch) mich so beglücken kannst, nur Du! Herzliebes!, das mag Dir auch der schönste Dank sein, ich kann Dir jetzt keinen anderen bringen. Und nun sitzen wir wie zwei Vögel im Käfig gefangen, Du hier, ich da, und möchten so gern zueinander und können doch nicht, das Muß hält uns gefangen. Aber wir hoffen darauf, daß sich die Stäbe nun bald für immer auseinander tun, Du! Daß ich Dich, Geliebte, heimführen darf, wie im Märchen, und hoffen darauf, daß es auch wie im Märchen von uns heißen soll: und sie lebten noch viele Jahre glücklich und zufrieden. Noch vieles will getan sein bis dahin, viel böse Hindernisse drohen und können sich uns in den Weg stellen. Aber wir wollen uns rühren und Gott vertrauen. Gott vertrauen nicht aus Bequemlichkeit und Aberglauben, sondern weil wir Gott über uns erkennen und seine Hand über uns wissen. Wunderbar wie er uns zusammenführte. Alles ist bisher nach unserem Wunsch und Willen gegangen, Du, trotz aller Hindernisse. Und nun läßt er uns beide das Glück der Liebe so köstlich erfahren, läßt es mich an Deiner Seite so kindlich gläubig und froh erleben. Ist das etwas nichts Besonderes? Ist es nicht, was tausend and[e]re auch erleben? Ist es nicht nur die Laune des Zufalls? - Etwas Besonderes? Es ist für mich und Dich das Köstlichste auf Erden, unser Schatz, unser Alles, unser Glück! Es ist in meinem Leben eine Wendung, eine bedeutsame Entscheidung. Mein Streben und Trachten ging darnach, selbst etwas Bedeutendes darzustellen, mich an hervorragender Stelle unentbehrlich zu machen.  Auch das ist ein hohes Glück , Du!  Es blieb mir versagt.  Mancherlei Schickungen haben es verhindert.  Ein Weib soll ich gewinnen, so es ganz lieb gewinnen – – – und Du, Herzallerliebster!  Du verstehst mich.

Die Laune des Zufalls?  Nein Herzliebes. Wer sich Aufgaben stellt und sein Leben mit Sinn erfüllt, und wer es ohne Sinn und Aufgaben für wertlos hält, wie sollte der glauben, daβ dieses ganze Weltgetriebe ein dumpfer Mechanismus ist ohne Ziel und Plan.  Die Welt liefert uns dafür auch nicht einen schlagenden Beweis. Wer freilich selbst so dumpf dem Augenblicke[n] ergeben dahinlebt wie das Tier, der mag sich wohl den Zufall zum Gotte wählen. Seine ganz Würde empfängt unser Leben erst von der Vorstellung eines persönlichen Gottes. Nun ist die Seite beinahe wieder gefüllt.  Habe ich eine Predigt gehalten? Nein Herzliebes.  Ich hatte mir diese besinnlichen Zeilen gar nicht vorgenommen.  Ich wollte Dir nur schreiben, wie glücklich ich bin.  Und es müβte uns wohl schwindeln und unheimlich werden vor so viel Glück in dieser Zeit, wenn wir es nicht aus Gottes Hand dankbar nehmen.  So dachte ich, sorgend um unser Glück. Aus Gottes Hand nehmen, das bedeutet aber auch, daß wir jederzeit seine Aufgabe erkennen, daß wir das hohe Ziel nie aus den Augen verlieren.  Gott schenkt uns dieses Glück nicht, daß wir unsrer Lust frönen. Mit diesen Worten spiele ich keineswegs an. Gott weiβ, daβ wir beide guten Willens sind, und wir wollen nicht nachlassen ihn zu bitten, daβ er uns Kraft schenke zum Guten, daβ wir ihm gute Früchte tragen.

Herzlo Herzliebes! So froh und glücklich und dankbar gehe ich nun in diesen Sonntag. Will's Gott, in einer Woche, bin ich bei Dir.  Sei auch Du froh und glücklich bis dahin! Behüt Dich Gott!  Grüβe die lieben Eltern!

[Hilde], Du, Herzalleliebste, mein ganzes Glück, ich bin immer bei Dir, ich bin ganz Dein,

Ich liebe Dich so sehr! Du!

Dein [Roland].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

Schlagworte