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[OBF-390626-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 26. Juni 1939.

Mein lieber [Roland]!

..... Und wieder einmal ist Montag — endlich die letzte Woche angefangen, die noch zwischen unserem Wiedersehn liegt. Du! Wie ich darauf warte, Liebster!

[Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]


Wenige Stunden nur sind es noch bis zu dem Augenblick, in dem ich mein Amt als ‚stellvertretende Hausfrau’ wieder dem rechtmäßigen Vertreter dieses Titels in die Hände lege. Jetzt spreche ich Dir nun in Rätseln?
Mutter hat vergangenen Freitag ihre Ferien angetreten und wir beide, Vater und ich, haben sie überredet, daß sie die Verwandten in Halle besucht. — Mit dem gemeinsamen Urlaub der Eltern wird's nun nicht klappen, Vaters Ferien liegen noch nicht fest. — Länger als 3 Tage will sie nicht bleiben. Sonnabend vormittag fuhr Mutter hier weg und heute abend erwarten wir sie zurück. Du kannst Dir denken, daß ich alle Hände voll zu tun hatte. Ich bekam wieder einmal einen Einblick in den vielseitigen, abwechlsungsreichen Wirkungsbereich der Hausfrau. Doch diese Art der Arbeit macht mir Spaß und ich gehe mit Lust und Liebe daran. Vater war sehr zufrieden mit seiner Wirtschafterin. Und ich hoffe, die Mutter ist's auch. Ich habe nicht eher gerastet, als bis die ganze Wohnung blitzt, und das Gefühl, das sich meiner heute abend bei der Übergabe bemächtigt, wird nicht ganz ohne Stolz sein. Dir kann ich's ja sagen, Du behältst es für Dich!

Mein lieber [Roland]! Trotz meiner Pflichten habe ich sehr, sehr oft Deiner gedacht. Am Sonnabend bangte ich noch um das Wetter, bei uns hier ging ein schweres Gewitter nieder und zweimal schlug der Blitz ein. Der Sonntag war um vieles besser, es regnete nur einmal am Nachmittag. Bist Du denn heil und trocken aus allem Festtrubel herausgekommen? Muß ja eine große Sache gewesen sein, Eure 100 Jahrfeier. Der Eindruck allein schon dieser vornehmen Einladungen. Nur möchte ich Dich bitten, mir dieselbe beim nächsten Male etwas früher zuzusenden! Du alter Schlaukopf hast es schon so eingerichtet, daß ich ihr nicht Folge leisten kann!

Ob ich gern dabei gewesen wäre? Lieber [Roland], Du teilst hierin meine Meinung. Wäre ich gerade in Lichtenhain gewesen, so hätte ich mir das fröhliche Treiben schon gern eine Weile von ferne betrachtet, bei der günstigen Lage der Festwiese. Aber dann hätte ich wieder so lang auf Dich warten müssen. O Du! Das ist garnicht schön.

Ich denke, Du wirst froh sein, daß nun alles hinter Dir liegt. Staunend vernehme ich, wie Du Dich außerberuflich nützlich machst — Waldarbeiter und Musiker, diese beiden Gegensätze meisterst Du an einem Tage?

Weil ich eben an den Begrüßungsabend der K.d.F.-Gäste denke: Bei uns geht das Gerücht um, ab 1. Juli sind sämtliche Reisen und Fahrten mit „K.d.F.” eingestellt, der politischen Lage halber. Verschiedene Betriebe bekommen keine Omnibusse gestellt zu Ausfahrten. Die Stimmung unter den Leuten ist überhaupt wieder mal auf's höchste gespannt. Und alle Besserwisser trifft trotzdem auch nur das gleiche Geschick: Abwarten!

Das Weltgeschehen — unsere Liebe, sie stehen sich gegenüber, beides sind so große und wichtige Ereignisse, beide müssen gleich ernst genommen werden, soll Segen darauf ruhen. Mein lieber, lieber [Roland]! Ich bin uns[e]rer Liebe so zuversichtlich und froh, was kann uns Böses und Schlimmes anfechten?

Diese Zuversicht ist auch in mir, wenn ich an die Zukunft im Großen denke; die Zukunft unseres Volkes und Reiches. Liegt die Führung nicht in sicheren Händen? Und wir können doch nichts tun im Ernstfalle, als die Befehle des Führers getreulich zu erfüllen; fest zusammenstehen, kämpfen um den Frieden. Denn was sind wir alle ohne den Frieden? Gleich einem treibenden Schiff auf dem Meer, das den sichern Hafen nicht findet.

Über allem Denken und Trachten, über allem Planen der Menschen aber regiert weise und gerecht der Höchste nach seinem Willen. Und wir haben nicht das Recht, seinem Willen nachzuspüren; sondern der feste Glaube, daß Gott nur das Beste und Gute mit uns vorhat, muß uns stark machen gegen alles. —

Nun zu unsrer Begegnung. Drei Vorschläge machtest Du mir, sämtlich befinde ich sie für gut und einer kann in die Tat umgesetzt werden.

Zu Punkt 1. Du weißt, Du bist uns allen immer herzlich willkommen. Aber diesmal muß ich dagegen sprechen. Weil Mutter Urlaub hat, sagte sie für die letzten Tage dieser Woche Waschfest an. Besuch und Wäsche, das paßt mir nicht, das sage ich Dir ganz ehrlich; denn ich müßte den Küchendienst übernehmen, könnte vorher nicht alles in Ruhe vorbereiten. Kurz, Du kennst ja den Betrieb auch — wenn Du einmal kommst dann sollst Du ganz bei mir sein — dann möchte ich am liebsten nur für Dich da sein. Daß Du in den Ferien paar Tage kommst ist sehr schön, Du, und die Eltern freuen sich auch darauf.

Die Nachtlagerfrage wird schon geregelt werden. „Tut mir furchtbar leid[,] mein Herr, bei uns gibt's nur noch Zimmer mit 2 Betten!” —

Deine Eltern möchte ich so kurz nach der Reise noch nicht besuchen, ich denke, da komme ich ungelegen. Ich glaub, es ist ihnen lieber, wenn sie sich erst wieder an’s gewohnte Treiben finden. Für eine Frau gibt’s nach der Reise eine Menge Arbeit und Deiner Mutter wird’s auch lieber sein, sie hat wieder alles in Ordnung, ehe Besuch kommt. Ich würde mich ja freuen, kämen Deine Eltern mit bei uns durch, die Eltern sind schon ganz aufgeregt! Nun Liebster, darf ich entscheiden? Ich komme zu Dir. Mein lieber, lieber [Roland], zu Dir — wo wir beide ganz allein sein dürfen! O Du, wie ich mich nach Dir sehne!

Ja — jetzt sehe ich ganz klar und das ist wohl der Hauptgrund, weshalb ich die andern Möglichkeiten zurückstellte: Ich will bei Dir sein — will Dich ganz allein für mich haben, Du! Bin ich eigennützig, bin ich eifersüchtig? Liebster, nicht mehr will ich heute schreiben. Wird es auch Dein Wunsch sein, daß ich zu Dir komme?

Du wirst mir noch einmal schreiben? Bleibe gesund und behüte Dich Gott! Du mein lieber, lieber [Roland]!

Ich küsse Dich, Ich liebe Dich!

Deine [Hilde].

Die Eltern lassen bestens grüßen.

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946