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[OBF-381123-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 23. November 1938.

Lieber [Roland]!

Heute am Mittwoch, dem Tag, der Ihnen lieb ist, will ich Ihnen schreiben. Ich bin am Sonntag, abends kurz nach 1/2 8 Uhr wieder gut in Oberfrohna angekommen. Die Eltern freuten sich, daß sie den Tag nicht allein beschließen mußten. Nach dem Abendbrot saßen wir noch ein Stündchen beisammen und ich hab ein bissel erzählt von unserm schönen Ausflug und auch vom Theater und vom Museum. Vorm Einschlafen hab ich noch lange an Sie gedacht — 10 hörte ich es noch schlagen vom Kirchturme; doch dann forderte der Schlaf sein Recht.  

Die beiden Tage unsres Beisammenseins klingen noch immer in mir nach. Ich bin so froh, wie seit langem nicht — trotz dieser einen dunklen Wolke, die noch über uns steht.

In mir ist es ganz still, die Unruhe und die Angst bedrücken mich nicht mehr. Ich vertraue Ihnen, lieber [Roland].

Regen und Sonnenschein müssen über das Land gehen, wenn etwas Rechtes gedeihen soll — Sie schrieben mir das Wort einmal. Es ist so einfach und so wahr.

Freude und Leid, sie formen und bilden den Menschen, lassen ihn reifer werden und wachsen.

Ich will nicht den Kopf hängen lassen und schwach werden, wenn die Sorge wieder einmal groß und drohend herantritt. Es gibt kein Leben, in dem nur Sonnentage verzeichnet sind. Unsre Zeit und die Zukunft erfordert starke und rechte Menschen. Und unsre Freundschaft und deren Zukunft erfordern nichts Geringeres. Sie allein trugen dazu bei, daß ich mich wiedergefunden habe. Ich danke Ihnen, daß Sie mir am Sonntag auf dem Weg einen Blick gewährten in Ihr Herz. Ich werde Ihre Worte niemals vergessen.

Ich glaube, daß ich doch noch lange überlegen werde, ehe ein Umschwung in mein gewohntes Leben tritt. Ob ich mich Ihnen auch in der Fremde so viel widmen könnte — und sei es nur in Gedanken — wie ich es jetzt gewöhnt bin? Ich zweifle daran, welchem Arbeitsgebiet ich mich auch zuwenden würde. Ich wage nicht auszudenken, wie ich es ertrüge, wenn stets die Pflichten Ihnen zuvor kämen.—

Heute sind die Bilder fertig geworden. Leider nur die Hälfte gelungen, mir gefallen sie recht gut. Der Photograph war des Lobes voll über die beiden Aufnahmen mit dem Zuge. Freuen Sie sich also Meister, über die gut gewählten Bildausschnitte! Die andern sieht man eigentlich auch ganz gut auf den Abzügen — der ‚Held’ hat wieder einmal vorzüglich gearbeitet.— Wir hatten vom Hohensteiner Christmarkt gesprochen und ich hab im 100 jährigen Kalender nachgesehen, wann er stattfindet. Am 3. und 4. Advent (11. und 18. Dez.) nachmittags. Was werden Sie jetzt denken, vor 3 Tagen sahen wir uns erst, und schon schreibe ich wieder vom neuen Programm. Daß ich mich schon darauf freue, dürfen Sie glauben, doch daß ich unbescheiden bin, nicht. Ich kann geduldig sein.

Die Eltern lassen Sie grüßen, und ich schließe nun in der Hoffnung, daß auch Sie gut zu Hause angekommen sind. Ich drücke Ihre Hand ganz fest und wünsche Ihnen eine gute Nacht, lieber [Roland]!

Es grüßt Sie recht herzlich

Ihre dankbare [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946