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[OBF-390628-001-01]
Briefkorpus


Lichtenhain am 28. Juni 1939.

Meine liebe [Hilde]!

Ich lese es wieder und wieder und werde so glücklich darüber: daß Du Dich sehnst und bei mir sein willst. Liebe [Hilde], komm zu mir! Ich bin auch so froh darüber, daß Du wie ich empfindest: daß wir beide ganz allein sein dürfen und daß wir einander ganz für uns haben, das ist das höchste Glück und die glücklichste Stunde, o Liebste, ich sehne sie herbei wie Du! Vor unseren ersten Begegnungen legte ich mir einige Gesprächsthemen zurecht [sic] in Sorge darum, es möchte eine Leere eintreten. Das war gut und richtig damals. Über diesen Punkt sind wir glücklich hinweg. Viel zu schnell verinnen [sic] uns die Stunden, und wenn uns die Worte ausgehen, ach Liebste, Du weißt es, viel schöner und beredter kann das Schweigen sein zu zweien, Du, Du! Dürfen wir sie nicht nützen, die glückliche Zeit? Nun ich Dich besser kenne, ist mir mein Gewissen leichter darüber. Du wirst mit mir darüber wachen, daß wir nicht in einen kreisenden Strudel gerissen werden, der uns niederziehen will; sondern daß unser Weg in einer Spirale kreisend aufwärts führt. Ach Liebste, im Geiste bin ich schon neben Dir, ich halte Deine schöne Hand, ich darf Dir über die Wangen streichen --. Die Menschen um mich her ahnen nicht meine Unruhe, sie wissen nichts von meinem Sehnen, sie halten mich für kühl und gleichgültig, sie trauen mir nicht zu, daß ich ein Menschenkind recht liebhaben kann. Ich will es ihnen nicht anders sagen, wenn Du es nur fühlst und weißt.

Ich erwarte Dich 1615 Uhr auf dem Dresdner Hauptbahnhof.

Bring doch bitte unsre Bilder einmal mit! Vielleicht sind bis Sonnabend die restlichen vier fertig.

Das Schulfest ist glücklich unter Dach und Fach. Das Wetter war günstig bis auf einen Gewitterguß, denselben, den Du erwähnst, Du hast ihn wohl als Gruß geschickt. Ich habe mich zäh und verbissen in meine Pflichten gestürzt, nicht links und rechts geguckt und erst wieder aufgesehen, als der Zeiger ½ 10 Uhr zeigte und man zum Lampionzug anstellte. Was sonst noch erwähnenswert ist, erzähle ich Dir.

Meine Eltern haben ihren Aufenthalt in St. Wolfgang bis zum vergangenen Sonnabend ausgedehnt. Gestern Mittwoch gedachten sie in Kamenz einzutreffen.

Ach Liebste, ich mag heute nicht mehr schreiben. Es erscheint mir alles so unbedeutend und nichtig vor Deinem Besuch. Bis Sonnabend habe ich reichlich Beschäftigung, zum Glück.

Gott behüte Dich mir! Bleibe munter und gesund! Reise glücklich!

Der Mond rundet sich wieder, hast Du es bemerkt? Möchte er uns wieder recht glücklich finden.

Nun komm und laß Dich küssen und laß Dir sagen, daß ich Dich liebe, Du, mein Süßes, Herzliebes,

Dein [Roland].

Bitte grüße Deine lieben Eltern.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946