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[OBF-400303-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 2. März 1940.

Herzallerliebster, mein lieber, lieber [Roland]!

Endlich ist Sonnabend..... so dachte ich heute und dabei war ich voller heimlicher Freude. Ich weiß selbst nicht wie es über mich kam, die ganzen Tage her freute ich mich so sehr — auf Dich, Du!

„Bis zum Sonnabend könnte ich nicht warten, Dir meine Hand zu reichen.“

Du! Das hat sich mir so eingeprägt, als ich am Donnerstag Deinen lieben Brief bekam.

Wie kam es nur, daß ich mir so fest einbildete, Du würdest mir am Sonnabend leibhaftig Deine liebe Hand reichen?

Weil ich so große Sehnsucht habe nach Dir — so große Sehnsucht. Ja, deshalb glaubte ich so fest daran, daß Du heute bei mir sein würdest.

So voll freudiger Erwartung bereitete ich alles vor, steckte die Eltern an mit meinem Drasch. Am Freitag habe ich gebacken, abends um ½ 9 nach dem Reinemachen, wir mußten auch noch baden, und vor lauter Aufregung ist mir der Aschkuchen daneben geraten — schliff, zu zeitig aus dem Ofen genommen. Heute waren wir schon um 3 Uhr ganz fertig zum Empfang. Der Sonntagsbraten brutzelte im Ofen, der Kartoffelsalat stand bereit. Onkel Fritz aus Mittelfrohna brachte mit dem 4 Zylinder die Wurst angefahren. Vater wollte Dich vom Zug abholen um 5, wie Du schon am letzten Male ankamst; ich wehrte es ihm, ich wollte Dich doch nur für mich haben im ersten Augenblick des Wiedersehens, Du! Und heute hätte ich Dich im Sonnenschein, bei strahlend blauem Himmel heimgeführt zu mir.

Niemand kam, den ich unter Tausenden hätte herausgefunden. Ein wenig enttäuscht war ich, doch die Hoffnung, daß Du eine Stunde später würdest kommen, blieb. Zum nächsten Zuge wollte Vater, ich ließ ihn gehen — er kam allein zurück.

„Nun sage bloß, hat denn [Roland] geschrieben, daß er heute kommen will?“ — „Nein!“ — „Na, wie kannst Du ihn dann so fest erwarten?“ „Ich hab‘ daran geglaubt!“

Nun lachen sie mich aus und nennen mich ein Schäfel, ich lache und scherze mit, spiele auch ein bissl die Beleidigte wenn’s toll wird.

Du! Nun bin ich doch ein wenig traurig.

Heute hatte ich mich schön gemacht, für Dich, Du! Nun sind die Eltern schlafen gegangen, ich bin allein i[n] uns[e]rer Stube, warm ist es — so schön warm und die Uhr zeigt erst ¼ 9.

Ich denke an Dich, Liebster! Herzallerliebster! Ich habe Dich so sehr lieb, Du!

Warum mußte ich mich so sehr auf Dich freuen?

Mein Bettlein wartet auf mich, es ist frisch bezogen, ich will hinüber zu ihm, es ist mir heute der liebste Trost. Ein wenig soll das Licht noch brennen, daß ich Dich noch lange sehen kann, ehe ich einschlafen werde. Warten muß ich, noch eine lange Nacht, bis Dein Bote anklopft.

Du! Sag, hast Du auch Sehnsucht nach mir?

Liebster, bitte denk an mich, wie ich an Dich denken werde, wenn ich im Bett liege.

Ich möchte so sehr gerne bei Dir sein, Herzallerliebster! Behüt dich Gott! Schlaf wohl!

Ich küsse Dich, Du! Du!

Deine [Hilde].

Herzallerliebster, mein [Roland]!

Nun bist Du doch zu mir gekommen heute früh, durch Deinen lieben Boten. Ich danke Dir recht sehr, Du!, ich fühlte Dich ganz bei mir und ich weiß, daß Du auch jetzt noch bei mir bist in Gedanken.

Heute bin ich gar nicht mehr traurig — Du! Vergangene Nacht warst Du im Traum bei mir, ganz nahe, Liebster! Ich war so glücklich darüber als ich las, auch Du sehnst Dich nach mir. Will's Gott, dürfen wir am nächsten Wochenende uns gehören Du!, dann wollen wir uns umso froher und dankbarer in die Augen blicken und unsrer Nähe freuen. Liebster, auch Du halt Dich schön warm, beuge ein wenig vor, damit die Grippe Dich nicht packen kann. Bei uns hier geht sie auch um, man muß vorsichtig sein. Das Wetter täuscht jetzt so sehr; in den letzten Tagen meinte man, der Frühling sei da und im Moment jetzt schneit es g[e]rade mal. Wir werden heute nicht rausgehen, ich helfe dann der Mutter Wäsche nähen.

Ich hab auch noch etwas Besonderes vor, das ich heute unbedingt erledigen muß, um es morgen früh zur Weitergabe zu bringen. Du wirst es schon in den nächsten Tagen erfahren, Dienstag rechne ich. Du darfst nicht um den Sonntagskaffee kommen, mein [Roland]! Es geschah alles, indem wir die Gedanken auf Dich richteten, nun wollen wir auch gemeinsame Freude erleben — uns allen würde es sonst heute nicht schmecken. Wirst Dich nun anschicken zum Gottesdienst zu gehen. Ich bin froh darüber, daß Du ihn mit ausschmücken darfst — ich wünsche mir, einmal mit dabei zu sein. Ostern, Du! Wenn ich bei Euch in Kamenz bin, wollen wir miteinander zur Kirche, ich freue mich drauf. Ich las schon in der Zeitung von den sonderbaren Ferien, hab die Tage schon angestrichen auf meinem Kalender. Unsre Ferienpläne müssen wir vorderhand auf später vertagen. Werden wir denn die lieben Soldaten daheim begrüßen können, zu Ostern? Der Hellmuth tut mir leid, hoffentlich kann er sich erst wieder richtig erholen, ehe er Dienst tun muß. Bitte grüße ihn auch recht herzlich von mir, wenn Du wieder schreibst.

Ja, Liebster! Und Siegfried's Geburtstagspaketchen ist schon seit Donnerstag in voller Fahrt gen Westen. Da staunst Du, ja? Als Deine liebe Mutter die Heiratsurkunde schickte, sandte sie auch ein paar Zeilen an mich und daher......

Wir haben ein ½ [Pfund] Pralinen erwischt und die habe ich in das Herz vom Weihnachtsmann gefüllt und Siegfried geschickt mit einer Gratulation. Einen Moment lang hatte ich ganz dumme Gedanken dabei: das Herz — es ist ja nur von Pappe — mein Herz, mein richtiges Herz, das ist doch ganz Dein, Herzallerliebster! So viel ist noch in mir, was ich Dir schreiben könnte, aber das, was ich heute und immer für Dich empfinde, vermöchte es doch nicht auszudrücken.

Liebster! Mein Liebster! Heute will ich Dir nur noch sagen, daß ich wieder ganz froh bin, daß ich voll Sehnsucht auf Dich warten werde, bis ich Dich, mein ganzes Glück in meinen Armen halten kann und Dir sagen[.] Ich liebe Dich, Du! aus tiefsten Herzen!

Deine [Hilde].

Behüt Dich Gott! Möge er Dich gesund u. froh zu mir führen.

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.400303-002-01b.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946