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[OBF-380928-001-01]
Briefkorpus

Bischofswerda am 28.9.38

Liebes Fräulein [Laube]!

Am Montagmorgen fragte ich Sie, was Sie so besinnlich gestimmt habe. Ich wollte dann Ihre Hand nehmen und Ihnen sagen: „Ich bin heute so froh." Ich brachte es nicht heraus. Frohgemacht hat mich unser Gespräch am Abend zuvor. Es hat mir den Blick geweitet für den rechten Sinn der Ehe. Und Sie haben hingeführt zu diesem Gespräch. Als wir so saßen, ins Leere schauten und uns nur noch hörten, da waren wir mit den Herzen beisammen. Nach solchem Abend sich finden, das ist dann nicht fades Genießen, das ist in Liebe sich vereinen.

Im Märchen Brüderchen und Schwesterchen fragt der König: Willst du mit mir auf mein Schloß gehen und meine liebe Frau werden? „Meine liebe Frau" möchte ich auch einmal sagen können. Es liegt in diesen Worten Adel und Hohheit; engste Gemeinschaft, aber in Züchten und Würde. So können nur wenig Männer aufrichtig von ihrer Frau sagen. Denn bei vielen ist sie nur Haushälterin, Wirtschafterin und — ich setze das harte Wort — Dirne, Spielzeug. Schuld sind wohl meist beide Teile. Ich bin voll froher Gewißheit: Die Liebe ist mehr als fades Genießen und niederes Verlangen — und Sie wissen darum und wir (auch ich!) dürfen uns nur mühen und darauf streben, dann werden wir es erjagen, das Glück der reinen Liebe. Gott ist Ihr Grund. Diese Liebe macht froh und reich und stark, sie erkaltet nicht — sie wird nur inniger, sie befleckt nicht — sie läutert aber.

Wenn Sie mir erzählen, daß andre Männer nach Ihnen schauen, daß Ihnen auch sonst Men[s]chen wohlwollen und Sie durch besondere Gunst auszeichnen, das ist so ehrlich und lieb von Ihnen und macht mir Sie wert.

Ganz reizend, wie die beiden jungen Männer sich als Kawaliere zeigen. Es steckt dahinter ein tiefer Ernst und deshalb legte ich Ihnen nahe, nicht damit zu spielen und zu scherzen.

Diese jungen Leute bewundern in Ihnen die [K]nospe holder Weiblichkeit, vielleicht ganz gläubig und reinen Sinnes, sie schauen zu Ihnen auf als einem Wunschbild, sie umkleiden Sie insgeheim mit ihren Wünschen und Sehnsüchten und erheben Sie zu ihrem Ideal und das tut sich kund in diesem Dienst, der sie Sie freuen und ehren muß. Ich habe das auch erlebt. Wie sollen Sie sich verhalten? Diese jungen Männer ja nicht auslachen, sie nicht verletzen, aber sie auch nicht mit Blicken und Worten und Bewegungen begehrlich machen. Ihren Dienst dürfen Sie annehmen und dafür knapp danken. Denken Sie, hier können Sie erziehen, können diese jungen Männer auf die Spur der reinen Liebe bringen, wenn Sie sich reif und überlegen zeigen, wenn Sie sich jederzeit in einer gewissen Ferne und Hohheit halten.

Wohlwollen und Übelwollen, gute und böse Wünsche, gute und böse Blicke uns[e]rer Mitmenschen sind nicht ohne Bedeutung.

Es war eines meiner stärksten Erlebnisse in Oberfrohna das Begräbnis des jungen Mädchens, das alle so gern hatten. Dieses Trauergefolge, soviel echte Trauer, das war mir wie ein Wunder in unsrer wunderlosen Zeit, als sei ein himmlisches Wesen entschwebt.

War es nicht auch voll Zauber und Geheimnis, daß die Maid auf der Rückfahrt sich an uns hielt, wie Sie sie Ihnen einigemal zulächelte und sich auf ihrem kindlichen Antlitz die Sonne Ihres Glücks spiegelte? Es war so eigenartig.

Lag in der wiederholten Aufforderung meiner Wirtsleute zur Wiederkehr nicht auch Zuneigung und Huld? Ich glaube, ich selbst habe dazu nicht einmal aufgefordert. Ich danke Ihnen für den Besuch. Er was so, daß mein Verlangen, Sie wiederzusehen, nur größer geworden ist.

Gestern abend waren die Bilder fertig. Ich nummeriere ganz dünn mit Bleistift, falls Sie etwas dazu schreiben wollen, brauchen Sie nur die Nummer zu erwähnen.

Mit Hoffnung und Freude kann ich den Brief schließen:

Frieden soll es bleiben und es besteht Aussicht auf einen dauerhaften Frieden. Ich war fester Zuversicht — aber nun freue ich m[i]ch doch. Gott sei Lob und Dank. Beim nächsten Wiedersehen wollen wir uns dessen gemeinsam freuen — vielleicht zur ... Kirmes.

Aber nun Schluß. Das darf ja nur ein halber Brief werden und Sie sollen auch wieder zu Worte kommen.

Am Sonntag gehe ich zur Kirche.

Dank und Grüße Ihren Eltern.

Und nun leben Sie wohl und seien Sie recht herzlich gegrüßt.

von Ihrem [Roland Nordhoff]

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Einordnung
Hilde Nordhoff lehnt an einen Baum, mit dem rechten Arm hät sie sich über dem Kopf am Baumstamm fest. Im Hintergrund Nadelbäume.

Ba-OBF K01.Ff1_.A9, Hilde Nordhoff, 1938, Ort und Fotograf unbekannt.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946