Nun habe ich Dich doch so bitter enttäuscht, ich sehe und lese es aus Deinem Briefe und kann es Dir nun erst recht nachfühlen, und bin selbst ärgerlich, zumal Du den ganzen Sonnabend frei hattest. Ach Liebste! Zum einen war es wirklich gut gemeint, wenn ich dachte, Du sollst in dieser unsicheren Zeit nicht auf der Bahn sein. Zum ander[e]n war ich am Sonnabend so schwankend und unentschlossen. Ach, liebe [Hilde], ich fuhr ja so schwermütig und kopfhängerisch nach Hause. Warum?
Die zehnjährige Polin Kazimiera Mika trauert um ihre ältere Schwester, die auf einem Feld nahe der Jana-Ostroroga-Straße in Warschau bei einem Angriff der deutschen Luftwaffe ums Leben kam. Nach dem Fotograf Julien Bryan: “Sieben Frauen wollten Kartoffeln ausgraben. Es gab kein Mehl in ihrem Bezirk und sie suchten verzweifelt nach Nahrung. Plötzlich erschienen zwei deutsche Flugzeuge aus dem Nichts und warfen zwei Bomben auf ein nur zweihundert Meter entferntes Haus. Zwei Frauen im Haus fanden den Tod. Die Kartoffelernterinnen warfen sich flach auf den Boden in der Hoffnung, unentdeckt zu bleiben. Als die Flugzeuge fort waren, setzten sie ihre Arbeit fort. Sie brauchten das Essen. Aber die Nazi-Flieger waren noch nicht zufrieden mit ihrem Werk. Nach ein paar Minuten kamen sie zurück und fielen auf 200 Meter Höhe ab, wobei sie das Feld mit Maschinengewehrfeuer durchpflügten. Zwei der sieben Frauen starben […] Während ich die Leichen fotografierte, kam ein kleines zehnjähriges Mädchen und starrte wie gebannt auf eine der Toten. Sie war ihre ältere Schwester. Das Kind hatte nie zuvor eine Tote gesehen und konnte nicht verstehen, warum ihre Schwester nicht mit ihr sprach […].” Quelle: Bryan, Julien: Warsaw: 1939 Siege; 1959 Warsaw Revisited, Warschau: Polonia Publishing House, S. 120. Foto: Julien Bryan, “Documentary Record of the Last Days of Once Proud Warsaw”. Life magazine (23.10.1939): S. 73–77. Quelle: USHMM #50893, Lizenziert unter Public domain über Wikimedia Commons, 09.2014Aus Sorge um Dich, um uns beide, um unser Glück. Und wie ein Kranker seine Lieblingsspeisen, so wies ich die Aussicht und Möglichkeit zurück, Dich, Liebste, bald in die Arme zu schließen und zu küssen, weil es mich nur trauriger und unglücklicher gemacht hätte. Ach Du, am Sonnabendmorgen hat mir meine Mutter den Kopf zurechtgerückt. „Hat Gott Deinen Lebensweg bisher nicht sichtbar gesegnet, hat er Dich nicht erst jetzt ein liebes, tapferes Mädch finden lassen, warum willst Du, undankbar an seinem Beistand zweifeln?“ Zwei Stunden nachher schrieb ich den Brief an Dich, und seitdem bin ich ruhiger und gefaßter. Ich wollte zu Dir fahren, aber ich war nicht entschlossen genug, Mutters Einwand, es sei eine Hatz, die mir nicht gut sei, zu entkräften. Und merkwürdig, ich dachte den ganzen Tag, Du würdest ungerufen kommen und noch am Abend ¾ 10 habe ich zum Fenster hinausgesehen, weil ich dachte und hoffte, Du würdest kommen.
Es verkehren zwischen Dresden und K. täglich nur 2 Züge, und man tut gut, von Dresden den Autobus zu benutzen. Wir haben ja am Sonnabend so oft Deiner Gedacht und von Dir gesprochen. Liebste, sei mir nicht mehr bös darum, am Sonnabend, so Gott will, will ich Dich umso lieber und froher in meine Arme schließen, Du! Wie Du fährst? Ich kann frühestens […] in Dresden sein. Hast Du am Sonnabend frei, dann kannst Du mich in Dresden in Empfang nehmen (mit welchem Zug Du da fahren mußt, danach mußt Du Dich diesmal selbst erkundigen. Vielleicht kannst Du es mir noch mitteilen. Ob es sich lohnt, bis S. zu kommen? Du müßtest gerade Freitagnachmittag wegfahren. Ich kann von hier aus freilich nicht feststellen, ob Du den letzten Zug zu uns, Dresden ab […], noch erreichen würdest.). Arbeitet ihr am Sonnabend, dann richte es bitte so ein, daß Du mit dem nächstbesten Zug kommen kannst, dann muß ich Dich in Empfang nehmen. Also wieder einmal zunächst mehrere offene Möglichkeiten, aber eine Hoffnung und eine Sehnsucht, Liebste, Dich zu sehen und Dich zu umfangen. Von Siegfried kam am Sonntag eine weitere Nachricht, daß man ihn nach Gottleuba bei Pirna gebracht hat. Er ist also wieder ganz in der Nähe. Seine Anschrift besitzen wir noch nicht. ¼ 3 Uhr bin ich am Sonntag zum zweitenmal in S. gelandet.
Deinen lieben Eltern sage bitte herzlichen Dank für ihre Wünsche und herzliche Grüße.
Und Dir, Liebste? Behüt Dich Gott!
In einem deutschen Dorf während des Saar-Offensivs blickte ein französischer Soldat aus dem 151. R.I. 42. Division der Infantrie auf einen Schild des Reichskolonialbundes Deutschlands aus Lauterbach, wohl 09.09.1939, über WWII in Color, Licensed under CCBY-SA 3.0 via Wikimedia Commons, 09.2014.
Diese Tage sind wieder eine Probe für unsere Liebe. Daß wir um unser Glück bangten, ist es nicht ein gutes Zeichen? Aber sie sind auch eine Lehre: Es stand bei Gott, daß wir uns fanden, bei ihm steht auch, ob wir uns behalten, und wie es kommt, so ist es sein Spruch und Wille.
Und so wollen wir ihm uns[e]re Liebe anbefehlen, und dürfen mit froher Zuversicht auf seinen Beistand hoffen.
Ich küsse Dich! Ich liebe Dich!
Dein [Roland].
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12. September 1939
2 Gedanken zu „12. September 1939“
Wir kommen aus Österreich und konnten im Rahmen eines Projekts mit den Briefen arbeiten.
Wir beziehen uns mit unserer Meinung auf den Teil als Roland sich fur Hitler ausspricht.
Wir denken dass er Hitler mochte and diese Meinung teilt.
Wir kommen aus Österreich und konnten im Rahmen eines Projekts mit den Briefen arbeiten.
Wir beziehen uns mit unserer Meinung auf den Teil als Roland sich fur Hitler ausspricht.
Wir denken dass er Hitler mochte and diese Meinung teilt.
I found the story very shocking but interesting.