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[OBF-391208-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 8. Dezember 1939.

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Ach könntest Du hier sein zu sehen, wie warm mir wird ums Herz, wenn Du so Dich anlehnst und mir vertraust und mich liebst, Herzliebes, Du, es gehört zu meinem Liebesglück. Und von meiner Wärme will ich Dir abgeben, soviel ich kann.

Herzliebes! Wenn ich frage, welchen Sinn es wohl hat, daß wir uns fanden und zusammentaten — daß es einen Sinn hat, glaube ich fest — dann kommt mir als Antwort zuerst: Ich soll Dich schützen und führen, Du sollst mich Liebe und Güte lehren. Ach, Herzallerliebste! Zu denken und zu wissen, daß unser Weg einen Sinn hat vor Gott, das ist schon ein so reicher Trost. Was auch geschieht, es ist gut so, es ist von Gott, ist nicht unnütz und vergebens — Liebste, daß wir diesen Glauben haben ist eine große Gnade und ein großes Glück. Und ein kleiner Schritt ist es von da zu dem Vertrauen in Gottes Güte und Gnade und Gerechtigkeit,: er belastet uns nach unseren Kräften und Gaben, er hat unser Bestes im Auge.

Herzliebes, dieser Glaube ist ein fester guter Anker in der Verworrenheit unsrer Tage, er ist der einzige. Und dieses Glaubens dürfen wir Menschen gewiß sein, seit der Heiland über diese Erde ging. Diesem Glauben will ich treu bleiben und koste es mich Amt und Würden.

Seit ich Dich fand, habe ich wieder beten gelernt. Ich schäme mich dessen nicht. Ohne große Erschütterungen äußerer Art, ist mein Leben lange dahingegangen. In der guten und sicheren Obhut der Eltern habe ich den Ernst des großen Krieges und Vaters böser, jahrelanger Krankheit noch nicht tief empfunden. In der Not der Entwicklungsjahre habe ich mich zuerst wieder auf mein Kindergebet besonnen. Das lange Krankenlager in Bayern, Großmutters Tod, die Liebe zu Dir, das neue Kriegsunglück: sie haben mir die Hände zusammengepreßt, und gefaltet zum Gebet. Ich will sie nun immer falten, auch in guten Tagen. Herzliebes! An wieviel schwachen, dünnen Fäden hängt unser Liebesglück, wenn wir nur an den wankelmütigen, launischen Zufall glauben wollten. Wir müßten vergehen vor Angst und Weh, wenn wir nicht um Gottes Plan und Führung wüßten. So wie Du war auch ich gerade am Mittwoch bedrückt und niedergeschlagen.

Die Finnen tun mir so leid. Und der Gedanke, daß der Russe den Finnen vergewaltigt mit unsrer stillen Billigung, läßt mich wieder einmal zweifeln und irre werden an allem. Furchtbar verworren ist die Welt. Wo ist noch Recht und Wahrheit, Gut und Böse? Wohinaus will das alles? Bricht Gottes Gericht herein über die Menschen? Viele Menschen täuschen sich über den Ernst und die Schwere unsrer Zeit hinweg, erkennen sie gar nicht oder betäuben sich, sehen nur die Unsicherheit des Lebens überall und leben deshalb in den Tag hinein, sie stellen nicht die Frage nach dem Sinn uns[e]rer Zeit und spüren nicht den Finger Gottes.

Sie sind arm, und ihre Fröhlichkeit ist falsche, kurzsichtige Fröhlichkeit. Sie wissen nicht um die große heilige Freude, der wir jetzt zu Weihnachten wieder teilhaftig werden, sie spüren nicht die Kraft, die davon ausgeht und die Menschen so fest zusammenbindet zu gegenseitigem Lieben und Helfen. Herzallerliebste! Auch das kann Dich ein wenig getrost machen: unsre Lieben sorgen sich und helfen und raten mit uns.

Aber so schwach und verzagt bist Du ja auch selbst nicht. Das habe ich schon erfahren.

Deine große Liebe macht mich so froh, sie gibt mir Kraft und Entschlossenheit, nach dem rechten Weg zu spüren. Ach Herzliebes! An Deiner Liebe habe ich eigentlich nie gezweifelt. Bange war ich nur darum, daß ich sie würde auch erwidern können, und bange darum, daß Deine Liebe würde Genüge finden an mir. Aber nun bist Du ganz mein Eigen, das ich festhalte mit meiner ganzen Liebe, meiner ganzen Treue. Wetteifern will ich mit Dir um die Liebe.

Herzallerliebste! Sei wieder froh und getrost.

Gott behüte Dich mir!

Du bist mein Liebstes, mein Bestes, Du, meine liebe [Hilde]!

Dein [Roland].

Über den Dresdner Weihnachtsmann bin ich gleich einmal nach Hause gefahren.

Bitte grüße die Eltern.

 

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946