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[OBF-400320-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 20. März 1940

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Bist doch wieder ein Schäfel, wie kannst Du Dich so ängsten! Als ich Dir schrieb, war doch schon wieder alles vorbei, fuhr doch der Fährdampfer schon wieder, ich habe doch meinen Brief schnell dahin gebracht. Schnell wie es kam, ist das Wasser gefallen. Großen Schaden hat es angerichtet in Schandau, in Wehlen. Ersaufen? Ersaufen konnte man im eigenen Keller. Aber sonst war von Lebensgefahr keine Rede. Die Schultüren haben sich zugetan heute mittag. Herzallerliebste! Die Hauptarbeit ist getan, und morgen um diese Stunde sehe ich den Weg frei für unsere Tage! Zweimal habe ich ein paar Nachtstunden drangesetzt, Montagabend und gestern abend. Morgen habe ich noch eine Anzahl Gänge zu besorgen und dann will ich rüsten für unser Stelldichein. Wenn alles nach Wunsch geht, werden wir seit langem wieder einmal in den Morgenstunden auf dem Hauptbahnhof uns treffen, wie in der Zeit, das wir verliebt waren, Du! Du! Herzliebes! Sind wir es nicht noch immer? Sind wir es nicht noch schlimmer? Werden wir es denn nicht immer sein?

So, jetzt gebe ich Auskunft! Paß auf, Schäfel! Ich werde 733 [Uhr] in Dresden sein. Du kannst in Chemnitz abfahren D610 [Uhr], kostet aber unnötig Zuschlag und der Zug ist vielleicht recht voll. Aber du kannst es ja versuchen, dann kommst Du D745 [Uhr] im Hauptbahnhof an. Andernfall's fährst Du mit dem Personenzug Chemnitz ab 628 [Uhr], Dresden an 838 [Uhr]. Zu beiden Zügen mußt Du in Oberfrohna 452 [Uhr]  abfahren. Laß Dich nicht zu sehr drücken auf der Bahn, laß Dich auch nicht abweisen! Wenn wir nur erst in Dresden sind, wenn wir nur erst beisammen sind, dann wollen wir uns schon einen Weg bahnen. Und weißt, wenn sie uns nicht fahren lassen, komme ich zu Dir auf dem Rad! Ich wollte aber hineintreten, es wäre mir eine Freude! Wir lassen unser Glück nicht stören. Aber dann wäre das erste, einmal in die Wanne! Es wird höchste Zeit. Hier kann ich nicht baden, weil es keine Kohlen gibt. Ach Liebste, ich höre nun auf. Ich möchte noch mancherlei schwatzen und es liefe doch alles darauf hinaus, daß ich mich so freue. Zweispännig wollen wir in Kamenz eintreffen, wie es sich für uns schickt. Zu Hause werde ich wieder einmal sein, und diesmal ganz ganz zu Hause, Herzliebes! Mit Dir bummeln, mit Dir froh sein und erleben, Musik hören und musizieren, an deiner Seite sitzen, ganz brav, Du! Und wenn die Eltern müde sind, dann werden die Brautleute erst munter und hören noch ein bissel Radio, und brauchen gar nicht viel Worte — und sind doch so glücklich!

Hellmuth hat sich wieder legen müssen wegen einer Mandelentzündung. Ich glaube kaum, daß er zu Ostern schon heraus darf. Sehr möglich, daß wir uns einmal nach Bautzen aufmachen, um ihn zu besuchen. Aber komm nur erst einmal! Wo wir dann auch sind, das ist so gleich. Und ein paar Stunden werden sein, die wir nicht zählen, die ganz uns gehören, Du! Du!

Nun behüt Dich Gott! Sei wieder ganz froh und getrost. Reise glücklich! Grüße Deine lieben Eltern.

Du lLiebste, ich will Dich recht bald wieder sehen, will in deinen Augen lesen, wie Duch mich liebst, will Dir zeigen, wie ich Dich liebste [sic]. Komm Liebste! Herzallerliebste! Laß Dich kaüssen, laß Dich herzen! Ich liebe Dich so sehr! Du! [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]



Dein [Roland].

Siehst Du, 4 mal habe ich mich verschrieben in diesem Schluß. Aber den vierten laß ich gleich stehen, der ist richtig.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946