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[OBF-390323-001-01]
Briefkorpus

Lichtenhain am 23. März 1939.

Meine liebe [Hilde]!

Eine Überraschung: Wir wollen uns am Sonnabend treffen und Du sollst am Sonntag mein Besuch sein. Hoffentlich bist Du gesund und angenehm überrascht. Diese Entscheidung fiel gestern, nicht aus einer abenteuerlichen Regung, sondern aus folgenden vernünftigen Erwägungen:

1) Der Sommernachtstraum wird am Sonnabend gespielt. Karten dafür habe ich heute bestellt.

2) Am Sonnabend ist eine Haupttagung des NSLB in Pirna, ich bin also schon auf halbem Wege nach Dresden.

3) Unsre Zensurenarbeit muß am Sonnabend abgeschlossen sein, das ist ein Grund zum feiern, und Du sollst mitfeiern; das endende Jahr, es ist auch Dein Jahr.

4) Für Sonntag könnten wir uns bei halbwegs gutem Wetter einen Abstecher nach Böhmen vornehmen, vielleicht nach dem Tanzplan, die winterliche Pracht wird so schnell nicht hinschwinden. Diese Tour läßt sich leicht mit einem Kunstgenuß verbinden. Doch das soll eine Überraschung werden.

Sonntagabend kommst Du da freilich nicht nach Hause. Bitte nur Deinen Chef um Urlaub wenigstens für Montagvormittag. Sage ihm, daß Du ihn mit Anliegen dann verschonst bis zu den großen Ferien.

5) Der kommende Sonnabend/ Sonntag bietet also allerhand gewisses, während der Karfreitag noch ein ganz unbeschriebenes Blatt ist.

Die Begegnung am Karfreitag würde also damit entfallen. Mit diesen Gründen sollst Du auch um das Einverständnis Deiner Eltern werben.

Ich komme 1907 [*] in Pirna an und hoffe Dich am Eingang zum bekannten Wartesaal zu finden. Dein Fahrplan: Oberfrohna Autobus ab 1600 Chemnitz Hbf. ab 1656 (Personenzug Bahnsteig 14), Dresden Hbf. an 19 02 [*]! Vergiß Deine Überschuhe nicht. Daß Du kommst, wenn Du nur irgend kannst, das weiß ich. Ich freue mich auf Deinen Besuch, Du!

Kommst Du nicht, werde ich das Programm allein abwickeln. Es ist mir wieder besser. Dein Brief war so lieb. Ich danke Dir. Eben bin ich von der Turnstunde nach Hause, der letzten in diesem Jahr. Der Arm schmerzt mir und die Hand zittert vom Schneeballen. Ich hatte mir ein Paar Brettl geborgt und habe also zum erstenmal [sic] draufgestanden. Es ist sehr naß heute, der Schnee wenig führig.

Wie wundersam, daß Du meine Unruhe und Unsicherheit verspürtest am Montag. Immer wieder habe ich die beiden Tage das Bild Deines Wesens neben Vaters und Mutters gehalten, habe gepaßt und probiert, und darüber ist Dein Bild verschwommen und verblaßt. Nun kann ich es neu in mich aufnehmen am Sonntag, Du Liebes, Herziges, wie ich darauf warte, Du!

Nun soll mir die Arbeit recht flott von der Hand gehen, in Erwartung Deines Besuches.

Unsere Arbeit? Das Programm ist schon sehr reichhaltig. Schließlich können wir noch ein paar Novellen zugeben. Und ein wenig (!) Zeit muß auch zum küssen bleiben. Du! Das ist auch Arbeit, es macht doch so müde!

Und nun? Bitte grüße die Eltern.

Ich küsse Dich, Du! Meine liebe [Hilde]!

Behüt Dich Gott! Gute Reise! Auf ein frohes Wiedersehen grüßt Dich herzlich

Dein [Roland]

 

[*= rechteckig umrandet]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946