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[OBF-380728-001-01]
Briefkorpus

26.7.38

Bischofswerda am 28.7.

Liebes Fräulein [Laube]!

Die Post arbeitet gut und zuverlässig. Voll Sorge [u]nd Ungeduld wartete ich am Sonntag den Briefträger ab — er brachte nichts. Überlegen Sie einmal: Meine Absage hätte Sie nicht erreicht, Sie wären nach Goslar gefahren und hätten mich nicht angetroffen, was hätten Sie getan?

Wenn Ihr Oberfrohnaer Briefträger die Briefsachen nur ein wenig ansieht und ein bißchen nachdenkt, hat er längst heraus, wer dieser [Hilde Laube] so viel zu schreiben hat.

Ihren letzten Brief überbrachte mir meine Mutter. Sie ist gar eine Diplomatische und macht sich ihre Gedanken, wenn ich den Brief ungelesen beiseitelege und ihr nicht sage, woher er kommt — soll sie ruhig.

Wie es mir geht, was ich angebe?

In der Nacht zum Montag fand ich keinen Schlaf. Daß ich keinen Schlaf finde ist das einzige Übel, das mich jetzt noch plagt. Was Sie zuviel --- den Satz brauche ich gar nicht auszuschreiben. Trotzdem bin ich aufgestanden, bin mit einem Buche hinausgewandert und habe, Ihrem lie[b]en Rat folgend, meinen Leib gesonnt. Gegen 11 habe ich mich auf den Heimweg gemacht, einen Bekannten traf ich, der mich ins Gespräch zog — es dauerte mir viel zu lange — plötzlich merke ich mein Herz wild schlagen, nur eine Minute, 1/4 12 war es. Am Nachmittag habe ich noch einmal unserem zerbrochenen Glück nachgehangen, bin dann um 6 noch einmal durch die Felder geschlendert. Nach dem Abendessen wird noch ein Stündchen musiziert, entweder lasse ich mir etwas vorspielen oder ich spiele und singe mir selber etwas, und weil ich weiß, daß Sie schon um 8 Uhr verschwinden, werde ich nicht vergessen ein Wiegenlied einzuflechten. Am Dienstag hat mich Mutter als Waschmann angestellt. Auf dem Wiesenplane habe ich gesessen und bin aller halben Stunden mit der Gießkanne auf- und abgefahren. Und so wissen Sie ja selbst, über dem Nichtstun und Nichtsvorhaben vergehen die Tage schnell und sie sollen es auch bis zum [So]nntag. Heute Donnerstag fühle ich mich wieder so wohl, daß ich Sie bitte, kommen Sie am Sonntag nach Dresden.* Es ist mir, als ob nicht nur 4 Wochen seit unsrer ersten Begegnung vergangen wären, sondern viel längere Zeit. Es hat in der Zwischenzeit soviel gespielt; gemeinsames Raten und Hoffen, Freuen und Bangen. Und ich muß es dankend vorbringen: Ihre letzten Briefe haben mir viel Freude bereitet. [W]ie Sie vor meinen Augen Ihr Herz und Ihre Empfindungen ausbreiten, ohne Schein, mit kindlichem Zutrauen — und zu denken, daß Sie es allein für mich tun, das ist beglückend, das ist Sonnenschein und Wärme. Ich danke Ihnen.

* Bitten Sie um Urlaub bis 1/2 1, in Anbetracht der Ferien.

Ob es immerzu Sonntag sein kann zwischen zwei Menschen, auch wenn sie dann täglich umeinander sind? Bei vielen scheint es nicht so zu sein, nach dem was man hört und sieht. Da ist Alltag, Enttäuschung, da ist bei Männern viel Rohheit, über die ich oft erschrecke, aber schlimmer ist wohl noch die Gleichgültigkeit mit der man nebeneinanderherlebt. Aber [s]oll man auf die Vielen sehen? Bei der Menge ist das Gute selten. Der eigne gute Wille und die guten Vorbilder bringen uns voran. Und wenn das Schlechte die Regel ist, dann muß man eben Mut und Willen haben, die Ausnahme zu sein.

Es macht smich froh zu wissen, daß Sie an Ihrer Heimat hängen, daß Ihnen diese Tage nicht ganz verloren sind. Und nun kommen Sie, ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammenzusein. Bringen Sie das Buch mit. Für schönes Wetter habe ich meinen Plan. Sie dürfen sich auch einen Wunsch zurechtlegen.

Und nun glückliche Reise. Auf ein frohes Wiedersehn grüßt Sie recht herzlich Ihr [Roland Nordhoff].

Bitte sagen Sie Ihren Eltern Dank für Ihre guten Wünsche und grüßen Sie von mir.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946