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[OBF-400228-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 28. Februar 1940.

Herzallerliebste, meine liebe liebe [Hilde]!

Mittwoch ist. Du streckst mir Deine liebe Patschhand herüber, Herzliebes, und ich könnte nicht bis zum Sonnabend warten, Dir die meine zu reichen. Sei herzlich bedankt für Deinen Brief. Du! Lieberes könnte mir niemand schreiben. Daß Du Dich an mich lehnst und mir Dein Herz schenkst, Herzallerliebste, macht mich unsagbar glücklich.

Um unsre äußere Stellung zueinander vor den Menschen mache ich mir nicht die geringste Sorge mehr. Ich habe so großes Vertrauen zu Dir! Ich weiß, daß ich mit Dir nur Ehre einlegen werde, daß es meiner schützenden Hand kaum bedürfen wird. Wo Bosheit uns kränken will, ziehen wir uns zurück auf unseren guten Stolz. Zu Frau S. kommt oft eine Lehrerswitwe, Ende der Fünfziger, eine stattliche, aristrokratische Erscheinung, aber — wie ich nun langsam gemerkt habe — eine ganz natürliche, schlichte Frau von einfachem Herkommen, sie stammt aus dem Egerland. Als ich am Sonntag vom Winterberg heimkehrte, war sie wieder da. Der Kohlenersparnis wegen kroch ich mit bei Frau S. unter. Im Laufe der Unterhaltung äußerte Frau S. den Wunsch, ziemlich unvermittelt, Dich im Bild zu sehen. Ich erfüllte ihn gern, gerade ihr. Sie mag sich schon ein Bild gemacht haben von Dir, und ich erlebte nun die große Freude, daß sie dieses Bild irgendwie bestätigt fand. Diese Frau hat selbst eine Tochter. Sie ist gegenwärtig Haushaltslehrerin in Bayern, gelernte Kindergärtnerin, ein Jahr als Pflegerin in Holland, eine Zeitlang in Staatsdiensten Turn- u. Handarbeitslehrerin mit Motorrad, dann an der Haushaltsschule zu Radeburg, zu B.d.M.-Führerinnenkursen in Ostpreußen und Schlesien, zählt nun 28 Lenze. Das alles erzählte mir diese Frau. Dieses Mädchen hatte schon viele Gelegenheiten, hatte auch schon längere Bekanntschaften, aber sie hielten nicht. Es ist nun so selbstständig und herrisch geworden — Erbteil von Vaters Seite — gar nicht anschmiegsam, auch so unruhig, in seiner Neigung unsicher und flach. Herzallerliebste, warum ich das so ausführlich Dir schreibe? In dieser Stunde empfand ich so tief das Glück Deiner, unsrer Liebe, fand ich bestätigt, was ich schon oft beobachtete und fühlte. (Dies[e] Frau S. ist selbst nicht zufrieden mit ihrer Tochter) Hat dieser Lebenslauf nicht etwas Bestechendes, Glanzvolles? Er hat auch eine Kehrseite: Härte und Unrast dieses Lebens haben ein Mannweib geformt. Herzallerliebste, Du! So wie Du bist, liebe ich Dich! Und ich weiß, daß ich so wie Dich niemanden wieder finden würde, und ich fühle, daß wir beide ganz zueinander passen, daß wir beide zueinander gehören für immer, Herzallerliebste, Du! Behüte Dich Gott, Herzallerliebste! Ich halte Deine liebe Hand ganz fest. Ich möchte Dich ganz herüberziehen zu mir, Du Süße, Feine! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich von ganzem Herzen!

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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