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[OBF-400305-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 5. März 1940.

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Aus einem Deiner letzten Briefe leuchtete mir Deine ganze mädchenhafte Herzlichkeit, nach der ich mich früher so oft sehnte, von der ich, wenn ich sie bei anderen sah, hoffte, daβ sie mir einmal gelten möge. Und von Dir beglückt sie mich doppelt, weil ich weiβ, daβ sie ein Geschenk ist, das Du eigens für mich aufgehoben hast, das Du nur einem bringen kannst, den Du ganz lieb hast und dem Du ganz vertraust.

Heute nun hast Du in mir so groβe Freude angezündet, Herzallerliebste Du! Du! Ich muβ achtgeben, daβ sie nicht überschäumt. Liebste, es ist nicht nur die Freude auf unser Wiedersehen überhaupt, es ist die Freude auf unsere Stunden, Du! Nun will ich kommen und diese Freude mit Dir teilen. Herzliebes! Ich mag sie nur mit Dir teilen. Nur Du sollst sie sehen. Ich würde mich scheuen, sie anderen zu zeigen. Es ist unsere Freude, und so selten und groβ ist sie doch auch nur, weil sie unser Geheimnis ist. Wenn ich andere von der Ehe reden höre so alltäglich, gewöhnlich, geschäftlich, denke ich, ob sie denn nie etwas von dem Glück des Zweiseins erfahren haben, von dem Glück, das die alltäglichen, geschäftlichen Seiten so mächtig überstrahlt und in den Schatten stellt. Sie sahen und fanden es wohl nicht. Wir aber, Herzallerliebste, Du, wollen es hüten, es nähren und seine Quellen sauber halten, und wollen im Überschwange nicht vergessen, wer es uns schenkte.

Du, ich liebe Dich so sehr, Du, mein ganzes Glück! Träum süβ, Herzlieb,

von Deinem [Roland].

Herzallerliebste! Was soll ich Dir noch schreiben? Es scheint mir alles so wenig schreibenswert heute. Sonnabend, Sonntag, Montag fühlte ich mich sehr unwohl und fürchtete, ich müβte zwecks Radikalkur einmal den elterlichen Hafen anlaufen. Mein Schnupfen ist im Kopf halb steckengeblieben. Und nun zwickte und brummte es einmal hier, einmal da, dazu ein hartnäckiger Halsschmerz, der sich auch durch fleiβiges Gurgeln nicht vertreiben lieβ. Ich beschloβ, mein Nachtlager in meiner Wohnstube aufzuschlagen. Seitdem ist es besser. Die Halsschmerzen sind verschwunden, ich fühle mich wieder wohl. Als ich in meinen Sachen nach meinem seiden Schal wühlte, fiel Deiner mit heraus. Wie ich mich da gefreut habe! Weiβ nicht, er erinnert so an die Lichtenhainer Zeit, als wir uns doch schon liebhatten und doch Sie zueinander sagten. Wieviel heimliches Glück bedrängte mich damals schon, Du, o Du, solch stattliches Mädchen zu herbergen! Und nun bist Du mein geworden, Herzallerliebste! Ich weiβ nicht, ob Ihr Frauen auch so die Freude am eigensten Besitz kennt wie wir. Du glaubst ja nicht, wieviel Glück und Freude diese Worte umschlieβen: Du bist mein! Liebste, einmal habe ich nun auch gelacht, als ich Deinen Brief las: über den Sonnabendspuk dieser Person ‚Schäfel‘. Schön ‚gemacht‘ hattest Du Dich für mich? Da muβ ich doch mal genauer zusehen, bisher nahm ich an, es sei alles gewachsen an Dir. Wer den Schaden hat... Bist mir böse Schäfel? Auch dann noch, wenn ich der Schäfer sein will zu dem Schäfel? – So, öfter mag ich mich dieses Pseudonyms nicht bedienen, weiβ ja nicht, wieviel Kuβhände Strafe daraufstehen.

Nun soll ich bald alles wiederfinden, Euch Lieben alle, die vertrauten Räume, Dein Kämmerlein, Herzliebes, Dein Bettlein, Du, und Dich!, mein Lieb, soll mir Dein Herze [sic] wieder schenken lassen? O Du! Behüt Dich Gott!

Mein Herz ist voll Freude: Du bist mein!

Ich bin ganz Dein! Herzallerliebste! Ich liebe Dich so sehr!

Dein [Roland].

Bitte grüβe mir die lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946