390909–1‑1
K. am 9. September 1939.
Meine liebe, liebe [Hilde]!
Über B. bin ich am Mittwoch nach K. gefahren. 2 Stunden habe ich beim Bruder Einkehr gehalten. Im finsteren Abteil bin ich dann ½8 Uhr durch das K.er Land gefahren. Am Donnerstagmorgen begab ich mich zum Rathaus, um nach einer Arbeit zu fragen. Man behielt mich gleich dort. 2 Tage habe ich so wie Du Dienst getan und stillsitzen müssen, habe Gewerbesteuerbescheide geschrieben und Steuern für die katholische Kirche ausgerechnet. Der Tag verging darüber sehr schnell. 2 Gefahren solch sitzender Lebensweise habe ich schon in diesen beiden Tagen erkannt: Leicht kann man sich erkälten und leicht verdirbt man sich die Haltung. Weil nun am Montag der Unterricht wieder beginnen soll, ist meine Gastrolle schon zu Ende.

Herzallerliebste! Vielleicht hast Du ungeduldig auf Weisungen gewartet, vielleicht noch ungeduldiger auf meinen Besuch. Ich habe geschwankt. Begönne am Montag der Unterricht nicht, wäre ich nach O. gekommen. Daß Du jetzt soviel reist, möchte ich nicht. So es Gott gefällt, wollen wir uns am Sonnabend und Sonntag, 16. 17. September, in K. zusammenfinden. Hellmuth und Elfriede wollen auch erscheinen. Wir würden uns in Dresden treffen (die Fahrzeiten teile ich Dir noch mit) und dann gemeinsam herausfahren. Brauchst Du aber unser[e]n Halt und Beistand schon eher. dann mach Dich eben los und komm zu mir oder fahre nach K. zu meiner Mutter! Ich habe den Zusammenhalt in diesen Tagen wieder segensreich empfunden. Haltet mir Ihr auch gut zusammen! Laß Dich nicht irre und zweifeln machen von dem Gerede der Menschen. Was auch kommen mag, wir wollen glauben, daß Gott uns führt und mit uns ist, und wir dürfen es glauben: er hat unseren Weg bisher sichtbar gesegnet, er hat uns zusammengeführt, er hat Dich mir geschenkt, und Gottes Wege können gar wunderbar und seltsam sein, er weiß auch noch einen Weg, wenn alle Menschen ratlos sind. Vor einer Stunde erhielten wir Nachricht von unserem Siegfried. Er liegt in einem Feldlazarett auf deutschem Boden, in der Nähe von Beuthen. Er hat sich eine Magen- u. Darmerkältung zugezogen, hat sich damit mehrere Tage geschleppt in Feindesland und ist dann zurücktransportiert worden. Er hat 6 Tage nichts essen können. Wir können ihm augenblicklich nicht schreiben. Die Berichte vom Vordringen uns[e]rer Soldaten und von dem Zögern der Westmächte können uns hoffen lassen, daß unserem Lande und dem ganzen Europa der Frieden bald wiedergeschenkt wird.

Wir aber wollen der Gnade und Güte Gottes dankbar gedenken daraus Glauben und Zuversicht schöpfen und Kraft für unseren Bund. Liebste, und das mußt Du wissen, Du gehörst jetzt mit zu uns, bei Eltern und Geschwistern, das macht mich froh und beruhigt mich!
Morgen Sonntag, will ich nach S. zurückfahren.
Gott sei mit Dir und den Deinen!
Bald wirst Du wieder von mir hören.
Ich spüre, wie die Sorge uns alle enger zusammen schließt, wie sie das Band zwischen Dir und meinem Elternhaus enger knüpft. Gott hilft auch durch die Sorge.
Herzallerliebste! Du meine liebe, liebe [Hilde]! Ich liebe Dich!
Dein [Roland].