Bitte warten...

[OBF-390618-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 18. Juni 1939.

Mein lieber [Roland]!

Heute ist es so trübe und grau draußen — ich bin so traurig. Mir ist, als müßte ich mich auf etwas Schweres, Ernstes vorbereiten. Du! Liebster! Wo bist Du? Was ist Dir? Ich habe so große Angst um Dich.

Gestern noch schien die Sonne — ich war so froh und mit all meinen Gedanken bei Dir, sehnte mich nach Dir. Und ich wartete ungeduldig auf den Sonntagmorgen, der mir Deinen Boten bringt. Diesmal blieb er aus — ich konnte es fast nicht begreifen.

Bei dem Gedanken: Ihm ist etwas geschehen! Strömte mir alles Blut zum Herzen — ich werde die Angst und die Unruhe um Dich nicht mehr los.

Du! Bist Du ganz gesund?

Ist eine Entscheidung gefallen, die Dir unmöglich machte, mir zu schreiben?

Du, [Roland]! Bitte, laß mich nicht so lang im Ungewissen. Sage mir alles — das Warten ist so quälend.

Bin ich töricht, sofort das Schlimmste anzunehmen? Kann nicht ein Zufall, ein nicht vorhergesehener, oder ein besonderer Umstand Deine Post um einen Tag verzögern? Du hast mich noch nie enttäuscht, hast mir nichts vorenthalten. Warum sollte es diesmal anders sein?

Ich vertraue Dir, und ich kann Dir vertrauen bis ins Letzte.

Und das Größte, das Schönste: Die Versicherung Deiner Liebe? Schenkt sie mir nicht Kraft und Trost über alle Unruhe hinweg?

Liebster, Du! Was wäre ich ohne Deinen letzten Brief? Aber sieh, Deine Worte, die mich so glücklich machen, die das Vergangene, zusammen Erlebte wieder neu erwecken und mich fühlen lassen, daß wir uns fanden — un[s] immer inniger angehören; sie können mich heute nicht trösten und aufrichten — sie lassen mich die Sorge um Dich doppelt empfinden.

Du! Ich liebe Dich!

Ich warte auf ein Wort von Dir.

Wenn es um Deinen Beruf geht, mein lieber [Roland], dann sei so, wie Du immer warst: Treu, wahr und gläubig. Was kann Dir dann geschehen? Ich vertraue mit Dir auf den Höchsten.

Gott schütze und behüte Dich!

Ich behalte Dich lieb, ich küsse Dich mein lieber, lieber [Roland], Du!

Deine [Hilde].

Karte
Kommentare
Einordnung
Ba-OBF K02.Pf1_.390618-001-01a.jpg

Ba-OBF K02.Pf1_.390618-001-01a.jpg Ausschnitt aus dem Brief

Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946