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[OBF-380821-002-01]
Briefkorpus

21.8.1938

Oberfrohna, am 21.8.1938.

Lieber Herr [Nordhoff]!

Die Einrichtung, daß mich Ihre lieben Zeilen Sonntags erreichen, finde ich sehr lieb von Ihnen; es ist dann doppelter Feiertag für mich. Es ist heute wieder mal ein unverbesserlicher Regentag und ich mache mich daran, Ihnen zu schreiben ehe die Freundin kommt. An solchen Tagen ist sie mein treuster Kamerad.

Allem voran möchte ich Ihnen die Mitteilung machen, v[on] der Sie hoffentlich ebenso erfreut sind wie ich: Wir kommen nicht, [sic] Sie besuchen! Das wird für den, der die Zusammenhänge nicht kennt, absonderlich klingen. Vielleicht muß ich mich auch egoistisch schelten.

Doch wir sind uns klar darüber, so nett die Wiedersehensfeier auch hätte werden können — wahre Freude daran würden Sie und ich doch nicht gefunden haben, weil unser Verhalten gegeneinander gezwungene Formen hätte annehmen müssen und das ist für beide Teile nicht von Gewinn. Wir würden vor die Wahl gestellt: Das zur Verfügung stehende Geld entweder für Fahrgeld anzuwenden und die Beköstigung selbst zu tragen — oder: Einen Ausgang, irgend wohin und da das Geld für unser leibliches Wohl umzusetzen. Der große Teil entschied sich für letzeres und man hat beschlossen, am 17. September nachmittags nach dem „Berghaus” Hohenstein zu wandern und dort ein Beisammensein zu veranstalten. Da nun etliche von den Herren ihre werte Gemahlin mitnehmen müssen, hat man auch den Jüngeren gestattet, mit Anhang zu erscheinen, was bei manchen große Begeisterung hervorrief.—

Ich danke es Ihnen, daß Sie mir einen tieferen Einblick ermöglichen in das Leben, in die Charakterveranlagung Ihrer Großmutter. Das letzte Mal verstand ich Sie falsch. Ich konnte nichts anderes entnehmen aus Ihrem Brief. Es war Freude für mich, zu wissen, wie sie so für Sie gesorgt hat. Leise stieg in mir die Frage hoch: Ist das auch recht und gut, den andern gegenüber? Ich zerstreute meine Bedenken aber dadurch, daß es oft der Fall ist, daß die Großmutter ein Enkelkind besonders bevorzugt. Aber nun bekomme ich ein ganz andres Bild von ihr. Ich habe Achtung vor dieser Frau. Trotz ihrer mehr oder minder angenehmen Seiten — sie wußte was sie wollte. Im Leben muß man eben versuchen, sich solchen Menschen anzupassen, solange man mit ihnen in Berührung ist, oder in Verbindung steht. Nur dann ist es schwer sich zu behaupten, wenn sie bewußt einen Zwang auf uns ausüben, auch wenn sie es damit nur gut meinen. Bevormundung ist etwas, was ich zum Beispiel schlecht vertrage. Ich höre mir gutgemeinte Einwände an, nicht daß ich dagegen dickköpfig bin — aber einreden lasse ich mir nichts. Ich tue das, was ich aus innerer Überzeugung heraus für gut und richtig halte. Wir haben alle unsre Fehler, auf ganz verschiedene Art kommen sie zum Ausdruck und es ist schwer, sich selbst restlos kennenzulernen.

Ihr Vergleich ist sehr gut und treffend, daß an jeder tieferen Freundschaft der Gewinn der ist, daß man am andern sich selbst kennenlernt.

Sie schrieben, etliche weibliche Wesen fürchten sich vor Ihnen. Diese Äußerung kann man im gewissen Sinne gelten lassen. Es liegt etwas in Ihrem Wesen, in Ihrem Blick, was einem Furcht erwecken könnte. Ich weiß nicht, wie ichs ausdrücken soll — ich empfinde es mehr als Respekt.

Gern würde ich im Buche der Astrologie den Geburtstag Ihrer Großmutter nachschlagen, doch ich sagte Ihnen schon einmal, das Buch gehört nicht mir. Ich werde sehen, daß ichs nochmal bekomme. Es ist komisch, daß in jedem Kalendar die Grenzen der Sternbilder anders gesetzt sind. Ich hab das selbst schon beobachtet und verstehe nicht[.] Wenn nun jemand sein Horoskop genau berechnen will und kommt mit dem Geburtsdatum in Konflikt wegen so einer Grenzschwierigkeit. Er stellt sich also beide Horoskope aus, weil er annimmt, er gehört zu einer Gruppe di[es]er beiden Sternbilder — und das Vorteilhaftere von beiden macht er sich zum Vorbild? Das ist ja dann alles Schwindel und gleichzeitig ein Beweis, daß man sein Leben doch nicht genau nach dem Horoskop einrichten kann, welcher Ansicht so viele sind. Ich muß Ihnen beipflichten und einsehen, daß über aller menschlicher B[ere]chnung und Weisheit, sich alles gibt nach einem göttlichen Plan. Wir haben dies Thema nun angeschnitten, so wollen wirs auch zu Ende führen und damit keine Mißverständnisse mehr ents[t]ehen uns einmal mündlich darüber unterhalten.

Ich lege Ihnen die versprochenen Aufnahmen bei, sollte Ihnen eine gefallen, so behalten Sie sie getrost zurück. Ich muß sowieso für meine Freundin einige nachmachen lassen. Sie, als Kenner werden die Fehler sehen, die zustande kamen. Die Friedhofsanlagen, mit dem Pfarrhause im Hintergrund sind bei völlig bedecktem Himmel fotografiert.

Ich schließe nun in der Hoffnung auf ein frohes, gesundes Wiedersehen und grüße Sie auch im Namen der El[ter]n

recht herzlich

Ihre [Hilde Laube].

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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946