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[OBF-390920-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 20. Sept. 1939.

Meine liebe, liebe [Hilde]!

Zwei graue, finstere Regentage waren der Hintergrund zu unserem Wiedersehen am Sonntag; aber für mein Herz waren es zwei selten warme, sonnige Tage, Du Liebste, Herzallerliebste!, Du Zauberer, Du Herzenbrecher! Und nun denk nur, der Platz den Du heute einnimmst, er war leer bisher. Ganz leer nicht, ein Traumgebilde, oder eine von ferne Angebetete nahm ihn ein, aber nun ein leibhaftiges Mädchen, und eines, das ich nicht mehr hergeben möchte, Du Herzallerliebste, Du meine liebe Braut!

Bist Du denn gut nach Hause gekommen. Mein Zug war so kurz und vollgestopft. Ich bin in einen schwarzen Stall gekrochen, der von Menschen wie von Schafen vollgepfercht war. Die Fenster dürfen nicht geöffnet werden. Die Luft wurde stickig und knapp. Als es gefährlich wurde, war ich am Ziel. Ich war die ganze Nacht so halbwach und habe seither noch keinen tiefen Schlaf wieder gehabt. Morgen ist schon wieder Donnerstag. Über einer geregelten Arbeit vergeht die Woche schnell. Dein Brief wird sich vielleicht ein wenig verspäten. Ich tue, was ich kann, um ihn Dir pünktlich zuzustellen. Es ist jetzt 8 Uhr. Ich bringe ihn nachher zum Zuge, der hier 3/4 9 Uhr abfährt. Zu dem Porto kommen als 20 Pfennig Fährgebühren. Der Bürgermeister hat mir eine ‚kleine‘ Nebenbeschäftigung aufgehalst: Volkskartei. Heute Mittwoch mußte ich unbedingt nach L. fahren, um noch verschiedenen Nachlaß zu regeln. Ich bin auch bei Hoffmanns ein Stündchen eingekehrt. Sie hatten mich schon früher einmal erwartet und brennen darauf, uns beide in ihrem Glückshäuschen zu empfangen. Beim Schulleiter Korek habe ich auch nach den Ferien gefragt. Wenn keine andere Regelung kommt, liegen sie vom 1. - 14. Oktober. Und nun denke ich über die Pläne unseres Wiedersehens so: Wenn ihr am Sonnabend feiert, dann bitte, Liebste, besuche mich! Lege es Deinen Eltern klar: So günstige Gelegenheit bietet sich nicht gleich wieder. 1. Du kannst in den Morgenstunden fahren (freilich keine Sonntagkarte. Die Rückfahrt bezahle ich Dir, Liebste). 2. Wir haben uns 1 ½ Tag. 3. Jetzt ist noch was dran am Tage.

Solltest Du nicht rechtzeitig erfahren, ob ihr am Sonnabend feiert, so komme nur getrost ungemeldet, ich halte mich für den Empfang bereit.

In Anbetracht der nahen Ferien würde ich am nächsten Sonnabend nicht kommen, dafür dann lieber in 8 Tagen länger. Ich muß die Rückfahrt zu zeitig antreten!

Betest Du denn auch für den Frieden? Du, vergiß es nicht. Ach Liebste, die Sonne und Wärme vom Sonntag ist noch heute mit mir, Du, ich bin so froh und dankbar.

Bitte, grüße Deine lieben Eltern!

Gott behüte Dich!

Bist Du es, die mich nicht schlafen läßt? Du! Das will ich wissen! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich! Du, meine liebe [Hilde]!

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946